Doxylamin ab sofort rezeptpflichtig für Kinder |
Daniela Hüttemann |
03.01.2019 13:52 Uhr |
Auch in größter Not sollten Eltern ihren Kindern nicht eigenmächtig Schlafmittel verabreichen, sondern sich Unterstützung suchen. Foto: Shutterstock/Halfpoint
Im Oktober 2018 trat die letzte Änderung zur Arzneimittel-Verschreibungsverordnung in Kraft. Darin wurde festgelegt, dass Doxylamin ab dem 1. Januar 2019 unter die Verschreibungspflicht fällt, wenn es zur Behandlung von Schlafstörungen bei Kindern bis zum vollendeten 18. Lebensjahr angewendet wird. Dementsprechend wurden als apothekenpflichtig gekennzeichnete Präparate bereits im Dezember zurückgerufen.
Doxylaminhydrogensuccinat ist ein H1-Antihistaminikum der ersten Generation, das hauptsächlich als Sedativum eingesetzt wird. Verzweifelte Eltern schlafloser Babys und Kleinkinder greifen zum Teil darauf zurück. Das ist zwar nicht empfehlenswert, war aber bislang innerhalb der Zulassung ab einem Alter von sechs Monaten zur Kurzzeitbehandlung möglich.
»In der Arzneimittelherstellung spielen vor allem Zäpfchen und Säfte eine Rolle«, teilte heute die Redaktion von DAC/NRF in ihrem Newsletter mit und verweist auf den aktualisierten Rezepturhinweis Doxylaminhydrogensuccinat (Passwort erforderlich), denn auch Rezepturen und Defekturen für Kinder dürfen nun nur noch auf ärztliche Verordnung hergestellt werden. Im Rezepturhinweis finden sich Angaben zur Dosierung verschiedener Arzneiformen nach Alter.
»Schon bei normaler Dosierung kann es zu Schlafapnoen kommen und es können paradoxe Reaktionen wie Unruhe auftreten«, heißt es dort. »Bei Überdosierung besteht die Gefahr der Atemdepression und Krampfzustände.«
Rektal sollte die Dosis bei Säuglingen unter 5 mg (besser 3 mg) liegen, bei Kleinkindern liegt die tägliche Obergrenze unter 10 mg. Oral liegt die empfohlene Dosis bei 6,25 bis 8,75 mg für Kinder zwischen zwei und fünf Jahren sowie 12,5 bis 37,5 mg für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Ältere Kinder dürfen die Erwachsenendosis von 25 bis 50 mg einnehmen. Appliziert wird nur einmal täglich am Abend, etwa eine halbe Stunde vor dem Schlafengehen.
Als Doxylaminhydrogensuccinat-Fertigarzneimittel sind neben Tabletten wie Hoggar® N auch Brausetabletten (Gittalun®), Tropfen (Valocordin®-Doxylamin Lösung) und ein Saft (Sedaplus® Saft) erhältlich, wobei nur letzteres Präparat explizit für Kinder zugelassen ist. Bei den Tropfen handelt es sich um eine aromatisierte ethanolisch-wässrige Lösung, heißt es im Rezepturhinweis. Der Saft enthalte ebenfalls Geschmackskorrigenzien sowie Benzoesäure zur Konservierung, welche in der Pädiatrie als kritischer Inhaltsstoff angesehen wird, denn Benzoesäure können Kinder bis zu einem Alter von zwei Jahren noch nicht vollständig abbauen, was die Atmung beeinträchtigen kann.
Bereits 2012 wies das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) darauf hin, dass die Anwendung von H1-Antihistaminika der ersten Generation bei Säuglingen und Kleinkindern nur unter strenger Beachtung der Dosierungsempfehlungen und mit besonderer Vorsicht erfolgen darf, denn Kinder sind besonders gefährdet für Nebenwirkungen. Überdosierungen müssen unter allen Umständen vermieden werden, teilte damals auch die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) mit.
Auf die offiziellen Warnungen scheinen aber viele Eltern nicht zu hören. In entsprechenden Online-Foren ist bereits seit Längerem immer häufiger über eine Sedierung in Eigentherapie zu lesen. Bereits vor zwei Jahren warnte Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml, selbst Ärztin und zweifache Mutter: »Diesen gefährlichen Trend, den Kinderärzte und Wissenschaftler derzeit beobachten, müssen wir stoppen.«
Es gibt wohl kaum Eltern, die ihren Kindern ohne Not ein Sedativum verabreichen. Kommen Eltern aufgrund von Schlafproblemen ihres Nachwuchses zur Beratung, kann die Apotheke Folgendes mit auf den Weg geben: Vermehrtes Schreien bei Säuglingen, insbesondere in den ersten Lebensmonaten und in den Abendstunden, ist normal. Die Eltern haben daran keine Schuld. Am besten helfen meist Körperkontakt, Tragen und beruhigende Worte. Auch sehr kleinen Kindern gibt ein fester Tagesablauf mit möglichst wenig Reizen Sicherheit. Am wichtigsten (und schwersten) ist es, selbst ruhig zu bleiben und die Beruhigungsmethode nicht ständig zu wechseln (vom Hüpfball in den Kinderwagen zum Fön auf dem Wickeltisch). Gelingt dies nicht, sollte der Betreuer das Kind sicher verwahrt liegen lassen und ein paar Minuten aus dem Zimmer gehen. Wer sich überfordert fühlt, sollte schnellstmöglich um Hilfe bitten, sei es bei Familie und Freunden, Hebamme oder Kinderarzt oder speziellen Schreiambulanzen. Auch älteren Kindern mit Schlafstörungen ist am besten mit einem geregelten Tagesablauf mit viel Bewegung und einem ruhigen Ins-Bett-Geh-Ritual geholfen. Weitere Tipps und Ansprechpartner sind unter anderem auf der Seite www.kindergesundheits-info.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu finden.