Digitaler Beipackzettel könnte mehr Fluch als Segen sein |
Jennifer Evans |
25.05.2022 15:30 Uhr |
Für Personengruppen, die weniger Internet-affin sind, sind digitale Beipackzettel ein Nachteil. Viele müssten sich die Informationen dann in ihrer Apotheke vor Ort ausdrucken lassen. / Foto: ABDA
Angesichts der Covid-19-Pandemie sowie zunehmender Lieferprobleme bei Arzneimitteln sind »gewagte, ehrgeizige und koordinierte Schritte auf allen politischen Ebenen« nötig. Das betont der Zusammenschluss der europäischen Apotheker, die Pharmaceutical Group of the European Union (PGEU), in seinem Positionspapier zur Novellierung der EU-Arzneimittelrichtlinie. Grundsätzlich begrüßt die Union die EU-Reformpläne, europäische Lieferketten sicherer, Medikamente bezahlbarer und Gesundheitssysteme generell krisensicherer zu machen. Einige Punkte liegen den europäischen Apothekern jedoch besonders am Herzen und sollten in ihren Augen in den EU-Plänen mehr Gewicht bekommen.
Generell fordert die PGEU für alle Europäer einen besseren Zugang zu Medikamenten sowie eine verlässlichere Lieferbarkeit der Präparate. Dafür soll ihrer Ansicht nach die europäische Arzneimittelagentur EMA zusammen mit dem Zusammenschluss der nationalen Zulassungsbehörden für Human- und Tierarzneimittel in Europa, Heads of Medicines Agencies (HMA), sorgen. Als Voraussetzung dafür erachtet die PGEU in einem zentralen Monitoring-System für alle Mitgliedstaaten. Dies solle Versorgungsengpässe nicht nur antizipieren, sondern auch verhindern und im Bedarfsfall die Koordination erleichtern, heißt es in der Stellungnahme.
Auch beim Aufbau des Systems sollte aus Sicht der europäischen Apotheker die EMA den Hut auf haben und eng mit den Mitgliedstaaten sowie der EU-Kommission zusammenarbeiten. Größtmögliche Transparenz und eine schelle Kommunikation an alle beteiligten Akteure sei dabei ausschlaggebend.
Funktionieren kann der Kampf gegen Arzneimittelknappheit aus Sicht der PGEU aber nur mit einem neuen, »fairen und effektiven Umverteilungsmechanismus«. Insbesondere bei Gesundheitskrisen sollten verfügbare Medikamente aus dem EU-Markt künftig jene Menschen erreichen können, die sie am dringendsten benötigen – ganz gleich, in welchem europäischen Land sie leben. Damit einher geht eine EU-weite Marktzulassung, die nach PGEU-Auffassung für alle Hersteller verpflichtend sein sollte.
Vor diesem Hintergrund legt der Zusammenschluss der europäischen Apotheker dar, dass ein digitaler Beipackzettel auch in Zukunft nur eine Ergänzung zur gedruckten Packungsbeilage bleiben kann. Unter anderem deshalb, um für alle Patienten einen universellen, unmittelbaren und gleichberechtigten Zugang zu den nötigen medizinischen Informationen sicherzustellen. Aber auch, um für ältere Menschen oder Pflegekräfte ohne Internetzugang Risiken von Kontraindikationen, Dosierungsfehlern oder unerwünschten Arzneimittelwirkungen zu vermeiden.
In jedem Fall sollten die elektronischen Informationen, die sogenannten EPI (Electronic Product Information), die Kriterien der European Medicines Regulatory Network erfüllen und auf keinen Fall Werbeinformationen enthalten. Beim Zugriff oder etwaigen Verweisen auf weiterführende Informationen dürften bei der EPI nur unabhängige Websites oder offizielle Behörden verlinkt sein. Zur Erinnerung: Die EMA hatte vor Kurzem bereits über die festgelegten Qualitätsstandards zu den EPI informiert.
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