Depression in Zeiten der Pandemie |
Christina Hohmann-Jeddi |
01.10.2021 18:00 Uhr |
Erzwungener Rückzug, Isolation und Ängste bestimmten im Lockdown das Leben vieler Menschen – das kann negative Folgen für die psychische Gesundheit haben. / Foto: Shutterstock/tommaso79
Die Folgen der Pandemie waren für Personen mit Depressionen erheblich: Sorgen, Ängste Einsamkeit und Stress nahmen zu und belasteten die Psyche, berichtete Professor Dr. Detlef E. Dietrich, Repräsentant der European Depression Association (EDA) in Deutschland und Ärztlicher Direktor im AMEOS Klinikum Hildesheim, bei einer Pressekonferenz anlässlich des Europäischen Depressionstages am 3. Oktober. Gleichzeitig nahmen die Möglichkeiten für depressiv Erkrankte ab, ihre Krankheit zu kontrollieren.
Das schilderte Tanja Salkowski, Autorin, Bloggerin, Journalistin und selbst Betroffene, eindrücklich. Die Pandemie habe sie gezwungen, sich so zu verhalten, wie sie es in ihrer schlimmsten Krankheitsphase tat. Damals habe sie sich »gegen die Gesellschaft und für die Einsamkeit, für völlige Isolation und das Weglassen von Körpernähe« entschieden. Sie schränkte aufgrund der Krankheit die Kommunikation mit Freunden ein, nahm einen ungesunden Lebensstil mit Bewegungslosigkeit und einem zu hohen Konsum von Fernsehen, ungesundem Essen und Alkohol an. Es habe Jahre an Psychotherapie und viel Arbeit gebraucht, um sich aus der Depression zu befreien, berichtete Salkowski. »Ich habe mir die Puzzleteile zusammengesucht, die mich retteten.« Dazu zählten unter anderem eine feste Tagesstruktur, Bewegung, gesunde Ernährung, das Ausleben ihrer tiefsten Bedürfnisse und auch Treffen mit der Familie und Freunden.
Vieles hätte ihr die Pandemie wieder genommen, sagte die Journalistin. Sie selbst sei dennoch vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, vor allem aufgrund der jahrelangen Erfahrung mit und Arbeit an der eigenen Erkrankung. Andere depressiv Erkrankte seien für die Krise vielleicht weniger gut gerüstet gewesen.
Dass die Pandemie für depressiv Erkrankte tatsächlich erhebliche Auswirkungen hatte, zeigen unterschiedliche deutsche und internationale Untersuchungen, die Dietrich vorstellte. Laut Daten des Deutschland Barometers Depression fehlten 89 Prozent der befragten Depressions-Patienten im zweiten Lockdown die Kontakte, 87 Prozent bewegten sich zu wenig und 64 Prozent verbrachten zu viel Zeit im Bett. Das sei nicht zuträglich bei dieser Erkrankung, betonte der Mediziner. Entsprechend berichteten 44 Prozent der depressiv Erkrankten von einer Verschlechterung der Symptomatik, 16 Prozent erlitten einen Rückfall und 8 Prozent hatten Suizidgedanken oder suizidale Impulse, so Dietrich.
Aber auch auf psychisch Gesunde wirkten sich die Pandemie und die Infektionsschutzmaßnahmen mit der begleitenden Isolation, den Ängsten und erhöhtem Stress negativ aus: Laut Daten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist seit März 2020 die Prävalenz von Angsterkrankungen und Depression in den Mitgliedsländern deutlich gestiegen – die der Angstzustände um 27 bis 30 Prozent und die der Depressionen um 20 bis 23 Prozent. Dem Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung zufolge waren besonders auch Kinder und Jugendliche durch das Homeschooling und die Distanzierungsmaßnahmen betroffen. Etwa 480.000 Jugendliche im Alter von 16 bis 19 Jahren zeigen inzwischen depressive Symptome, berichtete Dietrich. Damit habe sich die Inzidenz im Vergleich zur Präpandemiezeit mehr als verdoppelt.