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Palliativversorgung

Den Tagen mehr Leben geben!

Jeder Mensch mit einer schweren chronischen Krankheit, mit begrenzter Lebenserwartung oder starker Gebrechlichkeit hat einen Anspruch auf Palliativversorgung. Diese zielt darauf ab, die Lebensqualität von Patienten und ihren Zugehörigen durch frühzeitige Interventionen aktiv zu verbessern.
AutorKontaktKirsten Dahse
AutorKontaktUlla Mariam Hoffmann
Datum 02.10.2022  08:00 Uhr

Obstipation

Verstopfung ist ein sehr häufiges Symptom mit einer Prävalenz von bis zu 90 Prozent bei Palliativpatienten (Candy et al., 2015, 2018; Siemens, Becker, 2016).

Bei Tumorpatienten finden sich dieselben Risikofaktoren wie in der Normalbevölkerung (Immobilität, zu geringe Trinkmenge, ballaststoffarme Ernährung), verstärkt durch multiple Medikamentennebenwirkungen – allen voran die Opioide, aber auch Anticholinergika und viele mehr. Hinzu kommen tumorspezifische Faktoren, insbesondere bei abdominellen Tumoren sowie Peritonealkarzinose mit funktioneller und/oder mechanischer Mobilitätsstörung des Darms. Beim Einsatz von Opioiden sollten Laxanzien immer prophylaktisch gegeben werden.

Unabhängig von der Ätiologie erfolgt neben Allgemeinmaßnahmen wie ausreichende Trinkmenge, Mobilität und ballaststoffreiche Ernährung die laxierende Therapie in vier Stufen; es wird von Stufe zu Stufe gesteigert bis zur Wirksamkeit. Im ersten Schritt werden osmotisch aktive Laxanzien (Macrogol plus Elektrolyte) oder propulsive Wirkstoffe (Natriumpicosulfat, Bisacodyl) eingesetzt. Auf Stufe 2 werden die beiden Laxanzientypen kombiniert. Auf Stufe 3 fügt man µ-Opioidantagonisten hinzu (Methylnaltrexon subkutan, Naloxegol, Naldemedin) oder rotiert auf eine fixe Opioid-Naloxon-Kombination. Bei unzureichendem Erfolg ergänzt man Stufe 3 mit Magnesiumsulfat, Amidotrizoesäure (Gastrografin) oder Erythromycin (alle off Label).

Alle Stufen können durch physiotherapeutische Maßnahmen wie eine Kolon- oder Fußreflexzonen-Massage, Einläufe, Klysmen, Suppositorien und nötigenfalls manuell-rektale Ausräumung unterstützt werden.

Luftnot

Nach der Angst vor Schmerzen sorgen sich die meisten Patienten vor Atemnot und davor, »ersticken zu müssen«. Sowohl die Erklärung, dass auch dieses Symptom sehr gut kontrolliert werden kann, als auch das Wissen, dies umzusetzen, sind zentral in der Begleitung von Palliativpatienten.

Ursache von Atemnot Ursächliche Therapie
Anämie Transfusion
Atemwegsobstruktion, COPD als Begleiterkrankung antiobstruktive Therapie, Corticosteroide
Hämoptysen (Bluthusten) Antifibrinolytika, bronchoskopische oder operative Intervention (Stent, Laser, Argon-Beamer), Strahlentherapie
Infektionen, zum Beispiel Pneumonie Antibiotika, Antimykotika
obere Einflussstauung (Kompression der Vena cava superior durch Tumor) Antikoagulation, Cava-Stent, Corticosteroide, Strahlentherapie
Obstruktion der Atemwege durch Tumor bronchoskopische oder operative Intervention (Stent, Laser, Argon-Beamer), Strahlentherapie
Perikard-Erguss Perikard-Punktion, -Diodese, -Fensterung
Pleura-Erguss Pleura-Punktion, -Drainage, Pleurodese
pulmonale Stauung Diuretika, andere adäquate Medikation
Tabelle 4: Mögliche Ursachen von Atemnot und ursächliche Therapieoptionen; nach Bausewein et al., 2019

Atemnot ist ein häufiges und sehr belastendes Symptom (53 Prozent im letzten Lebensjahr, 74,3 Prozent bei Patienten mit Lungenkrebs; Simon et al., 2016). Häufigkeit und Schwere nehmen in der Endphase der Erkrankung zu (Bausewein et al., 2010; Conill et al., 1997; Currow et al., 2010).

Wie Schmerzen ist auch Luftnot ein subjektives Symptom (kann auch bei normaler Sauerstoff-Sättigung auftreten), erfüllt die vier Dimensionen des Total-Pain-Konzepts und beeinflusst die Lebensqualität erheblich. Atemnot schränkt die Emotionalität (Angst und damit häufig verbunden eine Verstärkung der Atemnot), Aktivität, Mobilität und soziale Kontakte (Henoch et al., 2008), aber auch die orale Nahrungsaufnahme (zwischen zwei Atemzügen) stark ein. Häufig überträgt sich das Gefühl der Atemnot auf die Zugehörigen, die damit in besonderer Weise selbst mitbetroffen sind.

Atemnot kann sowohl kontinuierlich (in Wellen) als auch in Attacken (stärker als die »normalen« Wellen, über Sekunden bis Stunden) sowie in Kombination auftreten. Die Attacken können sowohl unvorhersehbar als auch vorhersehbar sein. Wie bei Schmerzen sollte immer nach behandelbaren Ursachen (Tabelle 4) gesucht und die Behandlung nach Indikation, Nutzen/Belastung und Patientenwillen abgewogen werden. Die Behandlung muss angemessen sein!

Nicht medikamentöse Maßnahmen nehmen den ersten und wichtigsten Platz in der Behandlung ein. Grundlegend ist die Aufklärung über das Symptom und mögliche Beruhigungs- und Entspannungsmaßnahmen. Hilfreich sind atemerleichternde Körperhaltungen wie Kutscher- oder Paschasitz oder die Torwartstellung (www.lungeninformationsdienst.de/therapie/leben-mit-krankheit/atemschulung/index.html). Linderung können Atemübungen wie das langsame und gleichmäßige Blasen über einen Strohhalm in ein Wasserglas, die Kühlung des Gesichts, Ventilator/Fächer oder Pari-Inhalationen bei obstruktiver Komponente verschaffen. Zum Erhalt der Mobilität und Muskelkraft sind physiotherapeutisch angeleitete Übungen oder/und ein Rollator beziehungsweise Gehhilfen sinnvoll.

Opioide sind (obwohl off Label) die einzige Substanzklasse mit ausreichender Evidenz zur Symptomlinderung, wahrscheinlich vermittelt über µ-Opioidrezeptoren im gesamten kardio-respiratorischen System (Johnson et al., 2012). Wichtig ist, dass in der Regel eine deutlich niedrigere Dosierung zur Linderung von Atemnot nötig ist als in der Schmerztherapie (Currow et al., 2011). Die Gabe von Benzodiazepinen (Off-Label-Use) sollte nur dann erfolgen, wenn Opioide nicht wirksam waren. Insbesondere in einem fortgeschrittenen Krankheitsstadium oder in der Sterbephase ist auch die Kombination von Opioiden und Benzodiazepinen möglich (Tabelle 5).

Substanz Startdosis Startdosis
bei opioidnaiven Patienten bei bestehender Opioidtherapie
Morphin peroral: 10 bis 30 mg/d, das heißt 2,5 bis 5 mg alle 4 bis 6 h
Morphin 0,5 Prozent Tropfen: 8 bis 16 Tr. alle 4 h
Morphin 2 Prozent Tropfen: 2 bis 4 Tr. alle 4 h
subkutan/intravenös: 5 bis 10 mg/d, das heißt 1 bis 2,5 mg alle 4 h
Erhöhung der bestehenden Opioiddosis um 25 Prozent
Lorazepam* 0,5 bis 1,0 mg alle 6 bis 8 h peroral oder sublingual 0,5 bis 1,0 mg alle 6 bis 8 h peroral oder sublingual
Midazolam* 2,5 bis 5 mg/4 h subkutan, 10 bis 30 mg/24 h subkutan 2,5 bis 5 mg/4 h subkutan. 10 bis 30 mg/24 h subkutan
Tabelle 5: Dosisempfehlungen zur Medikation bei Atemnot; nach Bausewein et al., 2019 *) Off-Label-Use

Phenothiazine und Antidepressiva haben nach der überarbeiteten S3-Leitlinie keinen Platz in der Therapie von Atemnot. Steroide können oftmals kausal eingesetzt werden, zum Beispiel bei pulmonaler Lymphangiosis oder tumorbedingter Atemwegsobstruktion (Tabelle 3).

Die Therapie mit dem »Medikament« Sauerstoff ist nicht erste Wahl, sondern vielmehr begrenzt auf hypoxämische Patienten und Erkrankungen (wie COPD Stadium IV oder pulmonal-arterielle Hypertonie), bei denen Sauerstoff zum leitliniengerechten Therapieregime gehört. Die reflexhafte Sauerstofftherapie bei Atemnot sollte unbedingt vermieden werden – nicht zuletzt wegen der erheblichen Nebenwirkungen wie Mundtrockenheit (sehr belastend), aber auch der Belastung, am Gerät angehängt und abhängig zu sein.

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