Delta-Variante so ansteckend wie Windpocken |
In den USA sollen auch Geimpfte in bestimmten Situationen wieder Maske tragen – der Grund für die Empfehlung ist die hochansteckende Delta-Variante. / Foto: Adobe Stock/Darren Baker
Meldungen über vollständig gegen Covid-19 geimpfte Personen, die sich infizieren und auch schwer erkranken, sorgen für Verunsicherung. Auf diese Problematik geht die US-amerikanische Gesundheitsbehörde CDC in einer internen Präsentation ein, die von der US-Zeitung »Washington Post« veröffentlicht wurde. Insgesamt seien Durchbruchinfektionen »erwartbar«, heißt es dort. Ihr Anteil an den Infektionen nehme mit steigendem Anteil an Geimpften zu. Die Behörde geht pro Woche von 35.000 symptomatischen Infektionen bei den 162 Millionen geimpften US-Amerikanern aus. Durchbruchinfektionen sind somit nicht selten.
Wirksam sind die Covid-19-Impfungen dennoch. Den CDC-Daten zufolge senkten die Impfungen bei Infektionen mit der Ursprungsvariante das Risiko für eine symptomatische Erkrankung um den Faktor 8 und das Risiko für Hospitalisierung und Tod jeweils um den Faktor 25. Die Zunahme des Anteils von Geimpften an den hospitalisierten Covid-19-Patienten reflektiere die zunehmende Durchimpfung der erwachsenen Bevölkerung. Darauf hatte vor Kurzem bereits eine britische Wissenschaftlerin hingewiesen. Im Mai machten vollständig Geimpfte etwa 9 Prozent der hospitalisierten Covid-19-Patienten und 15 Prozent der Corona-bedingten Todesfälle in den USA aus.
Die Verbreitung der Delta-Variante verbessert die Situation nicht. Bei der Ursprungsvariante des Virus betrug der Schutz der Impfung gegen Infektionen 91 Prozent. Wer sich trotz Vakzinierung infizierte, wies eine um 40 Prozent geringere Viruslast im Vergleich zu Unvakzinierten auf und schied das Virus auch für einen deutlich kürzeren Zeitraum aus. Bei der Delta-Variante sieht das nun ein wenig anders aus.
Der CDC zufolge ist die Delta-Variante von SARS-CoV-2 ansteckender als MERS-CoV, SARS-CoV-1, die saisonale Grippe oder ein gewöhnlicher Schnupfen. Sie sei ähnlich ansteckend wie Windpocken, die als äußerst kontagiös gelten, so die Behörde. Zudem gebe es Daten, dass die Delta-Variante verglichen mit anderen Varianten zu einer erhöhten Viruslast bei Infizierten führe.
Dies gilt auch für Personen mit einer Delta-Infektion trotz Impfung: Bei ihnen liegt die Viruslast zehnmal höher als bei Geimpften, die sich mit der Alpha-Variante infiziert haben. Die Viruslast von infizierten Geimpften ist bei Delta etwa genauso hoch wie bei ungeimpften Infizierten. Entsprechend können Geimpfte das Virus auch leicht weitergeben.
Die Erkenntnisse der Behörde stellen nicht die Wirksamkeit der Impfstoffe infrage: Diese schützten auch bei Delta weiterhin mit hoher Wahrscheinlichkeit vor schweren Verläufen oder dem Tod. Der Schutz vor Ansteckung besteht zwar auch, scheint aber schwächer. Zudem kommt die CDC zu dem Schluss, dass Delta wohl gefährlicher ist als das ursprüngliche Virus und Erkrankte eher schwere Verläufe erfahren. Es müsse »anerkannt werden, dass sich der Krieg verändert hat«, heißt es im Fazit der Präsentation. Trotz steigender Impfrate müsse mit einer Zunahme der Delta-Virusverbreitung auch aufgrund von Durchbruchinfektionen gerechnet werden.
Zuletzt hatte die CDC ihre Richtlinien angesichts der starken Ausbreitung der Delta-Variante angepasst und auch für Geimpfte in vielen geschlossenen Räumen wieder das Maskentragen empfohlen. Das sei unter anderem aufgrund der Ergebnisse einer am Freitag veröffentlichten Studie zu einem Corona-Ausbruch im Bundesstaat Massachusetts erfolgt, teilte CDC-Chefin Dr. Rochelle Walensky mit.
Bei dem Ausbruch rund um mehrere Großveranstaltungen wurden laut Studie 469 Infektionen identifiziert, davon fast drei Viertel bei Menschen mit vollem Impfschutz und ein Großteil mit der Delta-Variante. Die hochansteckende Ausprägung des Virus hat in den USA nach älteren Angaben mehr als 80 Prozent Anteil an allen Infektionen – diese Zahl dürfte mittlerweile aber deutlich höher liegen. Unterdessen tritt die Impfkampagne mit 50 Prozent vollständig Geimpften US-Bürgern auf der Stelle, was eine Ausbreitung der Delta-Variante weiter antreibt.
Eine Herdenimmunität dürfte aufgrund der hochansteckenden Delta-Variante wohl nicht zu erreichen sein. So erklärt der Epidemiologe Professor Dr. Jeffrey Shaman von der Columbia University in New York gegenüber der »Washington Post«: »Ich denke, das zentrale Thema ist, dass Geimpfte vermutlich zu einem erheblichen Anteil an der Übertragung von Delta beteiligt sind«. Bei den Covid-19-Impfungen gehe es nunmehr verstärkt um einen Eigenschutz. Eine Herdenimmunität sei vermutlich nicht realistisch, da es »viele Belege für Zweit- und Durchbruchinfektionen« gebe.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.