Brustkrebs-Screening nun doch auch für Ältere |
Annette Rößler |
29.07.2022 14:00 Uhr |
70 ist das neue 60 – so könnte man die Einschätzung des IQWiG mit Blick auf das Brustkrebs-Screening grob vereinfacht zusammenfassen. / Foto: Getty Images/Willie B. Thomas
Im Rahmen des Mammografie-Screening-Programms erhalten in Deutschland momentan Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren regelmäßig alle zwei Jahre das Angebot einer Mammografie zur Früherkennung von Brustkrebs. Derzeit wird diskutiert, diese Altersgrenzen auszuweiten. Dabei gilt es, den möglichen Nutzen des Screenings durch frühzeitig erkannte, dadurch besser behandelbare Krebserkrankungen und so letztlich gerettete Leben gegen den möglichen Schaden durch falsch-positive Befunde und damit verbundenes Leid der Betroffenen aufgrund von Verunsicherung und notweniger weiterführender Diagnostik abzuwägen.
Eine Leitlinie der EU-Kommission empfiehlt das Screening seit 2021 für Frauen zwischen 45 und 74 Jahren. Das IQWiG hat diese Empfehlung geprüft und spricht sich in seinem Abschlussbericht jetzt dafür aus, sie zu übernehmen. Künftig soll also auch hierzulande das Screening jüngeren und älteren Frauen als bisher angeboten werden.
Diese Empfehlung ist insofern bemerkenswert, als das IQWiG noch im März dieses Jahres in seinem Vorbericht die Ausweitung lediglich auf die jüngere Altersgruppe befürwortete, nicht jedoch auf die ältere. Zur Begründung heißt es, man interpretiere die Datenlage »nach intensiver Auseinandersetzung mit den zum Vorbericht eingegangenen Stellungnahmen« nun anders. Allerdings sei die Evidenz für den Nutzen des Screenings bei älteren Frauen schwächer als bei jüngeren und der brustkrebsspezifische Überlebensvorteil falle bei 70- bis 74-Jährigen wohl etwas kleiner aus.
Mit ausschlaggebend für den Meinungswandel war wohl auch, dass die maßgebliche Studie bereits etwa 40 Jahre alt ist und sich die restliche Lebenserwartung 70-jähriger Frauen seitdem erhöht hat. Es sei plausibel anzunehmen, »dass 65- bis 69-jährige Frauen in den 1980er-Jahren in Gesundheitszustand und Lebenserwartung heutigen 70- bis 74-jährigen Frauen entsprechen«, sagte IQWiG-Chef Professor Dr. Jürgen Windeler. Somit lasse sich der belegte positive Effekt des Screenings bei den damals 60- bis 69-Jährigen im Wesentlichen auf heute 70- bis 74-Jährige übertragen.
Adressat des IQWiG-Abschlussberichts ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA), der nun entscheidet, ob er die Empfehlung übernimmt. Dies tut er meistens, aber nicht immer. Da es sich bei der Mammografie um eine Untersuchung mit Röntgenstrahlen handelt, muss auch noch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz zustimmen. In dessen Auftrag prüft derzeit das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) die Fragestellung.