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Behörde prognostiziert

BQ.1 könnte dominante Corona-Variante werden

Die stark immunevasive Omikron-Sublinie BQ.1 mit ihrem Abkömmling BQ.1.1 könnte Mitte November bereits die Hälfte aller Coronainfektionen in Europa ausmachen und im kommenden Jahr die klar dominante Variante sein. Das teilt die europäische Gesundheitsbehörde ECDC mit.
Christina Hohmann-Jeddi
27.10.2022  09:00 Uhr

Die europäische Seuchenschutzbehörde ECDC hat BQ.1 zusammen mit ihren Sublinien am 20. Oktober als eine Variante von Interesse (VOI) eingestuft. Modellierungen zufolge könnte sie Anfang des kommenden Jahres schon für 80 Prozent der Covid-19-Fälle verantwortlich sein, heißt es in einer Mitteilung der ECDC.  Die Zunahme der Wachstumsrate liege vermutlich in dem starken Immunfluchtpotenzial von BQ.1/BQ.1.1 begründet. Die Variante könne in den kommenden Wochen und Monaten zu einer Zunahme von Covid-19-Fällen in der EU führen. Die Mitgliedsländer der EU sollten die Verbreitung von BQ.1/BQ.1.1 aufmerksam beobachten, rät die ECDC.

Den höchsten Anteil hat die Variante derzeit in Frankreich, wo sie in der Kalenderwoche (KW) 40 etwa 19 Prozent der Infektionen ausmachte, gefolgt von Belgien (9 Prozent), Irland (7 Prozent), den Niederlanden (6 Prozent) und Italien (5 Prozent). In Deutschland ist laut Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) der Anteil der Sublinien BQ.1/BQ.1.1 in den vergangenen Wochen angestiegen. In der KW 40 machten BQ.1 etwa 1,4 Prozent und BQ.1.1 etwa 1,8 Prozent der Genomsequenzen in der RKI-Stichprobe aus.

»BQ.1 und BQ.1.1 leiten sich von der BA.5-Linie BE.1.1 ab und zeichnen sich durch zusätzliche Aminosäureaustausche im Spike-Protein aus (BQ.1: N460K; BQ1.1: N460K, R346T)«, schreibt das RKIin seinem Wochenbericht vom 20. Oktober. Auch zwei weitere Abkömmlinge von BA.4/5, nämlich BA.7 und BA.4.6, hätten in Deutschland zugenommen, berichtet das RKI.

Eigenschaften von BQ.1/BQ.1.1

Laut ECDC finden sich derzeit keine Hinweise darauf, dass BQ.1/BQ.1.1 pathogener sein könnten als BA.5. Die Immunflucht scheint aber ausgeprägt. Einem aktuellen Preprint zufolge gehört BQ.1.1 zusammen mit XBB zu den immunevasivsten Coronavarianten überhaupt – sie können Antikörperantworten in einem deutlich höheren Ausmaß ausweichen als BA.5 und erreichen dabei etwa das Level von SARS-CoV-1, also dem Erreger des SARS-Ausbruchs in den Jahren 2002/2003.

Wie das Team um Professor Dr. Yunlong Cao von der Universität Peking auf der Plattform »Biorxiv« berichtet, konnten die Seren von dreifach geimpften Personen, die zudem eine Omikron-Durchbruchinfektion mit BA.1, BA.2 oder BA.5 durchgemacht hatten, in Neutralisationstests BQ.1 um den Faktor 3,8 und BQ.1.1 um den Faktor 6,7 schlechter neutralisieren als BA.5.

In derselben Publikation konnten die Forschenden auch zeigen, dass BQ.1 gegen mehr therapeutische Antikörper resistent ist als BA.5 – nämlich zusätzlich gegen Tixagevimab und Cilgavimab (Evusheld®) sowie Bebtelovimab. Die Wirksamkeit von Paxlovid™ sei bei BQ.1/BQ.1.1-Infektionen aber nicht reduziert.

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