Die Qualität darf nicht leiden |
»Einen normalen Laborbetrieb lässt die momentane Situation nicht zu«, sagte Niklas Baltz im Interview mit der PZ. Die Universitäten arbeiten mit Hochdruck an einer Lösung für das Problem und teilweise läuft der Betrieb wieder an. / Foto: Adobe Stock / Phovoir
PZ: Vor welche Probleme stellt die aktuelle SARS-CoV-2 -Pandemie die Universitäten im Hinblick auf den Lehrbetrieb?
Baltz: Eine große Herausforderung stellen praktische Lehrveranstaltungen dar. Sie sind ein wesentlicher Bestandteil des Pharmaziestudiums und laut Approbationsordnung vorgeschrieben. Einen normalen Laborbetrieb lässt die momentane Lage jedoch nicht zu. Bis vor kurzem waren Laborpraktika vollständig ausgesetzt. Die Hochschulen arbeiten gerade mit Hochdruck daran, den Laborbetrieb nach Lockerung der Maßnahmen und natürlich unter den entsprechenden Schutzvorkehrungen wieder starten zu können. Nach meinen Informationen hat die Friedrich-Schiller-Universität in Jena in der vergangenen Woche mit den ersten Praktika in Kleingruppen begonnen. Es wird wohl aber noch einige Wochen dauern, bevor es wieder überall losgehen kann.
PZ: Wie werden Vorlesungsveranstaltungen gehandhabt?
Baltz: Viele Universitäten weichen auf online-Vorlesungen aus. Anfänglich hat es mit der Umsetzung teilweise ein bisschen gehakt, aber zum Großteil läuft das inzwischen alles sehr gut. Von meinem Standort Kiel weiß ich beispielsweise, dass Studierende das Angebot gut annehmen und umfangreich nutzen.
PZ: Wie wirkt sich die momentane Lage auf das praktische Jahr (PJ) aus?
Baltz: Ein Problem stellt die Umstellung auf den Schichtbetrieb dar. Die Approbationsordnung schreibt vor, dass Pharmazeuten im Praktikum (PhiP) in Vollzeit arbeiten. In der öffentlichen Apotheke bedeutet das 40 Stunden pro Woche. Ich kenne Fälle, in denen PhiP die durch den Schichtbetrieb entstandenen Minusstunden nacharbeiten mussten. Bisher verträgt sich das noch alles mit den Meldefristen für das dritte Staatsexamen, aber natürlich schränkt das die Zeit zur Prüfungsvorbereitung ein. Die wesentliche Frage ist jetzt: Wie sieht das bei den PhiP aus, die im Mai gestartet sind und ihr praktisches Jahr noch vor sich haben?
PZ: Welche Probleme könnten auf diese Gruppe zukommen?
Baltz: So wie es aussieht, wird dieser Zustand noch einige Zeit andauern. Gesetz dem Fall, dass ein PhiP im Schichtbetrieb arbeiten und die Stundendifferenz nacharbeiten muss, würde das eine Verlängerung des PJ um 25 Prozent bedeuten; das hieße um bis zu drei Monate. Das könnte dazu führen, dass sich die PhiP erst später zum dritten Staatsexamen anmelden können. Wir hoffen jedoch, dass die Landesprüfungsämter darauf flexibel reagieren.
PZ: Der BPhD hat sich inzwischen in mehreren Stellungnahmen für eine Anpassung der Approbationsordnung für Apotheker ausgesprochen. Können Sie die Forderungen noch einmal zusammenfassen?
Niklas Baltz ist Beauftragter für Lehre und Studium beim Bundesverband der Pharmaziestudierenden in Deutschland. / Foto: BPhD
Baltz: Im Wesentlichen geht es darum die Probleme, welche die aktuelle Situation mit sich bringt, abzuwenden. Ein großes Thema ist dabei die Arbeitszeit während des praktischen Jahres. Ein möglicher Lösungsansatz wäre hier, die Arbeitszeit, die laut Approbationsordnung gefordert ist, um 25 Prozent zu reduzieren und die dadurch gewonnene Zeit vermehrt in die theoretische Ausbildung zu investieren. So könnte sichergestellt werden, dass das PJ auch unter Schichtbetrieb in der vorgesehenen Zeit absolviert werden kann. Studierende brauchen eine Möglichkeit den Umfang der Laborpraktika zu reduzieren und in Zusammenarbeit mit den Professoren Alternativen zu finden. Dafür muss jedoch die Approbationsordnung geändert werden, die den Umfang der theoretischen und praktischen Veranstaltungen genau festlegt. Bei der Famulatur haben wir ein ähnliches Problem wie im PJ. Auch hier fordern wir eine entsprechende Stundenreduktion.
PZ: Wie erklären Sie sich, dass die Forderung nach einer Flexibilisierung der Ausbildung für Apotheker in der Gesetzgebung bisher nicht berücksichtigt wird, für Ärzte und Zahnmediziner jedoch schon?
Baltz: Das haben wir uns auch schon gefragt. Diesbezüglich stehen wir auch mit der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände - ABDA im ständigen Austausch. Bisher haben wir jedoch keine passende Erklärung finden können.
PZ: Welche Folgen befürchten Sie, wenn eine Anpassung der Approbationsordnung ausbleibt?
Baltz: Wenn Scheine nicht ausgestellt werden können, weil Laborpraktika nicht stattfinden und auch keine entsprechenden Alternativen möglich sind, könnte es zu einem Rückstau der Studierenden kommen. Das stellt die Universitäten natürlich vor eine große Herausforderung, da die Semester größer werden, als es die Kapazitäten eigentlich zulassen. Im schlimmsten Fall kann es dann sein, dass Laborplätze begrenzt werden müssen und somit nicht mehr alle Studierenden einen Zugang zum praktischen Teil der pharmazeutischen Ausbildung haben. Langfristig wäre dann auch die Qualität der Lehre in Gefahr. Hier müssen wir gemeinsam mit den Professoren gute Alternativen entwickeln, um das Niveau der Lehre auf dem jetzigen Level halten zu können.
PZ: Denken Sie, dass eine Flexibilisierung der Approbationsordnung für Apotheker noch gesetzlich durchgesetzt wird?
Baltz: Ich halte die Chance tatsächlich für noch vorhanden und hoffe, dass der Gesetzgeber eine entsprechende Anpassung noch berücksichtigen wird. Ich denke aber auch, dass die Änderungen des Infektionsschutzgesetztes, die aktuell (Stand: 07.05.) diskutiert werden, die letzten sein werden, die wir vor der Sommerpause erwarten dürfen. Wenn eine Anpassung der pharmazeutischen Ausbildung darin nicht berücksichtigt sein wird, müssen wir andere Lösungen in Zusammenarbeit mit den Landesprüfungsämtern und den Professoren finden. Dann brauchen wir Regelungen, die ohne eine Änderung der Approbationsordnung umsetzbar sind und für alle Studierende gleichermaßen gelten.
Der BPhD fordert die Bundesregierung nun seit über einem Monat mit Nachdruck dazu auf, die Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) temporär zu ändern, um die Ausbildung an die aktuelle pandemische Ausnahmesituation anpassen zu können. Im Wesentlichen geht es darum, die pharmazeutische Ausbildung ohne Verzögerungen zu sichern. Denn zeitliche Einbußen im Lehr- und Prüfungsbetrieb stellen laut BPhD auch eine Gefährdung für die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und qualifizierter pharmazeutischer Beratung dar. Dazu veröffentlichte der Verband inzwischen drei Stellungnahmen und findet unter anderem Zuspruch von der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, der Konferenz der Fachbereiche Pharmazie (KFPharm) und der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft (DPhG).
Der Gesetzgeber ermöglicht mit dem »Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemi¬schen Lage von nationaler Tragweite« dem deutschen Gesundheitssystem während der Pandemie funktionsfähig zu bleiben. In diesem Zusammenhang erhält das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zusätzliche Kompetenzen, um schnell und effektiv auf die Lage reagieren zu können. Per Verordnung kann das BMG also nun auch die Approbationsordnung bestimmter Heilberufe temporär erweitern. Jedoch ist die Anpassung der Approbationsordnung für Apotheker auch im Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz noch kein Thema. Die Ausbildungsordnung für Ärzte wurde bereits Anfang April im ersten Bevölkerungsschutzgesetz angepasst und auch für Zahnärzte ist eine Flexibilisierung der Ausbildung im Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz bereits vorgesehen. Am 14. Mai soll das Zweite Bevölkerungsschutzgesetz im Bundestag beschlossen werden.
In der neuesten Stellungnahme zum Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz vom 7. Mai weist der BPhD erneut darauf hin, dass nicht nur die Ausbildung der Ärzte und Zahnärzte, sondern auch die pharmazeutische Ausbildung massiv gefährdet sei. Es zeichne sich bereits ab, dass trotz aller Bemühungen der Fakultäten und Institute die pharmazeutische Lehre in eine massive Notsituation geraten werde.
Daher fordert der BPhD eine Anpassung unter anderem der folgenden vier Punkte:
Bereits Anfang April hatte der Verband erarbeitet, wie solche Anpassungen konkret aussehen könnten.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.