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Ernährungsverhalten

Die Jugend isst zu ungesund

Viele Kinder und Jugendliche sind zu dick. Woher die Lust auf Süßes kommt, wie sich die Ernährung ohne Verbote optimieren lässt und welche Hilfen die Apotheke in Ernährungsfragen leisten kann.
Laura Rudolph
11.12.2022  08:00 Uhr

Stillen versus Fläschchen

Babys, die das Fläschchen statt der Brust bekommen, kommen mit weitaus weniger Aromastoffen in Kontakt. Bei ungestillten Babys kann jedoch die Wahl der Formulanahrung ihren Geschmack prägen: Erhielten Babys in einer Studie bitter oder sauer schmeckende Protein-Hydrolysat- oder Sojanahrung, erhöhte dies ihre Akzeptanz für bittere beziehungsweise saure Nahrungsmittel im Alter von vier bis fünf Jahren. Beispielsweise mochten diese Kinder häufiger Brokkoli. Analog zeigte sich für Säuglingsnahrung mit Vanillearoma, dass die Vorliebe für Vanillegeschmack bis ins Erwachsenenalter erhalten blieb (6).

Mütter können also bereits während der Schwangerschaft und Stillzeit den Startschuss für eine gesunde Ernährung ihrer Kinder setzen. Ernähren sie sich vielfältig, könnte dies die Akzeptanz ihrer Nachkommen für viele Nahrungsmittel erhöhen. Frühkindliche Geschmackprägungen bilden möglicherweise eine Grundlage für lebenslange Ernährungsgewohnheiten. Diese lassen sich jedoch auch noch im Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter beeinflussen.

Anreize statt Verbote: Nudging

Beispielsweise können sogenannte Nudging-Strategien (to nudge: anstupsen) eine gesunde Ernährung fördern, indem sie unbewusste Entscheidungsprozesse positiv beeinflussen. Dies gelingt ohne Verbote oder Vorschriften, dafür mit kleinen Anreizen und Hilfestellungen, die den »Schubs« in Richtung des gewünschten Verhaltens geben (8).

»Nudging ist ein Lenken von unbewussten Entscheidungen in eine positive Richtung«, erklärt Professor Dr. Gertrud Winkler, Studiendekanin des Studiengangs Lebensmittel, Ernährung und Hygiene an der Hochschule Albstadt-Sigmaringen, im Gespräch mit der PZ. Nudging zeichne sich unter anderem dadurch aus, dass es eine Intervention auf Gruppenebene sei und damit üblicherweise mehrere Menschen anspreche.

»Im Bereich der Ernährungsprävention bei Jugendlichen kann Nudging in der Schulverpflegung zum Einsatz kommen«, sagte die Studiendekanin. Bereits einfache Maßnahmen können ihnen die Entscheidung für das gesündere Lebensmittel erleichtern und/oder die ungesündere Variante erschweren (Tabelle 2). Ist beispielsweise reichlich leicht zugängliches und vorgeschnittenes Obst in der Kantine vorhanden, ist dies attraktiver als ein stark zuckerhaltiger Pudding, der in der hintersten Ecke der Kantine lagert und womöglich teurer ist.

Kategorie Beispiele und Effekt
veränderte Standardeinstellungen Steht auf dem Esstisch in der Kantine grundsätzlich kein Salz zum Nachwürzen, muss der Gast erst danach fragen. Folglich wird der Salzkonsum sinken.
verbesserte Erreichbarkeit Platzierung von Objekten ändern: leicht erreichbare Wasserkaraffen auf Tischen, vorgeschnittenes Obst an der Kasse. Wahrscheinlich wird der Konsum steigen.
optische Präsentation Kleinere Teller lassen Portionen größer erscheinen. Man fühlt sich schneller satt.
Tabelle 2: Drei Beispiele für Ernährungs-Nudges; adaptiert nach Bundeszentrum für Ernährung*

Entscheiden sich die Kinder und Jugendlichen vielfach für die gesünderen Lebensmittel, kann dies langfristig zu einer Gewohnheit werden – so die Hoffnung hinter Nudging. Winkler wirft jedoch ein, dass man mit solchen Interventionen zwar viele, aber nie alle Kinder und Jugendlichen abholen könne: »Wem beispielsweise der Softdrink sehr wichtig ist, der wird ihn sich auch dann besorgen, wenn es mehr Aufwand erfordert.«

Wie wirksam verschiedene Maßnahmen sind und wie lange die Effekte andauern, ist noch nicht ausreichend erforscht. Einzelne Studien geben Hinweise auf geringe bis mittlere positive Effektstärken von Nudging-Maßnahmen in der Schulverpflegung auf die Lebensmittelauswahl der Kinder und Jugendlichen (8).

»Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen in der Realität lässt sich nur mit großem Aufwand messen. Die Forschungsansätze sind aufgrund der Komplexität limitiert«, erklärt Winkler. So müssten bei Studien in Schulkantinen über längere Zeiträume alle anderen Umgebungsbedingungen wie Angebot und Preise konstant gehalten werden, was sich kaum bis gar nicht in die Praxis umsetzen lässt.

Die vielversprechendsten Effekte zeigten eine veränderte Platzierung der Lebensmittel oder eine Kombination verschiedener Maßnahmen. Als alleiniges Instrument zu einem besseren Essverhalten sollte Nudging nicht gesehen werden, wie Winkler betont: »Nudging ist einer von vielen Bausteinen, die das Ernährungsverhalten verändern können. Am effektivsten ist wahrscheinlich die Kombination mehrerer Ansätze wie Aufklärung, Nudging und strengere Maßnahmen wie Beschränkungen beziehungsweise Vorschriften.«

Was im großen Stil in Schulmensen funktionieren kann, kann auch als »Home-Nudging-Maßnahme« erfolgreich sein. Lagert die Schokolade beispielsweise im Keller, ist die Beschaffung anstrengender. Folglich bleibt die Süßigkeit eher dort, wo sie ist.

Experten vermuten, dass es einfacher sei, per Nudging negatives Verhalten zu verhindern als positives zu fördern. Winkler erklärt dies: »Wenn ich ein gesundes Verhalten an den Tag legen möchte, beispielsweise mehr Gemüse essen, erfordert dies meinerseits Aktivität und Aufbringung von Energie. Schlechtes Verhalten sein zu lassen, erfordert dagegen lediglich Passivität.«

Nudging spricht die unbewusste Entscheidungsebene an. Die Methode funktioniert aber auch dann, wenn sich die Menschen des Einflusses bewusst sind. »Der Großteil der Bevölkerung steht Nudging-Maßnahmen zudem positiv gegenüber«, ergänzt Winkler. Kritisch seien dagegen Restriktionen. Die Diskussionen um den Veggie-Tag seien ein Beispiel dafür, dass zu restriktive Maßnahmen gesellschaftlich in Deutschland nicht gewollt sind.

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