Corona-Impfung zum Schlucken |
| Christina Hohmann-Jeddi |
| 06.05.2021 09:00 Uhr |
Eine orale Impfung hat einige Vorteile, etwa eine einfache Handhabung und Lagerung. / Foto: Adobe Stock/Dan Race
Schluckimpfungen haben theoretisch einige Vorteile gegenüber anderen Impfstoffen: Sie kommen ohne Spritze aus, sind entsprechend einfach zu applizieren und induzieren eine Immunschutz dort, wo er benötigt wird – nämlich auf den Schleimhäuten. Dort treffen Krankheitserreger als erstes auf den menschlichen Körper. Wenn sie dort erfolgreich bekämpft werden, kommt es erst gar nicht zu einer Infektion. Einige Arbeitsgruppen weltweit forschen daher an Vakzinen gegen SARS-CoV-2, die eine Schleimhautimmunität induzieren.
So auch das Team um Professor Dr. Thomas Rudel von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. In Zusammenarbeit mit dem Unternehmen Aeterna Zentaris entwickelt es eine Schluckimpfung gegen das Coronavirus, die auf einem Typhus-Impfstoff mit dem Bakterienstamm Salmonella Typhi Ty21a beruht. »Wir verwenden einen Ansatz, der schon seit vielen Jahren millionenfach als Schutz vor einer Typhus-Infektion im Einsatz ist«, sagt Rudel in einer Mitteilung der Universität. Für die Covid-19-Vakzine musste das Bakterium noch modifiziert werden: »Wir haben die Bakterien so programmiert, dass sie SARS-CoV-2-Antigene produzieren.«
In einer Kapsel vor dem Angriff der Magensäure geschützt, sollen die Bakterien nach der Passage durch den Magen im Dünndarm des Menschen ihre Wirkung entfalten. Das Team geht davon aus, dass die Bakterien dort die Antigene dem Immunsystem präsentieren und in der Folge eine entsprechende Immunantwort anstoßen können.
Anders als die bisher in der EU zugelassenen Impfstoffe soll sich die Immunantwort des Geimpften nicht nur auf ein Ziel (das Spike-Protein des Coronavirus) richten, sondern auf zwei Antigene. Entsprechend enthält das Bakterium zwei Gene des Pandemievirus. Das soll eine Immunflucht des Virus durch Veränderungen des prominenten Spike-Proteins verhindern oder zumindest erschweren. Das zweite Antigen könnte somit als »Sicherheitsanker« dienen: Es basiere auf einem Gen, von dem sich gezeigt habe, dass es nur selten mutiere, heißt es in der Mitteilung.
Dem Würzburger Team zufolge ist ein solcher oraler Impfstoff vergleichsweise günstig herzustellen, einfach zu verabreichen und relativ stabil auch bei normalen Temperaturen. »Das würde ihn im Erfolgsfall auch für den Einsatz in Ländern attraktiv machen, in denen es schwierig ist, eine Kühlkette mit Temperaturen von bis zu -70 °C ohne Unterbrechung zu gewährleisten«, so Rudel. Noch befindet sich der Kandidat allerdings in der präklinischen Entwicklung: In Studien mit Menschen wurde er noch nicht untersucht.
Vor Kurzem hatte auch die US-amerikanisch-israelisch-indische Firma Oravax einen Kandidaten für eine Coronavirus-Schluckimpfung vorgestellt. Ihr Impfstoff besteht aus virusähnlichen Partikeln, die drei SARS-CoV-2-Antigene präsentieren und in magensaftresistenten Kapseln verpackt sind. Auch dieser Ansatz ist noch nicht in der klinischen Phase der Entwicklung.
Zudem listet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) drei orale Impfstoffkandidaten auf, die sich bereits in klinischer Prüfung befinden (»The Covid-19 candidate vaccine landscape«, Stand 30. April 2021): zwei Vektorimpfstoffe von Vaxart und Immunity-Bio (letzterer wird auch subkutan getestet) sowie ein DNA-Impfstoff, der mittels lebender Bifidobakterien verabreicht wird. Alle drei Impfstoffe befinden sich in Phase I. Mit dem Kandidaten von Immunity-Bio sind im April zwei Phase-I/II-Studien gestartet, die den Einsatz der Vakzine bei Personen untersuchen, die bereits mit einer in den USA zugelassenen Covid-19-Vakzine geimpft wurden (NCT04845191 und NCT04843722).
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.