Dupilumab und die Kampfansage an die Nasenpolypen |
Sven Siebenand |
20.11.2019 17:58 Uhr |
Weihnachtsdüfte Fehlanzeige: Die chronische Rhinosinusitis kann zur Anosmie führen. Der fehlende Geruchssinn belastet die Betroffenen oft schwer. / Foto: Adobe Stock/02irina
Die chronische Rhinosinusitis (CRS) ist eine Entzündung der Nasenwege und der Nebenhöhlen, die durch zwei oder mehr Symptome wie Nasenverstopfung, Rhinorrhoe, Riechstörungen und Gesichts- sowie Kopfschmerz charakterisiert ist und über mehr als zwölf Wochen anhält. Zu unterscheiden sind zwei Formen der CRS: mit Nasenpolypen (CRSwNP) und ohne Nasenpolypen (Chronic Rhinosinusitis sine Nasal Polyposis, CRSsNP).
Wie Professor Dr. Martin Wagenmann vom Universitätsklinikum Düsseldorf auf einer Presseveranstaltung des Dupixent-Herstellers Sanofi Genzyme in Frankfurt am Main informierte, liegt die CRS-Prävalenz in Europa bei etwa 11 Prozent. »2 bis 4 Prozent der Bevölkerung sind von CRSwNP betroffen.« Diese Patienten haben eine deutlich verminderte Lebensqualität sowie eine reduzierte Leistungsfähigkeit, so der Mediziner. Häufige Begleiterkrankungen sind Asthma bronchiale, allergische Rhinitis und Aspirin-Intoleranz (NERD, NSAR-Exacerbated Respiratory Disease, durch NSAR verschlimmerte Atemwegserkrankung).
Was genau sind Nasenpolypen? Es handelt sich um gutartige Ausstülpungen der Schleimhaut, die sich gestielt oder breitblasig in das Lumen einer Nasenneben- oder Nasenhaupthöhle vorwölbt. Bis dato, so Wagenmann, ist noch nicht bis ins letzte Detail geklärt, wie die Polypen entstehen. Jedoch wisse man, dass bei rund 80 Prozent der Patienten in Europa eine sogenannte Typ-2-Inflammation im Vordergrund steht. Diese ist durch verstärkte Aktivierung von Schlüsselzytokinen wie Interleukin (IL)-4, IL-5 und IL-13 gekennzeichnet. Durch die Entzündung kommt es zur Anreicherung von Eosinophilen und Mastzellen, Zellhyperplasie sowie den Gewebeänderungen, die letztlich zur Bildung der Polypen führen.
Die Therapieempfehlungen bei CRSwNP sehen die intranasale Anwendung von Glucocorticoiden und den Gebrauch von Nasenduschen vor. Vorübergehend kommen in schweren Fällen auch wiederholende Zyklen oraler Corticoide und Operationen zum Einsatz. Wagenmann verwies darauf, dass eine Operation längst nicht bei allen Patienten ein gewünschtes Ergebnis erzielt und es bei rund einem Viertel der Patienten nach dem Eingriff zu Polypen-Rezidiven kommt. »Bei Patienten mit Begleiterkrankungen wie Asthma kommt es viel früher und viel häufiger zu einem Rezidiv.« Ferner bestehe bei einer Operation auch die Gefahr ernster Komplikationen wie Verletzungen der Schädelbasis, starken Blutungen oder Erblindung. Bei 0,4 bis 3,1 Prozent der Eingriffe komme es zu so einem Ereignis.
Seit Ende Oktober ist Dupilumab in der EU zugelassen als Add-on-Therapie mit intranasalen Glucocorticoiden zur Behandlung von Erwachsenen mit schwerer CRSwNP, die mit systemischen Corticoiden und / oder chirurgischem Eingriff nicht ausreichend kontrolliert werden kann. Der Antikörper ist damit das erste Biologikum für die Behandlung dieser Erkrankung. Es wird wohl nicht das einzige bleiben. Das ist zumindest die Vermutung von Professor Dr. Claus Bachert vom Universitätsklinikum Gent, Belgien. Der Mediziner informierte, dass in den kommenden Jahren voraussichtlich weitere Antikörper folgen werden und Operationen dafür wahrscheinlich immer seltener durchgeführt werden. In Phase-III-Studien mit CRS-Patienten würden derzeit beispielsweise die Antikörper Mepolizumab (Nucala®), Benralizumab (Fasenra®) und Omalizumab (Xolair®) getestet.
Bachert erklärte, wie die Wirkung von Dupilumab bei CRSwNP zustande kommt: Der Antikörper bindet an die gemeinsame α-Untereinheit der Rezeptoren für IL-4 und IL-13. Damit unterbindet Dupilumab die Signalweitergabe dieser Schlüsselmediatoren. Durch die zielgerichtete duale Rezeptorblockade von Dupilumab kann die Typ-2-Inflammation reduziert werden.
Jeder Patient mit CRSwNP braucht eine Dauertherapie mit einem intranasalen Glucocorticoid. / Foto: Adobe Stock/Ocskay Mark
Die EU-Zulassung von Dupilumab zur Behandlung der CRSwNP beruht auf den Ergebnissen der beiden Phase-III-Studien SINUS-24 und SINUS-52. In diesen wurde das Biologikum (300 mg alle zwei Wochen) zusätzlich zu intranasalen Corticosteroiden im Vergleich zu Placebo plus intranasale Corticoide untersucht. In den Studien verbesserte der Antikörper wichtige Krankheitsparameter und erreichte alle primären und sekundären Endpunkte. So kam es in SINUS-24 und -52 unter Dupilumab zum Beispiel zu einer 57- beziehungsweise 51-prozentigen Verbesserung der Schwere der nasalen Verstopfung im Vergleich zu einer 19- beziehungsweise 15-prozentigen Verbesserung unter Placebo. Ferner führte die Dupilumab-Hinzunahme in den beiden Studien zu 33 beziehungsweise 27 Prozent weniger Nasenpolypen im Vergleich zu 7 beziehungsweise 4 Prozent mehr Nasenpolypen in der Kontrollgruppe. Bachert hob bei den sekundären Endpunkten die Auswirkung auf den Geruchssinn hervor: 52 und 45 Prozent Verbesserung des Geruchsverlusts im Dupilumab-Arm stehen 12 und 10 Prozent Verbesserung unter Placebo gegenüber. »Der Effekt auf den Geruchssinn tritt ausgesprochen schnell ein, nach nur wenigen Wochen«, fügte der HNO-Arzt hinzu.
In einer vorab festgelegten Analyse der beiden Studien führte die Add-on-Behandlung mit dem Antikörper im Vergleich zu Placebo auch zu einer signifikantem Reduktion des Bedarfs an systemischen Glucocorticoiden und der Notwendigkeit einer Operation. Bachert: »Der Anteil der Patienten, die systemische Corticoide benötigten, war unter Dupilumab im Vergleich zu Placbo fast um 75 Prozent reduziert.« Zudem war der Anteil an Patienten, die operiert werden mussten, in der Verumgruppe im Vergleich zum Placeboarm um 83 Prozent niedriger.
Insgesamt wurde der Antikörper gut vertragen. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Konjunktivitis, Eosinophilie und Reaktionen an der Injektionsstelle. Während die Bindehautentzündung bei Patienten, die Dupilumab aufgrund von Neurodermitis erhalten, relativ häufig auftritt (11 bis 17 Prozent), ist sie bei CRSwNP seltener (etwa 1 Prozent). Die Kosten der CRSwNP-Behandlung mit Dupilumab betragen jährlich etwa 20.000 Euro.
Dupilumab wird alle zwei Wochen in einer Dosierung von 300 mg subkutan injiziert. Als Applikationsstellen werden der Oberarm oder das Abdomen empfohlen. Bei jeder Injektion sollte eine andere Injektionsstelle gewählt werden und der Antikörper darf nicht in empfindliche, verletzte oder vernarbte Hautstellen oder blaue Flecken injiziert werden. Sofern der Arzt dies als angemessen erachtet, kann das Medikament durch den Patienten selbst oder eine Pflegeperson verabreicht werden, wenn eine entsprechende Schulung erfolgt ist.
Zusätzlich zu der schweren CRSwNP ist Dupilumab in der EU zugelassen als Add-on-Erhaltungstherapie bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren mit schwerem Asthma mit Typ-2-Inflammation, gekennzeichnet durch eine erhöhte Anzahl der Eosinophilen im Blut und / oder erhöhtes fraktioniertes exhaliertes Stickstoffmonoxid (FeNO), das trotz hoch dosierter inhalativer Kortikosteroide (ICS) plus einem weiteren zur Erhaltungstherapie angewendeten Arzneimittel unzureichend kontrolliert ist. Zudem wird Dupilumab in der EU zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis (atopische Dermatitis) bei Erwachsenen und Jugendlichen ab zwölf Jahren angewendet, die für eine systemische Therapie in Betracht kommen.
Zusätzlich zu den derzeit zugelassenen Indikationen wird der Antikörper derzeit zum Beispiel als Therapie bei pädiatrischem Asthma (Phase III), bei pädiatrischer atopischer Dermatitis (sechs Monate bis fünf Jahre: Phase II/III und sechs bis elf Jahre: Phase III), bei eosinophiler Ösophagitis (Phase II/III), bei chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD, Phase III) und bei Lebensmittel- und Umweltallergien (Phase II) untersucht.