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Impfstoffentwicklung auf Hochtouren

Die aktuelle Entwicklungslandschaft für Covid-19-Impfstoffe

Mit Stand vom 8. April 2020 umfasst die weltweite F&E-Landschaft für Covid-19-Impfstoffe 115 Kandidaten. 78 dieser Entwicklungen lassen sich verifizieren. 37 müssen derzeit noch als unbestätigt eingestuft werden, da der Entwicklungsstatus anhand öffentlich zugänglicher oder proprietärer Informationsquellen nicht ermittelt werden kann.
AutorKontaktTheo Dingermann
Datum 11.04.2020  10:40 Uhr

Mit der Veröffentlichung der genetischen Sequenz des SARS-CoV-2-Virus am 11. Januar 2020 und einer Korrektur am 18. März 2020 begannen weltweit intensive Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten zur Herstellung eines Impfstoffs.

Die immer offensichtlicher werdenden katastrophalen Auswirkungen der Pandemie verdeutlichen, wie wichtig es wäre, möglichst zeitnah einen Impfstoff verfügbar zu machen. Früher als gedacht wurde dann tatsächlich auch am 16. März 2020 die klinische Erprobung am Menschen für den ersten Covid-19-Impfstoffkandidaten gestartet.

Die Koalition für Innovationen in der Epidemievorsorge

In einem Beitrag der Reihe »From the Analyst’s Couch« der Fachzeitschrift »Nature Reviews Drug Discovery« geben Tung Thanh Le und Kollegen unter dem Titel »The Covid-19 vaccine development landscape« einen interessanten Überblick über den aktuellen Entwicklungsstand. Unterstützt werden die unterschiedlichen Entwicklungsprojekte für einen SARS-CoV-2-Impfstoff von der »Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI)«, die alle Aktivitäten in enger Abstimmung mit globalen Gesundheitsbehörden und Impfstoffentwicklern bündelt.

Dazu analysiert die CEPI seit Februar 2020 die Covid-19-Impfstoffkandidaten-Landschaft unter Verwendung interner und externer Datenquellen, darunter

  • CEPI-interne Quellen, durch den »Covid-19 Call for Proposal-Prozess (CFP2R)« und durch direkte Kommunikation zwischen Produktentwicklern, Partnern und CEPI,
  • Datenbanken für klinische Versuche (ICTRP, ClinicalTrials.gov) und Datenbanken für Geldgeber (BARDA, EC, CIHR),
  • Die öffentlich zugängliche Literatur (PubMed, Scopus, BioRxiv),
  • Medien und Pressemitteilungen.

Erste Projekte bereits in der klinischen Entwicklungsphase

Von den 78 verifizierten aktiven Projekten befinden sich derzeit 73 in einem exploratorischen oder präklinischen Entwicklungsstadium. Für fünf Projekte hat kürzlich das klinische Entwicklungsprogramm begonnen.

Bei diesen Projekten handelt es sich um den 

  • mRNA-1273-Entwicklungskandidaten von Moderna, einem in Lipid-Nanopartikeln (LNP)-verkapselten mRNA-Impfstoff, der das S-Protein kodiert (Phase I; NCT04283461),
  • Ad5-nCoV-Entwicklungskandidaten von CanSino Biologicals. Das S-Protein wird mithilfe eines Adenovirus Typ 5-Vektors exprimiert (Phase I; NCT04313127),
  • INO-4800-Entwicklungskandidaten von Inovio. Ein DNA-Plasmid mit der Sequenz für S-Protein wird durch Elektroporation appliziert (Phase I; NCT04336410),
  • LV-SMENP DC-Entwicklungskandidaten vom Shenzhen Geno-Immune Medical Institute. In mit einem lentiviralen Vektor modifizierten  Dendritischen Zellen (DCs) wird ein synthetisches Minigen aus Domänen ausgewählter viraler Proteine exprimiert; verabreicht wird der Impfstoff zusammen mit antigenspezifischen zytotoxischen T-Lymphozyten (CTLs) (Phase I; NCT04276896),
  • erregerspezifischen aAPC-Entwicklungskandidaten vom Shenzhen Geno-Immune Medical Institute. In mit einem lentiviralen Vektor modifizierten » artificial antigen-presenting cells (aAPCs)«, wird ein synthetisches Minigen aus Domänen ausgewählter viraler Proteine exprimiert (Phase I; NCT04299724).

Zahlreiche andere Impfstoffentwickler haben angekündigt, im Jahr 2020 mit Tests am Menschen zu beginnen.

Vielfalt der Technologieplattformen

Ein auffälliges Merkmal der Impfstoffentwicklungslandschaft für Covid-19 ist die beachtliche Bandbreite der eingesetzten Technologie-Plattformen. Diese umfasst Nukleinsäuren (DNA und RNA) als Impfantigene (12 Projekte), virusähnliche Partikel (4 Projekte), Peptide (5 Projekte), virale replizierende beziehungsweise nicht-replizierende Vektoren (8 beziehungsweise 5 Projekte), rekombinante Proteine (9 Projekte), lebende abgeschwächte Viren (2 Projekte) und inaktivierte Viren (1 Projekt).

Mit vielen dieser Plattformen betritt die einschlägige Industrie Neuland, da analoge Impfstoffe noch nicht zugelassen wurden. Allerdings existieren teilweise Erfahrungen aus anderen Bereichen, wie der Onkologie, wo manche Konzepte bereits ausgetestet werden. Ohne Übertreibung können viele der technologischen Entwicklungen mit dem Attribut »Next-Generation«-Biotechnologika versehen werden. Das könnte auch bedeuten, dass deutlich schneller und effizienter Impfdosen hergestellt werden können.

Manche dieser Plattformen, darunter vor allem die RNA- und DNA-Impfstoffe, bieten eine sehr große Flexibilität hinsichtlich einer möglicherweise erforderlichen Antigenanpassung. Zudem lässt sich die als Impfantigen eingesetzte Nukleinsäure konkurrenzlos schnell herstellen. Tatsächlich begann Moderna mit der klinischen Erprobung ihres mRNA-basierten Impfstoffs mRNA-1273 nur zwei Monate nach Bekanntwerden der SARS-CoV-2-Virus-Sequenz.

Impfstoffkandidaten, die auf viralen Vektoren basieren, lassen sich ebenfalls sehr effizient herstellen. Von ihnen ist bekannt, dass sie eine starke Immunreaktionen induzieren können.

Mit Impfstoffen, die rekombinante Proteine als Antigene enthalten, existieren teils langjährige Erfahrungen. Als Prototyp für diese Technologie ist sicherlich der Hepatitis-B-Impfstoff anzusehen.

Für einige der Impfstoffkandidaten wird es erforderlich sein, durch die Zugabe eines Adjuvanz die Immunogenität zu steigern oder um gegebenenfalls den Impfstoff in niedrigeren Dosen applizieren zu können. Das kann eventuell zu Beginn einer Impfkampagne wichtig sein, wenn Impfdosen noch in begrenzter Menge zur Verfügung stehen.

Bisher ist von mindestens zehn Entwicklungen bekannt, dass dem Impfantigen ein Adjuvanz beigemischt wird. In diesem Zusammenhang haben sich Impfstoffentwickler, darunter Glaxo-Smith-Kline, Seqirus und Dynavax, verpflichtet, lizenzierte Adjuvanzien (AS03, MF59 beziehungsweise CpG 1018) anderen Hersteller zur Verfügung zu stellen.

Details zum jeweils konkret eingesetzten SARS-CoV-2-Antigen sind kaum bekannt. Die meisten Kandidaten, für die Informationen vorliegen, zielen darauf ab, neutralisierende Antikörper gegen das virale Spike-(S)-Protein zu induzieren, wodurch die Aufnahme über den menschlichen ACE2-Rezeptor verhindert wird.

Die technologische Diversität, die die aktuelle Entwicklungslandschaft prägt, könnte sich als vorteilhaft erweisen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass für bestimmte Bevölkerungsgruppen, darunter ältere Menschen, Kinder, Schwangere oder immungeschwächte Patienten, unterschiedliche Impfstofftypen besonders geeignet sind.

Profil der Impfstoffentwickler

56 (72 Prozent) der verifizierten Impfstoffkandidaten werden von privaten/industriellen Initiativen entwickelt. Die übrigen 22 (28 Prozent) Projekte werden von akademischen, öffentlichen und anderen gemeinnützigen Organisationen durchgeführt.

Obwohl sich eine Reihe großer multinationaler Impfstoffentwickler, darunter Janssen, Sanofi, Pfizer und Glaxo-Smith-Kline, an der Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen beteiligen, werden viele Initiativen von kleinen und/oder in der Impfstoffherstellung unerfahrenen Firmen durchgeführt. Sollten sich diese Entwicklungen als erfolgreich erweisen, werden sicherlich hinsichtlich der Impfstoffherstellung sowie der Lieferfähigkeit und -kapazität zur Deckung der Nachfrage neue Allianzen gebildet werden.

Die meisten Aktivitäten zur Entwicklung von Covid-19-Impfstoffen finden in Nordamerika statt, wo 36 (46 Prozent) Entwickler der bestätigten aktiven Impfstoffkandidaten tätig sind. 14 (18 Prozent) der Entwicklungen finden in China, 14 (18 Prozent) in Asien (ohne China) und Australien sowie 14 (18 Prozent) in Europa statt.

Die führenden Entwickler von Covid-19-Impfstoffkandidaten sind auf 19 Länder verteilt, die zusammen mehr als drei Viertel der Weltbevölkerung ausmachen. Derzeit gibt es keine öffentlichen Informationen über die Aktivitäten zur Entwicklung von Impfstoffen in Afrika oder Lateinamerika, obwohl in diesen Regionen Impfstoffherstellungskapazitäten und anerkannte rechtliche Rahmenbedingungen bestehen.

Nicht auszuschließen ist, dass sich die Epidemiologie von Covid-19 je nach geografischer Lage unterscheidet. Zudem ist es wahrscheinlich, dass eine wirksame Kontrolle der Pandemie eine stärkere Koordinierung der F&E-Bemühungen für Impfstoffe unter Einbeziehung der südlichen Hemisphäre erfordert.

Ausblick

Die weltweiten Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen im Bereich der Impfstoffe als Reaktion auf die Covid-19-Pandemie sind in Bezug auf Ausmaß und Geschwindigkeit beispiellos.

Angesichts des Gebots der Schnelligkeit gibt es Anzeichen dafür, dass ein Impfstoff im Rahmen von Not-Protokollen bis Anfang 2021 verfügbar sein könnte. Dies wäre ein grundlegender Schritt weg vom traditionellen Impfstoff-Entwicklungspfad, der selbst im Vergleich zum beschleunigten Fünf-Jahres-Zeitplan für die Entwicklung des ersten Ebola-Impfstoffs durchschnittlich über zehn Jahre dauert. Dies würde gleichzeitig neue Paradigmen hinsichtlich paralleler und anpassungsfähiger Entwicklungsphasen, innovativer regulatorischer Prozesse und skalierbarer Herstellungskapazitäten für die Impfstoffentwicklung der Zukunft erfordern.

Die Entwicklung von Impfstoffen ist ein risikoreiches Unterfangen und erfordert erhebliche Investitionen. Industrie-Benchmarks für traditionelle Impfstoffentwicklungsparadigmen nennen Misserfolgsquoten von mehr als 90 Prozent.

Die für die Entwicklung von Covid-19 angewandten Ansätze, bei denen nicht nur viele biologische Fragen, die sich für ein so neues Virus ergeben, unbeantwortet sind, sondern die auch etliche neuartige Impfstoff-Technologie-Plattformen und neuartige Entwicklungsparadigmen umfassen, werden wahrscheinlich die Risiken eines Scheitern weiter erhöhen.

Teilweise laufen verschiedene Entwicklungsstufen derart parallel, dass eigentlich als selbstverständlich anzusehende Test-Systeme, darunter beispielsweise Covid-19-spezifische Tiermodelle wie ACE2-transgene Mäuse, Hamster, Frettchen und nicht menschliche Primaten, kaum etabliert sind. Hinzu kommen generell erschwerte Testbedingungen. Denn wegen der Gefährlichkeit des Virus haben die Untersuchungen in hochgesicherten Anlagen zu erfolgen.

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