Der nächste Antikörper bei DLBCL |
Annette Rößler |
01.11.2023 11:00 Uhr |
Die Gabe erfolgt als subkutane Injektion vorzugsweise in den unteren Bauch oder in den Oberschenkel. Nach der Injektion muss der Patient überwacht werden, um im Fall eines Zytokin-Freisetzungssyndroms (CRS) und/oder eines immunzellassoziierten Neurotoxizitätssyndroms (ICANS) schnell reagieren zu können. In der Einrichtung, in der die Behandlung stattfindet, sollte mindestens eine Dosis des Anti-IL-6-Antikörpers Tocilizumab vorhanden sein. Tocilizumab wird bei CRS gegeben. Sowohl CRS als auch ICANS können schwerwiegend und potenziell lebensgefährlich sein.
Jeder Patient, der mit Epcoritamab behandelt wird, soll eine Patientenkarte erhalten und diese stets bei sich führen. Auf der Karte sind die Symptome von CRS und ICANS beschrieben – Fieber, Hypotonie und Hypoxie sowie unter anderem Bewusstseinsstörungen, Schwäche und Krampfanfälle –, bei deren Auftreten er sofort einen Arzt aufsuchen soll.
Die Behandlung mit Epcoritamab kann das Infektionsrisiko erhöhen und ist bei Patienten mit aktiven systemischen Infektionen zu vermeiden. Lebendimpfstoffe, auch attenuierte, dürfen während der Therapie nicht verabreicht werden. Zu den weiteren Risiken, die mit der Anwendung verbunden sind, zählen ein Tumorlysesyndrom und eine Tumor-Flare-Reaktion.
Die Anwendung in der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht empfohlen. Während der Behandlung und für mindestens vier Monate nach der letzten Anwendung von Epcoritamab sollte nicht gestillt werden.
Ausschlaggebend für die Zulassung waren Ergebnisse der offenen, einarmigen Studie EPCORE NHL-1 (NCT03625037), in der Epcoritamab in der nun zugelassenen Indikation getestet wurde. Die Beurteilung der Wirksamkeit erfolgte anhand von 139 Patienten. Der primäre Wirksamkeitsendpunkt, die Gesamtansprechrate, wurde bei 86 Patienten (62 Prozent) erreicht. 54 Patienten (39 Prozent) zeigten ein komplettes Ansprechen und 32 Patienten (23 Prozent) ein partielles. Die Ansprechdauer lag im Median bei 15,5 Monaten.
Die häufigsten Nebenwirkungen (mindestens 20 Prozent der Behandelten) waren CRS, Fatigue, Neutropenie, Reaktionen an der Injektionsstelle, Schmerzen des Bewegungsapparats, Bauchschmerzen, Fieber, Übelkeit und Durchfall. Schwerwiegende Nebenwirkungen traten bei 52 Prozent der Patienten auf. Am häufigsten war dabei mit 31 Prozent Betroffenen das CRS. Sieben Patienten starben an den Nebenwirkungen der Therapie.
Tepkinly ist bei 2 bis 8 °C und im Umkarton aufzubewahren und zu transportieren. Für die ersten beiden Dosen des ersten Behandlungszyklus steht das Medikament als Konzentrat zur Herstellung einer Injektionslösung zur Verfügung. Die entsprechende Durchstechflasche hat eine hellblaue Kappe; die Lösung muss gemäß der Anleitung in der Fachinformation mit 0,9-prozentiger Kochsalzlösung verdünnt werden. Für die vollen Dosen von 48 mg, die ab Tag 15 im ersten Zyklus gegeben werden, ist die fertige Injektionslösung vorgesehen. Aus der entsprechenden Durchstechflasche mit der orangenen Kappe müssen vor der Anwendung 0,8 ml in eine Spritze aufgezogen werden.
Vor wenigen Wochen kam mit Glofitamab ein neuer bispezifischer Antikörper für die Behandlung des diffusen großzelligen B-Zell-Lymphoms (DLBCL) auf den deutschen Markt, im Oktober folgte nun Epcoritamab in der identischen Indikation und mit identischem Wirkmechanismus. Was sind bei der Arzneistoffentwicklung über viele Jahre hinweg schon wenige Wochen? Daher kann auch Epcoritamab – wie Glofitamab im August – vorläufig als Schrittinnovation betrachtet werden.
Beide Substanzen verkörpern als Anti-CD20/Anti-CD3-Antikörper kein komplett neues Wirkprinzip, beide sind nicht für die Erstlinientherapie zugelassen und beide sind keineswegs die einzigen Therapiefortschritte beim DLBCL in den vergangenen Jahren. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die CAR-T-Zelltherapie.
Fakt ist aber auch, dass vor allem bei Patienten in höheren Therapielinien ein hoher medizinischer Bedarf an neuen Therapieoptionen besteht. Die Studienergebnisse rechtfertigen auch im Fall von Epcoritamab die Einordnung als Schrittinnovation. Im Vergleich zu Glofitamab könnte die subkutane Gabe anstelle einer Infusion für die Patienten von Vorteil sein. Wünschenswert wäre natürlich ein direkter Vergleich dieser beiden sehr ähnlichen Antikörper.
Sven Siebenand, Chefredakteur