Die aktuelle Entwicklungslandschaft für Covid-19-Impfstoffe |
Theo Dingermann |
11.04.2020 10:40 Uhr |
56 (72 Prozent) der verifizierten Impfstoffkandidaten werden von privaten/industriellen Initiativen entwickelt. Die übrigen 22 (28 Prozent) Projekte werden von akademischen, öffentlichen und anderen gemeinnützigen Organisationen durchgeführt.
Obwohl sich eine Reihe großer multinationaler Impfstoffentwickler, darunter Janssen, Sanofi, Pfizer und Glaxo-Smith-Kline, an der Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen beteiligen, werden viele Initiativen von kleinen und/oder in der Impfstoffherstellung unerfahrenen Firmen durchgeführt. Sollten sich diese Entwicklungen als erfolgreich erweisen, werden sicherlich hinsichtlich der Impfstoffherstellung sowie der Lieferfähigkeit und -kapazität zur Deckung der Nachfrage neue Allianzen gebildet werden.
Die meisten Aktivitäten zur Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen finden in Nordamerika statt, wo 36 (46 Prozent) Entwickler der bestätigten aktiven Impfstoffkandidaten tätig sind. 14 (18 Prozent) der Entwicklungen finden in China, 14 (18 Prozent) in Asien (ohne China) und Australien sowie 14 (18 Prozent) in Europa statt.
Die führenden Entwickler von Covid-19-Impfstoffkandidaten sind auf 19 Länder verteilt, die zusammen mehr als drei Viertel der Weltbevölkerung ausmachen. Derzeit gibt es keine öffentlichen Informationen über die Aktivitäten zur Entwicklung von Impfstoffen in Afrika oder Lateinamerika, obwohl in diesen Regionen Impfstoffherstellungskapazitäten und anerkannte rechtliche Rahmenbedingungen bestehen.
Nicht auszuschließen ist, dass sich die Epidemiologie von Covid-19 je nach geografischer Lage unterscheidet. Zudem ist es wahrscheinlich, dass eine wirksame Kontrolle der Pandemie eine stärkere Koordinierung der F&E-Bemühungen für Impfstoffe unter Einbeziehung der südlichen Hemisphäre erfordert.
Die weltweiten Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen im Bereich der Impfstoffe als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie sind in Bezug auf Ausmaß und Geschwindigkeit beispiellos.
Angesichts des Gebots der Schnelligkeit gibt es Anzeichen dafür, dass ein Impfstoff im Rahmen von Not-Protokollen bis Anfang 2021 verfügbar sein könnte. Dies wäre ein grundlegender Schritt weg vom traditionellen Impfstoff-Entwicklungspfad, der selbst im Vergleich zum beschleunigten Fünf-Jahres-Zeitplan für die Entwicklung des ersten Ebola-Impfstoffs durchschnittlich über zehn Jahre dauert. Dies würde gleichzeitig neue Paradigmen hinsichtlich paralleler und anpassungsfähiger Entwicklungsphasen, innovativer regulatorischer Prozesse und skalierbarer Herstellungskapazitäten für die Impfstoffentwicklung der Zukunft erfordern.
Die Entwicklung von Impfstoffen ist ein risikoreiches Unterfangen und erfordert erhebliche Investitionen. Industrie-Benchmarks für traditionelle Impfstoffentwicklungsparadigmen nennen Misserfolgsquoten von mehr als 90 Prozent.
Die für die Entwicklung von Covid-19 angewandten Ansätze, bei denen nicht nur viele biologische Fragen, die sich für ein so neues Virus ergeben, unbeantwortet sind, sondern die auch etliche neuartige Impfstoff-Technologie-Plattformen und neuartige Entwicklungsparadigmen umfassen, werden wahrscheinlich die Risiken eines Scheitern weiter erhöhen.
Teilweise laufen verschiedene Entwicklungsstufen derart parallel, dass eigentlich als selbstverständlich anzusehende Test-Systeme, darunter beispielsweise Covid-19-spezifische Tiermodelle wie ACE2-transgene Mäuse, Hamster, Frettchen und nicht menschliche Primaten, kaum etabliert sind. Hinzu kommen generell erschwerte Testbedingungen. Denn wegen der Gefährlichkeit des Virus haben die Untersuchungen in hochgesicherten Anlagen zu erfolgen.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.