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Gesundheit in Europa

»Daten sind das neue Öl«

Europa muss die Menschen wieder überzeugen. Ein Weg dahin ist ein gemeinsames Konzept in puncto Gesundheitsdaten. Hierzulande soll die Gematik als Garant für eine solche Philosophie stehen. Zu diesem Ergebnis kamen die Experten einer Diskussionsrunde im Rahmen der virtuellen Veranstaltung »Europe 2022«, bei der es um die derzeitigen Herausforderungen für die EU ging. 
Jennifer Evans
10.02.2022  14:00 Uhr

Was die Datennutzung im Gesundheitswesen angeht, »müssen wir von vornherein europäisch denken«. Das betonte der Chef der Techniker Krankenkasse (TK), Jens Baas, in seinem Keynote-Vortrag im Rahmen der Veranstaltung »Europe 2022«, zu der die Medien »Der Tagesspiegel«, »Die Zeit«, »Das Handelsblatt» und die »Wirtschaftswoche« eingeladen hatten. Nur vor diesem Hintergrund kann Europa laut Baas eine echte Alternative zu ausländischen Märkten wie USA oder China sein, die einen kommerziellen Ansatz verfolgen. Als Voraussetzung dafür sieht er unter anderem eine europäische Cloud mit festgelegten Schnittstellen.

Auf dem Weg zu diesem Ziel liegt für Baas – insbesondere mit Blick auf Deutschland – noch ein Hindernis: Derzeit sei nicht klar definiert, wo der Datenschutz im Verhältnis zu anderen Gesetzen stehe. Gemeint ist beispielsweise dessen Verhältnis zum Recht auf Unversehrtheit. Zudem würden einige Unternehmen den Datenschutz vorschieben, um eigene Interessen zu schützen. 

Dazu kommt laut dem TK-Chef, dass die EU-Länder die Datenschutz-Grundverordnung (DSVOG) sehr unterschiedlich auslegen. Auch in diesem Punkt muss es seiner Ansicht nach eine gemeinsame europäische Linie geben. Gematik-Chef Markus Leyck Dieken ging in der Diskussionsrunde am gestrigen Mittwoch sogar so weit, die Gematik »als Garant für eine europäische Datenphilosophie« zu bezeichnen. In seinen Augen hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) die Gesellschaft unter anderem dafür eingerichtet, deutschen Nutzern in diesem Punkt Gewissheit zu geben. »Mit Turbo angehen» sollten die EU-Länder zudem, die Interoperabilität der »fragmentierten europäischen Gesundheitssysteme« herzustellen, meint Leyck Dieken.

Einsparungen von rund 30 Milliarden Euro

Sind diese Voraussetzungen erst erfüllt, bringt die Datenauswertung mittels Künstlicher Intelligenz (KI) nach Auffassung der Podiumsteilnehmer viele Vorteile für die Versorgung. Allein in Deutschland lassen sich durch die richtige Datennutzung nach Angaben von Baas rund 30 Milliarden Euro einsparen. Die Daten seien aber nicht nur das neue Öl, sondern auch die Grundlage für »souveräne Gesundheitsentscheidungen«. Mit einer ausreichenden Datenbasis steige auch das Potenzial guter Start-ups, so der TK-Chef. Grundsätzlich appelliert er daran, den Perfektionismus hierzulande etwas abzulegen und stattdessen einfach mit einzelnen umsetzbaren Projekten zu starten. Das schaffe erst einmal das nötige Vertrauen in ein digitales Gesundheitssystem.

Die Tatsache, dass oft wirtschaftliche Interessen an Gesundheitsdaten bestehen, bewertet die Medizinethikern Christiane Woopen, Professorin für Life Ethics an der Universität Bonn, generell nicht so negativ. In ihren Augen muss nur sichergestellt sein, dass diese Informationen weder bei Arbeitgebern noch Versicherungen landen. Habe ein Unternehmen die Kompetenzen damit umzugehen, erfülle es also die Regularien, steht auch für Baas »vernünftigen wirtschaftlichen Interessen« nichts im Wege. Allerdings schloss der TK-Chef auch umgekehrt nicht aus, dass ein Unternehmen einen Patienten für seine Daten bezahle, wenn diese etwa besonders wertvoll für die Forschung seien.

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