Corona-Herbstwelle deutet sich mancherorts an |
Was sich keiner wünscht, ist ein weiterer Lockdown im Herbst oder Winter. / Foto: Getty Images/Basak Gurbuz Derman
Der Virologe Professor Dr. Christian Drosten hält die derzeitige Beruhigung der bundesweiten Corona-Infektionszahlen für ein vorübergehendes Phänomen. Es sei schon zu sehen, dass in ostdeutschen Bundesländern die Inzidenz offenbar unabhängig vom Ferienende wieder Fahrt aufnehme. «Ich denke, da deutet sich jetzt die Herbst- und Winterwelle an, die wir im Oktober wohl wieder sehen werden», sagte der Wissenschaftler von der Berliner Charité am Dienstagabend in einem Auszug aus dem Podcast «Coronavirus-Update» bei NDR-Info.
Die Infektionslage ist nach Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) nach einem leichten Rückgang derzeit relativ stabil. So gab das RKI die 7-Tage-Inzidenz am Mittwoch mit 61,0 an (Vortag: 60,3; Vorwoche: 65,0; Vormonat: 74,1). Auch bei der Hospitalisierungsinzidenz, dem für eine mögliche Verschärfung der Corona-Beschränkungen wichtigsten Parameter, tut sich wenig. Sie lag am Mittwoch bei 1,60 Klinikeinweisungen pro 100.000 Einwohner und Woche (Vortag 1,54), und damit um 0,05 niedriger als der Vergleichswert der Vorwoche. Die Gesundheitsämter in Deutschland meldeten dem RKI binnen eines Tages 11.780 Corona-Neuinfektionen. Vor einer Woche hatte der Wert bei 10.454 Ansteckungen gelegen. Deutschlandweit wurden den neuen Angaben zufolge binnen 24 Stunden 67 Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 71 Todesfälle.
Der Anstieg der Infektions-Inzidenz bis Anfang September sei insbesondere auf das Testen an Schulen nach Ende der Sommerferien und eingeschleppte Fälle zurückzuführen gewesen – und war nach Drostens Einschätzung noch nicht unbedingt der Beginn der Winterwelle. Angesichts der gegenwärtigen Quote von 64,3 Prozent (Stand 29.9.) vollständig Geimpfter in der Bevölkerung gehe er in diesem Jahr von deren Losrollen zu einem Zeitpunkt wie im Vorjahr aus, sagte der Corona-Experte dem Sender. Damals sei es in der zweiten Oktoberhälfte eindeutig gewesen, «dass wir wieder in einen exponentiellen Anstieg gehen».
Das Schließen der Impflücken müsse gesamtgesellschaftliches Ziel sein, betonte Drosten weiter. Es gelte, noch Ungeimpfte zu überzeugen oder anderweitig dazu zu bringen, sich impfen zu lassen. Dies sei keine wissenschaftliche Aufgabe mehr, sondern eine politische. Den derzeitigen Impffortschritt wertete der Virologe als unzureichend. «Die Zahlen sehen übel aus.» Dänemark etwa sei in einer deutlich besseren Position als Deutschland.
Drosten verwies zwar auf die Unsicherheit, dass sich hierzulande möglicherweise bereits mehr Menschen impfen ließen als bislang im Meldesystem erfasst. Dies sei im Moment eine «schöne Hoffnung», dürfe aber nicht Basis für Entscheidungen und Planungen sein.
Eine vorbeugende Anwendung monoklonaler Antikörper als passive Immunisierung bei hoch gefährdeten Patienten sei denkbar. «Aber das ist alles keine Lösung, die man allgemein empfehlen würde», so Drosten. «Und das ist in Konkurrenz zur Impfung einfach immer die schlechtere Lösung.»
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