Ecopipam wirksam bei Tourette-Syndrom |
Annette Rößler |
04.04.2022 17:00 Uhr |
Längst nicht alle Betroffenen mit Tourette-Syndrom werden dadurch zu Außenseitern. Besteht jedoch ein Leidensdruck, kann versucht werden, die Tics auch medikamentös zu unterdrücken. / Foto: Getty Images/Isabel Pavia
Betroffene mit Tourette-Syndrom leiden unter motorischen oder vokalen Tics, also plötzlichen, raschen Bewegungen oder Lauten beziehungsweise Wörtern, die sie immer wieder ausführen beziehungsweise ausstoßen, ohne das selbst kontrollieren zu können. Laut dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) beginnt die Krankheit meist um das siebte Lebensjahr herum, in jedem Fall aber vor dem 21. Lebensjahr. Eine Pharmakotherapie erfolge individuell, sei in den meisten Fällen aber nicht notwendig, so der BVKJ. Falls Tourette-Patienten Medikamente benötigen, können unter anderem antipsychotische Dopamin-Antagonisten gegeben werden.
Diese haben jedoch häufig die unliebsame Nebenwirkung einer starken Gewichtszunahme. Hier könnte sich der neue Dopamin-Antagonist Ecopipam auszeichnen, der nicht wie die Neuroleptika den Dopamin-D2-Rezeptor, sondern gezielt den Dopamin-D1-Rezeptor blockiert. Er wird von der US-Firma Emalex entwickelt und zurzeit bei Kindern und Jugendlichen mit Tourette-Syndrom sowie bei Erwachsenen, die stottern, erprobt.
Bei der Jahrestagung der American Academy of Neurology (AAN) wurden jetzt Ergebnisse einer Phase-IIb-Studie mit Ecopipam vorgestellt. An der Studie hatten 153 Kinder und Jugendliche mit Tourette-Syndrom teilgenommen, von denen 149 für die Auswertung berücksichtigt werden konnten. Randomisiert hatten 74 von ihnen über insgesamt 13 Wochen Ecopipam erhalten und 75 Placebo. Die Wirkung auf die Grunderkrankung wurde anhand der in Woche 12 erfassten Veränderungen in den Beurteilungsinstrumenten Yale Global Tic Severity Score – Total Tic Score (YGTSS-TTS) und Clinical Global Impression of Tourette Syndrome Severity (CGI-TS-S) erfasst.
Verglichen mit der Placebogruppe kam es in der Verumgruppe zu einer 30-prozentigen Besserung der Tic-Symptomatik (YGTSS-TTS) und zu einer ebenfalls signifikanten Verbesserung der Krankheitsschwere, beurteilt anhand des CGI-TS-S. Nebenwirkungen traten bei 26 Patienten unter Ecopipam auf (34 Prozent) und bei 16 unter Placebo (21 Prozent). Am häufigsten kam es zu Kopfschmerzen, Müdigkeit und Unruhe. Gewichtszunahme oder auch Bewegungsstörungen wurden dagegen nicht als Nebenwirkungen genannt.
Gegenüber der Nachrichtenseite »Medscape Medical News« nannte Dr. Jessica Frey von der University of Florida die Ergebnisse »vielversprechend«. Ecopipam könne die Therapieoptionen für Kinder und Jugendliche mit Tourette-Syndrom möglicherweise »in der nahen Zukunft« erweitern. Dopamin spiele bei der Pathophysiologie des Tourette-Syndroms eine wichtige Rolle und die Dopamin-D2-Rezeptor-Blockade könne die Tics signifikant reduzieren, habe aber intolerable Nebenwirkungen, die häufig zum Therapieabbruch führten.