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Cytisin zur Raucherentwöhnung

Rauchfrei ins Neue Jahr: Das nehmen sich viele vor. Kurz vor dem Jahreswechsel hat sich die Palette der Raucherentwöhnungsmittel in Deutschland um den Wirkstoff Cytisin erweitert. In Osteuropa ist der Naturstoff seit Langem im Gebrauch.
Annette Rößler
06.01.2021  07:00 Uhr

Cytisin ist ein pflanzliches Alkaloid, das unter anderem in den Samen des Goldregens (Laburnum) vorkommt. Wie das strukturell ähnliche Alkaloid Nicotin wirkt es über die Aktivierung von nicotinischen Acetylcholinrezeptoren (nAChR), wobei die Wirkung generell schwächer ist und Cytisin in geringerem Ausmaß ins zentrale Nervensystem übertritt. Aufgrund seiner höheren Bindungsaffinität zu den nAChR verdrängt Cytisin aber Nicotin allmählich von den Rezeptoren. An nAChR vom Typ α4β2, deren Stimulation für das Abhängigkeitspotenzial von Nicotin hauptverantwortlich gemacht wird, wirkt Cytisin als partieller Agonist.

Es wird vermutet, dass Cytisin die vollständige nicotinabhängige Aktivierung des mesolimbischen Dopaminsystems verhindert, dafür aber eine mäßige Steigerung der Dopaminspiegel im Gehirn bewirkt. Dadurch werden die zentralen Symptome des Nicotinentzugs gelindert. Auch peripher mildert es die Entzugssymptome, führt aber auch reflektorisch zu einer Atemstimulation und einer gesteigerten Catecholamin-Ausschüttung aus der Nebenniere, wodurch der Blutdruck steigt.

Cytisin wird in Deutschland von der polnischen Firma Aflofarm als Asmoken® (1,5 mg Tabletten) in den Verkehr gebracht. Das Anwendungsgebiet lautet Raucherentwöhnung und Verminderung des Verlangens nach Nicotin bei Rauchern, die willens sind, mit dem Rauchen aufzuhören. Das Ziel der Behandlung ist die dauerhafte Beendigung des Konsums nicotinhaltiger Produkte.

Ausschleichen gemäß Dosierschema

Eine Behandlung mit Asmoken dauert 25 Tage. In dieser Zeit wird das Medikament gemäß einem in der Fachinformation abgedruckten Schema herabdosiert. Begonnen wird mit einer Tablette alle zwei Stunden und maximal sechs Tabletten am Tag, bis zuletzt ab dem 21. Tag nur noch ein bis zwei Tabletten pro Tag eingenommen werden. Spätestens am fünften Behandlungstag soll der Patient völlig mit dem Rauchen aufhören. Während der Therapie sind Zigaretten und andere nicotinhaltige Produkte tabu, da sie die Nebenwirkungen verstärken können. Gelingt es dem Patienten nicht, mit dem Rauchen aufzuhören, sollte die Behandlung abgebrochen werden. Nach zwei bis drei Monaten kann dann ein neuer Versuch gestartet werden.

Nicht empfohlen wird die Anwendung bei Patienten mit Leber- oder Nierenfunktionsstörungen sowie bei Personen über 65 und unter 18 Jahren. Weitere Gegenanzeigen sind instabile Angina pectoris, kürzlich durchgemachter Herzinfarkt oder Schlaganfall, klinisch relevante Arrhythmien, Schwangerschaft und Stillzeit. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung zuverlässig verhüten. Nur mit besonderer Vorsicht angewendet werden darf Asmoken bei koronarer Herzkrankheit, Herzinsuffizienz, Hypertonie, Phäochromozytom, Atherosklerose und anderen peripheren Gefäßerkrankungen, Magen-/Duodenalulzera, gastroösophagealem Reflux, Hyperthyreose, Diabetes und Schizophrenie.

Stichwort psychische Erkrankung: Depressive Verstimmung, teilweise sogar bis hin zur Suizidalität, ist eine mögliche Folge des Nicotinentzugs. Darauf ist bei der Aufklärung der Patienten vor Beginn der Therapie zu achten, besonders wenn es eine entsprechende Vorgeschichte gibt. Ein Rauchstopp kann zudem den Metabolismus von Arzneistoffen verändern, die über CYP1A2 (und CYP1A1) abgebaut werden. Die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe im Tabakrauch induzieren nämlich diese Enzyme und dieser Effekt fällt nach dem Aufhören weg. Deshalb können sich die Blutspiegel von Arzneistoffen, die über diese Enzyme verstoffwechselt werden, durch den Rauchstopp ändern. Beispiele sind Theophyllin und Clozapin.

Asmoken darf nicht zusammen mit Tuberkulostatika angewendet werden. Sonstige klinische Daten zu relevanten Wechselwirkungen liegen nicht vor.

Placebo und Nicotin überlegen

Zwei wichtige Studien, in denen die Wirksamkeit von Cytisin gezeigt werden konnte, erschienen in den Jahren 2011 und 2014 im Fachjournal »New England Journal of Medicine«. Die erste war ein Vergleich mit Placebo mit 740 Teilnehmern (DOI: 10.1056/NEJMoa1102035). Nach zwölf Monaten waren in der Cytisin-Gruppe noch 31 Probanden rauchabstinent (8,4 Prozent) und in der Placebogruppe noch 9 (2,4 Prozent). Die zweite Untersuchung war eine Nicht-Unterlegenheitsstudie, in der Cytisin mit einer Nicotinersatztherapie (Pflaster, Kaugummis und Pastillen) verglichen wurde (DOI: 10.1056/NEJMoa1407764). Nach einem Monat gaben von den 655 Teilnehmern in der Cytisin-Gruppe 264 an, noch abstinent zu sein (40 Prozent), während es von den 655 Teilnehmern in der Nicotin-Gruppe 203 waren (31 Prozent). Cytisin war der Nicotinersatztherapie bezüglich der kontinuierlichen Abstinenz sowohl nach einer Woche als auch nach zwei Monaten und sechs Monaten überlegen.

Sehr häufige Nebenwirkungen in den Studien waren Veränderungen des Appetits und Gewichtszunahme, Benommenheit, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Angstzustände, Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Tachykardie, Hypertonie, Mundtrockenheit, Diarrhö, Übelkeit, Veränderung des Geschmacksempfindens, Sodbrennen, Obstipation, Erbrechen, Bauchschmerzen, Hautausschlag, Myalgien und Fatigue.

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