Die zweite Generation |
Christina Hohmann-Jeddi |
08.01.2021 09:00 Uhr |
Hoffnungsträger in der Pandemie: Nasale Vakzinen sollen eine stabile Schleimhautimmunität gegen Coronaviren hervorrufen. / Foto: Adobe Stock/be free
Mit Tozinameran (Comirnaty®) von Biontech und Pfizer ist der erste Covid-19-Impfstoff in der EU zugelassen worden. Weitere Vakzinen werden in diesem Jahr voraussichtlich folgen. Von den Impfstoffen verspricht man sich viel: Eine ausreichende Durchimpfung der Bevölkerung soll die SARS-CoV-2-Pandemie beenden. Denn Impfstoffe schützen nicht nur den Einzelnen vor der Erkrankung, sie reduzieren auch die Verbreitung des Erregers.
Alle Impfstoffkandidaten gegen das neue Coronavirus, die sich in Phase III der klinischen Entwicklung befinden und damit kurz vor der Zulassung stehen oder diese bereits erhalten haben, werden in den Muskel gespritzt. Die intramuskuläre Applikation ruft eine systemische Immunantwort hervor. Diese Impfstoffe können nach bisherigen Daten Covid-19-Erkrankungen effektiv verhindern, aber nicht vollständig eine Infektion vermeiden. Sie bieten also keinen »sterilen Schutz«. Bis zu einem gewissen Maß könnten Geimpfte das Virus doch noch übertragen.
Der Grund hierfür ist, dass SARS-CoV-2 hauptsächlich über die Schleimhäute von Mund, Nase und Rachen eintritt. Und diese Schleimhäute haben ein eigenes spezielles Immunsystem (Kasten). Um vor einer Infektion mit dem Erreger vollständig zu schützen, müssten Impfstoffe dieses ortsständige Immunsystem so aktivieren, dass die Viren beim ersten Kontakt mit den Schleimhäuten beseitigt werden. Mit den intramuskulären Impfstoffen gelingt dies nicht in ausreichendem Maß: Sie induzieren zwar eine starke systemische Immunantwort, aber keinen ausreichenden Schleimhautschutz. Daher arbeiten verschiedene Teams an einem anderen Ansatz, nämlich an nasal oder oral zu applizierenden Impfstoffen. Diese sollen dem Virus quasi die Tür vor der Nase zumachen.
Als erste Abwehrlinie gegen Pathogene haben die Schleimhäute ein eigenes Immunsystem, das als Mukosa-assoziiertes lymphatisches Gewebe (MALT) bezeichnet wird. Es besteht aus verschiedenen Kompartimenten, darunter die Peyer-Plaques im Dünndarm, der Wurmfortsatz des Blinddarms (Appendix vermiformis) und die Mandeln. Dabei gibt es immuninduktive Regionen, die Antigene erkennen, und Effektor-Regionen, die die entsprechenden Reaktionen darauf auslösen.
Von außen eindringende Antigene werden durch sogenannte M-Zellen in der Schleimhaut absorbiert und zu den Lymphfollikeln des MALT transportiert. Die Antigene werden dort von spezialisierten Zellen den T- und B-Lymphozyten präsentiert, die daraufhin Immunreaktionen starten. Sekretorisches IgA, das von der Schleimhaut abgesondert wird, ist die Hauptwaffe des MALT.
Das ortsständige Immunsystem hat neben der Pathogenabwehr auch die Aufgabe, Toxine zu neutralisieren und unangemessene systemische Immunreaktionen auf fremde Antigene zu verhindern.
Das Virus SARS-CoV-2 hat unsere Welt verändert. Seit Ende 2019 verbreitet sich der Erreger von Covid-19 und stellt die Wissenschaft vor enorme Herausforderungen. Sie hat sie angenommen und rasch Tests und Impfungen, auch für Kinder, entwickelt. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronavirus.