Das verkannte Problem |
Schlaflosigkeit, Traurigkeit, sozialer Rückzug: Das sind nicht unbedingt typische Altersprobleme, die man hinnehmen muss. Dahinter kann eine Depression stecken, die bei Senioren genauso gut behandelt werden kann wie bei Jüngeren. / Foto: Fotolia/Photographee.eu
Depressionen bei älteren Menschen werden nach einer repräsentativen Umfrage in Deutschland massiv unterschätzt. So glaubt eine große Mehrheit der Bevölkerung (83 Prozent), dass die Krankheit vor allem im jungen und mittleren Lebensalter auftritt, teilte die Stiftung Deutsche Depressionshilfe mit. Zu häufig würden Anzeichen von Depressionen bei Senioren deshalb bagatellisiert und als Bitternis des Alters abgetan. Dieses Unwissen trage mit dazu bei, dass die Krankheit im Alter häufig gar nicht oder falsch behandelt werde, sagte Psychiater Ulrich Hegerl, Vorstandschef der Stiftung. «Wir haben hier einen riesigen Verbesserungsspielraum.»
Für die Umfrage «Depressions-Barometer» wurden 5.350 Bundesbürger zwischen 18 und 79 Jahren im Juli 2019 befragt. 350 von ihnen waren älter als 70. Der Schwerpunkt lag darauf, was sie über Depressionen bei älteren Menschen wissen und denken. Manche Umfrage-Ergebnisse klingen fast nach Altersdiskriminierung: So sprach sich jeder sechste Befragte dafür aus, Geld für die Behandlung von Depressionen lieber für jüngere Patienten auszugeben. Gut ein Fünftel (22 Prozent) meinte, dass bei Älteren die Behandlung körperlicher Erkrankungen wichtiger sei. Ein Drittel der jungen Befragten (36 Prozent) glaubt, dass sich Depressionen im Alter weniger gut oder überhaupt nicht behandeln lassen. Und mehr als zwei Drittel aller Interviewten (71 Prozent) gehen davon aus, dass alte Menschen ohnehin kaum bereit sind, zum Psychotherapeuten zu gehen.
Hintergrund für solche Fehleinschätzungen ist häufig Unwissen: In der Realität gehören Depressionen neben Demenz-Erkrankungen zu den häufigsten psychischen Leiden im höheren Lebensalter und treffen nach Studien in Deutschland rund 6 Prozent der älteren Menschen. Im mittleren Lebensalter liegt diese Quote nur wenig höher – bei 8 Prozent. Behandeln lässt sich die Krankheit nach einer Diagnose in jedem Lebensalter gleich gut.
«Eine Depression im Alter ist keine Folge von Einsamkeit, Trauer oder Verlusterlebnissen», betont Hegerl. «Es ist eine eigenständige Erkrankung, die noch tödlicher ist als sonst.» Denn die Suizidrate im Alter liegt in Deutschland rund fünf Mal so hoch wie wie bei jüngeren Erwachsenen. Die Mehrzahl der insgesamt rund 9.000 erfassten Suizide pro Jahr in Deutschland geht nach Ansicht von Experten auf psychische Erkrankungen zurück.