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Bumetanid

Diuretikum als neues Alzheimermittel?

Positive Effekte bei Mäusen…

Mithilfe einer weiteren Datenbank suchten die Forscher nun nach Arzneistoffen, die diese spezifischen Abweichungen im Transkriptom wieder ausgleichen. Sie fokussierten sich also nicht auf einen bestimmten Signalweg oder Botenstoff, sondern adressierten vielmehr die Breite der Veränderungen, die mit der genetischen Signatur einherging. Das ist ein radikal anderer Ansatz, als er in der Alzheimerforschung, wo häufig das β-Amyloid (Aβ) im Fokus steht, bislang verfolgt wurde.

Den besten Treffer landeten sie bei Bumetanid. Das Schleifendiuretikum ist in den USA seit den 1980er-Jahren auf dem Markt, in Deutschland ist es nicht im Handel. Bei ApoE4-homozygoten Mäusen mit Alzheimer-ähnlichen Symptomen führte die Gabe von Bumetanid zu einer Besserung der kognitiven Funktion und der räumlichen Orientierung. Eine Analyse des Transkriptoms zeigte, dass die ApoE4-spezifischen Veränderungen der Genexpression durch Bumetanid tatsächlich wieder aufgehoben wurden. Dies ließ sich an menschlichen Nervenzellen, die aus induzierten pluripotenten Stammzellen gewonnen worden waren, bestätigen. Obwohl die Wirkung auf Aβ nicht das Hauptinteresse der Forscher war, zeigte sich auch hier ein positiver Effekt: Aβ-Plaques im Gehirn der Mäuse schrumpften.

… und Blutdruck-Patienten unter Bumetanid

Sollte Bumetanid tatsächlich auch bei Menschen gegen Alzheimer wirken, müsste das Risiko für die Erkrankung bei Patienten, die das Diuretikum etwa gegen Bluthochdruck verordnet bekommen, niedriger sein als bei anderen. Um diese Überlegung zu überprüfen, werteten die Forscher in einem weiteren Schritt mehrere große Verordnungsdatenbanken aus. Dabei stellten sie fest, dass die Einnahme von Bumetanid bei über 65-Jährigen tatsächlich mit einem 35 bis 75 Prozent niedrigeren Alzheimerrisiko verbunden war.

»Bei Alzheimerpatienten gibt es neben den Plaques viele zelluläre und molekulare Veränderungen, über die wir in der Regel aber nicht reden«, sagte Seniorautor Dr. Yadong Huanggegenüber dem Nachrichtenportal STAT. »Diese Ergebnisse legen nahe, dass wir wahrscheinlich nicht nur auf eines, sondern auf viele Gene und viele an der Erkrankung beteiligten Signalwege abzielen sollten.«

Bumetanid scheint also neben seiner bekannten Wirkung auf Ionentransporter in der Henle-Schleife in der Niere noch weitere bislang nicht beachtete Effekte zu haben. Wie diese genau die Alzheimer-Pathologie beeinflussen, ist unklar. Laut Professor Dr. Jeffrey Cummings von der University of Nevada in Las Vegas, der nicht an der Studie beteiligt war, sollten sie nun weiter untersucht werden.

Jetzt schnell klinische Studien mit Bumetanid bei Alzheimerpatienten zu beginnen, hält er allerdings nicht für ratsam: »Die Beziehung dieses Arzneistoffs zu Alzheimer ist noch nicht bewiesen und sein Nebenwirkungsprofil ist bei älteren Menschen unerwünscht«, sagte er STAT mit Blick auf die dehydrierende Wirkung von Bumetanid und das Risiko für Elektrolytverschiebungen.

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