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Wider die Pest

Die stete Suche nach dem rechten Mittel

Seuchen, gegen die es kein Heilmittel gibt, waren und sind Herausforderungen. In früheren Jahrhunderten wütete die Pest in Europa, heute ängstigt die Corona-Pandemie die Menschen. Pestilenz-Pillen gibt es heute nicht mehr, aber räumlicher Abstand und Quarantäne haben sich als wirksam erwiesen und durchgesetzt.
AutorKontaktClaudia Sachße und Marion Maria Ruisinger
Datum 28.12.2020  07:00 Uhr

Auch die Ärzte früherer Jahrhunderte suchten auf Basis des medizinischen Wissens ihrer Zeit nach Heilmitteln. Viele Prinzipien, die man daraus für die Seuchenbekämpfung ableitete, erscheinen uns heute noch erstaunlich vertraut. Allerdings basierten sie auf heute fremd anmutenden Vorstellungen und Konzepten, die zum großen Teil auf die Viersäftelehre der Antike zurückgingen (Humoralpathologie). Diese erlaubten den gelehrten Ärzten die Einordnung der Seuchen und anderer Erkrankungen in ein in sich schlüssiges Theoriesystem, das von der universitären Lehre der Ärzte bis zur Arzneibereitung durch den Apotheker reichte und alle Lebensbereiche umfasste.

Die Pest galt gemäß der Säftelehre als Vergiftung der inneren Feuchtigkeiten durch in den Körper eindringende »Miasmen« (verdorbene Lüfte) oder durch »Contagien« (unbelebte Krankheitsmaterie). Demnach waren Menschen mit warmer und feuchter Natur am anfälligsten. Weniger gefährdet waren solche mit kalter, trockener Mischung. Einfluss auf die Anfälligkeit hatten dieser Lehre zufolge auch Alter, Tageszeit, Jahreszeit oder Sternenkonstellationen sowie die »Diätetik«, also die durch den Menschen beeinflussbare Lebensweise, allgemeines Verhalten und Ernährung.

Die Auswahl der Arzneien und ­Rezepturen gegen die Pest basierte auf einigen wesentlichen Eigenschaften: Laxierende (abführende) Stoffe sollten die verdorbenen Säfte und überschüssigen Schleim aus dem Körper ableiten. Gelobt wurden hier vor allem Brechnuss, Aloe oder Rhabarber. Als Schweiß austreibend galten Raute, Baldrian oder Diptam. Anregende Stoffe wie ­Safran, Ochsenzunge oder Zitruspflanzen sollten die Widerstandskraft, Herz und Magen stärken. Schließlich sollten aromatische Stoffe das Miasma aus der Luft und dem Körper vertreiben: angenehm duftende Substanzen wie Wacholder, exotische Gewürze und Harze, aber auch scharf riechende wie Essig oder Salpeter.

Auf dieser Basis gab es zahlreiche Arzneien zum Einnehmen, oft als mehrtägige Trink- und Schwitzkuren. Salben und Umschläge zum Auftragen auf die Haut dienten zur Ausziehung der Pestbeulen. Rezepte für Räuchermischungen oder pur zum Einatmen sollten die Luft reinigen. Amulette mit eingeschlossenen Duftstoffen galten als apotropäischer Schutz. Wer es sich leisten konnte, ließ diese als kostbare »Riechäpfel« (Pomander) fertigen.

Pillen gegen die Pest

Einige Arzneirezepturen setzten sich besonders durch. So fehlten Pillulae Pestilentiales (Pestilenz-Pillen) in keinem historischen Arzneibuch!

Eine bis ins 17. Jahrhundert viel zitierte Rezeptur sind die Pillulae Pestilentiales Ruffii (Abbildung 1). Sie geht auf den im 2. Jahrhundert wirkenden griechischen Arzt Rufus von Ephesos (80 bis 150 n. Chr.) zurück. Klassische Bestandteile waren Aloe als Laxans, Myrrhe-Harz als Aromaticum sowie Safran zur Herzstärkung. Empfohlen wurde zudem die Zugabe von Mastix zur Stärkung des Magens. Andere Varianten enthielten Ammoniakharz als aromatisches oder Limonensaft als stärkendes Element. Die Zutaten wurden zerkleinert, vermischt und mit Wein zu einer Pillenmasse verarbeitet. Aus dieser Masse formte man von Hand einzelne Pillen.

Der Heidelberger Arzt und Apotheker Cristoph Wirsung (1500 bis 1571) widmete in seinem vielfach aufgelegten »New Artzney Buch« 1568 der Pest ein umfangreiches Kapitel. Die Pillulae Pestilentiales Ruffii beschreibt er so: »Von diesen wird sogar von fürtreffli(?)chen Ärtzen geschrieben / es sey noch nie erfaren / daß einer so diese ordenlich gebraucht habe / an der Pestilentz gestorben seye. … also reinigend auch diese Pillulen allen überfluß / so sich umb die fürnemste glider versamlet / und lassend das blut nicht erstincken …«

Mit der im 16. Jahrhundert immer populärer werdenden Alchemie kommen auch in der Pesttherapie vermehrt anorganische und durch Destillationsvorgänge chemisch veränderte Substanzen zum Einsatz. Paracelsus (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, 1593/94 bis 1541) verarbeitete diese klassische Rezeptur aus Aloe, Myrrhe und Safran in alchemischer Form als »Elixir Proprietatis« und rühmte sie als lebensverlängernde Arznei.

Varianten eines »Elixir Pestilentiales« in Arzneibüchern des 17. und 18. Jahrhunderts enthielten komplexe Verbindungen aus alchemisch verarbeiteten pflanzlichen Stoffen wie Wacholderöl oder dem klassischen Theriak mit Schwefelblüte und Weingeist.

Sicher konnten einige Zutaten die allgemeine Konstitution stärken. Doch wirksam gegen die Pest waren sie nicht. Das beste Mittel gegen die Pest war und blieb die räumliche Abgrenzung – oder die Flucht. So schrieb schon Hans Folz 1482 in seinem »fast köstlichen spruch von der pestilencz«: »fleuch pald, fleuch ferr, kum wider spot [komm wieder spät] / das sint drey krewter in der not, / für all apptecken vnd doctor«.

Quarantäne und Kontumaz

Um das Eindringen von Krankheiten über die Landesgrenzen zu verhindern, wurden bereits im 14. Jahrhundert Quarantäne-Stationen (quaranta; italienisch: 40) eingerichtet; an den Küsten waren dies vorgelagerte Inseln. Zu den ersten zählten die Städte Ragusa (Dubrovnik) und Venedig mit der Insel Lazaretto vecchio. Auf dem Festland errichtete man sogenannte Pestcordons um einzelne Orte oder entlang der Landesgrenzen.

Berühmt wurde die »Militärgrenze« des Habsburgischen Reiches. Von der Adria bis an die Karpaten erstreckte sich im 18. Jahrhundert über fast 2000 Kilometer eine Sanitärgrenze gegen das Osmanische Reich, die die dort häufig auftretende Pest abhalten sollte.

In Sicht- und Rufweite gab es kleine Wachstationen, in größeren Abständen waren komplexe »Kontumaz«-Stationen errichtet mit Regiments- und Arztquartieren, Quarantäne-Stationen, Lazarett, Plätzen für die Behandlung der Waren sowie Stallungen und Gärten. Kontumaz war ein alternativer Begriff für Quarantäne im deutschsprachigen Raum (lateinisch contumacia: Trotz, Stolz, Eigensinn).

Alle Personen, die diese Grenze vom Balkan aus ins Habsburgische Reich passieren wollten – Diplomaten und Händler, Reisende oder Migranten –, aber auch alle Waren hatten eine Kontumaz-Spanne von mindestens 21 Tagen in Isolation zu verbringen, in Zeiten bekannter Pestfälle bis zu 84 Tage. Reisende aus seuchenfreien Gebieten oder solche, die die Quarantäne überstanden hatten, konnten sich durch behördliche Sanitätspässe ausweisen.

Kommunikation

Smartphone, Tablet und PC: Früher war die Kommunikation in Seuchenzeiten ungleich schwieriger als heute. Briefe und Nachrichten waren nicht nur langsamer unterwegs als heute, sondern auch an Datenträger aus Papier gebunden. Und diese konnten, so glaubte man, Krankheitsstoffe verbreiten, eben jene Contagien. Daher waren in Seuchenzeiten an den Landesgrenzen strenge Kontrollen üblich; alle ankommenden Güter wurden von den vielleicht anhaftenden Contagien gereinigt. Entsprechende Anordnungen finden sich in amtlichen Verordnungen vom 14. bis ins 19. Jahrhundert. Verdächtige Handelswaren sollten verräuchert, Wollwaren gewaschen werden.

Auch Briefe waren mit Rauch zu reinigen. Zur Wahrung des Briefgeheimnisses vor allem bei amtlichen Schreiben wurde die Post für das Verräuchern jedoch nicht einfach geöffnet, sondern oft mit Schlitzen versehen oder durchlocht. Dazu nutzte man dornenbesetzte Perforierzangen, sogenannte Rasteln (Abbildung 2). So gelangte der reinigende Rauch ins Innere der Umschläge und Pakete.

Zusätzlich zum Räuchern konnten Briefe und Papiere auch durch Essig gezogen und anschließend getrocknet werden. Zur Kenntlichmachung der Kontrollkette wurden die Schriftstücke mit speziellen Stempeln und Vermerken versehen (Abbildung 3 Komplettansicht und Detail).

Das Verräuchern der Post erfolgte in der Regel an einfachen Rastelstationen (Rastellen) oder an großen Grenzposten wie den Kontumaz-Stationen, wo es aufwendigere Räucheranlagen gab. Das Durchlöchern, das Räuchern und die Essigbehandlung machten wohl so manchem Empfänger das Lesen seiner Post schwer – wenn er nach Wochen oder Monaten seinen Brief endlich in Händen halten durfte.

Im 19. Jahrhundert hatte der private Briefverkehr bereits große Ausmaße erreicht. So sind zahlreiche gerastelte Briefe aus der Zeit der großen Cholera-Epidemie der Jahre 1831/32 erhalten. Diese »Desinfizierte Post« ist ein beliebtes Sammelgebiet unter Philatelisten.

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