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Einige Arzneirezepturen setzten sich besonders durch. So fehlten Pillulae Pestilentiales (Pestilenz-Pillen) in keinem historischen Arzneibuch!
Eine bis ins 17. Jahrhundert viel zitierte Rezeptur sind die Pillulae Pestilentiales Ruffii (Abbildung 1). Sie geht auf den im 2. Jahrhundert wirkenden griechischen Arzt Rufus von Ephesos (80 bis 150 n. Chr.) zurück. Klassische Bestandteile waren Aloe als Laxans, Myrrhe-Harz als Aromaticum sowie Safran zur Herzstärkung. Empfohlen wurde zudem die Zugabe von Mastix zur Stärkung des Magens. Andere Varianten enthielten Ammoniakharz als aromatisches oder Limonensaft als stärkendes Element. Die Zutaten wurden zerkleinert, vermischt und mit Wein zu einer Pillenmasse verarbeitet. Aus dieser Masse formte man von Hand einzelne Pillen.
Der Heidelberger Arzt und Apotheker Cristoph Wirsung (1500 bis 1571) widmete in seinem vielfach aufgelegten »New Artzney Buch« 1568 der Pest ein umfangreiches Kapitel. Die Pillulae Pestilentiales Ruffii beschreibt er so: »Von diesen wird sogar von fürtreffli(?)chen Ärtzen geschrieben / es sey noch nie erfaren / daß einer so diese ordenlich gebraucht habe / an der Pestilentz gestorben seye. … also reinigend auch diese Pillulen allen überfluß / so sich umb die fürnemste glider versamlet / und lassend das blut nicht erstincken …«
Mit Beginn des Lockdown im Zuge der Corona-Pandemie wandte sich Marion Maria Ruisinger, Direktorin des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt, im März 2020 an die medizin- und pharmaziehistorischen Museen im Land. Sie bat um Objektgeschichten für eine Online-Galerie, die über den historischen Umgang der Gesellschaft mit Seuchen informieren sollte. Unter dem Titel »Covid-19 & History« wurde auf der Website des Museums jeden Tag ein neues Objekt eingestellt. So entstand in zwei Monaten eine virtuelle Sammlung von 60 Objektgeschichten aus 14 Institutionen. Dieser Text stammt aus zwei Beiträgen des Deutschen Apotheken-Museums zu diesem Projekt.
Mit der im 16. Jahrhundert immer populärer werdenden Alchemie kommen auch in der Pesttherapie vermehrt anorganische und durch Destillationsvorgänge chemisch veränderte Substanzen zum Einsatz. Paracelsus (Theophrastus Bombastus von Hohenheim, 1593/94 bis 1541) verarbeitete diese klassische Rezeptur aus Aloe, Myrrhe und Safran in alchemischer Form als »Elixir Proprietatis« und rühmte sie als lebensverlängernde Arznei.
Varianten eines »Elixir Pestilentiales« in Arzneibüchern des 17. und 18. Jahrhunderts enthielten komplexe Verbindungen aus alchemisch verarbeiteten pflanzlichen Stoffen wie Wacholderöl oder dem klassischen Theriak mit Schwefelblüte und Weingeist.
Sicher konnten einige Zutaten die allgemeine Konstitution stärken. Doch wirksam gegen die Pest waren sie nicht. Das beste Mittel gegen die Pest war und blieb die räumliche Abgrenzung – oder die Flucht. So schrieb schon Hans Folz 1482 in seinem »fast köstlichen spruch von der pestilencz«: »fleuch pald, fleuch ferr, kum wider spot [komm wieder spät] / das sint drey krewter in der not, / für all apptecken vnd doctor«.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.