Biontechs und Modernas Impfstoffe im Vergleich |
Theo Dingermann |
04.01.2021 15:48 Uhr |
Impfstoff ist nicht gleich Impfstoff, das gilt erst recht für die Covid-19-Vakzinen. Hier müssen Fachleute genauer hinschauen (Symbolbild). / Foto: Getty Images/Tang Ming Tung
Am 30. Dezember 2020 erschien im »New England Journal of Medicine« die Publikation der Phase-III-Studie zum Impfstoff mRNA-1273 der US-Firma Moderna. Nachdem bereits kürzlich die entsprechende Studie zu Comirnaty®, dem mRNA-Impfstoff Tozinameran (BNT162b2) der Firmen Biontech und Pfizer erschienen war, lassen sich die beiden Impfstoffe miteinander vergleichen.
Über die Details von Biontechs Comirnaty, der kurz vor Weihnachten in der EU zugelassen wurde, hatte die Pharmazeutische Zeitung bereits berichtet. Jetzt sind im »New England Journal of Medicine« (NEJM) auch die Daten der Phase-III-Studie zum Moderna-Impfstoff Covid-19 Vaccine (mRNA-1273) publiziert worden. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ist bereits heute statt wie ursprünglich geplant am 6. Januar zusammengekommen, um über die Zulassung der Moderna-Vakzine zu beraten. Damit wird eine EU-Zulassung in den nächsten Tagen möglich.
Grundlage für unseren Vergleich sind die »Research Summaries«, die das NEJM bei einigen Artikeln mitpubliziert hat. Abgesehen davon, dass in die beiden Studien unterschiedlich viele Probanden eingeschlossen waren und dass der Moderna-Impfstoff bei Probanden ab 18 Jahren, der Biontech/Pfizer-Impfstoff hingegen bei Probanden ab 16 Jahren getestet wurde, ist das Outcome der beiden Studien sehr gut vergleichbar.
In die Moderna-Studie waren 30.420 Personen ab einem Alter von 18 Jahren eingeschlossen. Diese erhielten zwei intramuskuläre Injektionen entweder des Impfstoffs oder eines Placebos im Abstand von 28 Tagen. Die Effizienz des Impfstoffs nach abgeschlossener Impfreihe wurde mit 94,1 Prozent errechnet. Nach der zweiten Dosis wurden die Probanden im Median über einen Zeitraum von zwei Monaten nachbeobachtet.
Hinsichtlich der Wirksamkeit konnte bereits 14 Tage nach der ersten Dosis eine geringere Inzidenz von Covid-19 bei denjenigen festgestellt werden, die die mRNA-1273-Vakzine erhalten hatten, verglichen mit den Personen der Placebogruppe. Zudem blieb der Impfschutz über den gesamten Zeitraum der Nachbeobachtung bestehen.
Bei den Probanden, die den mRNA-1273-Impfstoff erhielten, traten häufiger lokale Reaktionen (wie Schmerzen, Erytheme, Schwellungen) an der Einstichstelle und systemische Reaktionen (wie Kopfschmerzen, Müdigkeit, Myalgie) auf als bei den Probanden, die ein Placebo erhalten hatten. Die meisten Reaktionen waren leicht bis mittelschwer und klangen nach ein bis drei Tagen ab.
Die Research Summary schließt mit dem Abschnitt »Limitationen und verbleibende Fragen«. Danach merken die Autoren der Studie an, dass weitere Studien erforderlich sind, um Folgendes näher zu verstehen:
Als Zusammenfassung findet man zum Biontech/Pfizer-Impfstoff die folgenden Informationen: In der zulassungsrelevanten Phase-III-Studie wurde 43.548 Personen im Alter ab 16 Jahren entweder der Impfstoff oder ein Placebo an den Tagen 0 und 21 verabreicht. Die Wirksamkeit des Impfstoffs nach zwei Dosen wurde mit 95 Prozent berechnet. Ähnlich wie im Falle des Moderna-Impfstoffs wurden auch die Teilnehmer der Comirnaty-Studie hinsichtlich der Sicherheit und der Entwicklung von symptomatischem Covid-19 im Median über zwei Monate nachbeobachtet.
Hinsichtlich der Wirksamkeit berichten die Autoren, dass der Impfstoff zwölf Tage nach der ersten Dosis bereits einen gewissen frühen Schutz bietet. Sieben Tage nach der zweiten Dosis wurde eine 95-prozentige Wirksamkeit beobachtet.
Lokale Reaktionen (wie Schmerzen, Erytheme, Schwellungen) und systemische Reaktionen (wie Fieber, Kopfschmerzen, Myalgien) traten erwartungsgemäß häufiger bei den mit BNT162b2 Geimpften auf als bei denjenigen, die ein Placebo erhalten hatten. Die meisten Reaktionen, die häufiger nach der zweiten Dosis als nach der ersten Dosis beobachtet wurden, wurden als leicht bis mittelschwer eingestuft und klangen schnell ab.
Auch in diesem Fall äußern sich die Autoren zu Notwendigkeit weiterer Studien, um folgende offenen Fragen zu verstehen:
Im Abschnitt »Wirksamkeit« publizieren beide Autorenkollektive auch Zahlen zur Wirksamkeit ihres Impfstoffs nach der ersten Dosis. Hier ist für den Biontech/Pfizer-Impfstoff ausgeführt, dass in der BNT162b2-Gruppe 39 Fälle und in der Placebo-Gruppe 82 Fälle von Covid-19 beobachtet wurden. Daraus errechnen die Autoren eine Impfstoffwirksamkeit von 52 Prozent bereits zwölf Tage nach der ersten Dosis.
Die Autoren der Moderna-Studie schreiben zu der Frage, wie effizient der Impfstoff bereits nach der ersten Dosis ist, dass diesbezüglich elf Fälle in der Gruppe beobachtet wurden, die mRNA-1273 erhalten hatte, im Vergleich zu 225 Fällen in der Placebogruppe. Daraus errechnet sich eine Wirksamkeit des Impfstoffs von 95,2 Prozent.
Allerdings bezieht sich die Wirksamkeit nach der ersten Dosis in beiden Studien auf unterschiedliche Zeiträume. Beim Moderna-Impfstoff werden nur die Fälle ab Tag 14 nach der ersten Dosis gezählt und dann weiter kumulativ bis zum Ende der Studie (also inklusive zweiter Dosis), während sich die Biontech/Pfizer-Zahlen auf den Zeitraum zwischen direkt nach der ersten Dosis (ab Tag 1, also vor jeglichem Eintritt einer Wirkung) bis vor der zweiten Dosis beziehen.
Um einen akkuraten Vergleich der beiden Impfstoffe anzustellen, müssen natürlich die gleichen Zeitintervalle oder auch die gesamte modifizierte Intention-to-Treat-Analyse (mITT) nach der ersten Dosis der beiden Impfstoffe verglichen werden. Hierbei scheinen die beiden Impfstoffe sich wieder kaum zu unterscheiden: 80 Prozent zu 82 Prozent Schutzwirkung in der mITT.
Zieht man die Briefing-Dokumente der US-Arzneimittelbehörde FDA zu dem Moderna-Impfstoff (Seite 28 Tabelle 15) und dem Impfstoff der Unternehmen Biontech und Pfizer (Seite 32 Tabelle 13) zu Rate, so kann man die Wirksamkeiten beider Impfstoffe in der Tagen 1 bis 14 nach der ersten Dosis kalkulieren. Diese betragen für den Moderna-Impfstoff 50,8 Prozent (»after dose 1 to 14 days after dose 1«) und für den Biontech/Pfizer-Impfstoff 52,4 Prozent (»after Dose 1 to before Dose 2«).
Diese Daten sind relevant angesichts der Diskussion um eine verzögerte Verabreichung der zweiten Impfdosis, um zunächst mehr Menschen impfen zu können. Es sei allerdings ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Analysen in keiner der beiden Studien als primärer Endpunkt definiert war und deshalb vorsichtig zu bewerten sind. Zum anderen erlauben sie nur eine Schätzung der Effizienz für die ersten 14 Tage nach der ersten Impfung. Da jedoch alle Probanden eine zweite Dosis erhielten, kann man bestenfalls mutmaßen, mit welcher Wirksamkeiten man nach nur einer einzigen Dosis und nach einem längeren Beobachtungszeitraum rechnen kann.
Während Biontech/Pfizers Impfstoff nach aktuellem Wissenstand bei -70 °C gelagert und transportiert werden muss, bevor das aufgetaute Konzentrat noch verdünnt wird, liegt Modernas Vakzine bereits in der endgültigen Konzentration vor und wird bei -25 bis -15 °C distribuiert. Aufgetaut müssen die Einzeldosen nur noch aus den Mehrdosis-Ampullen entnommen werden. Beides vereinfacht die Logistik und senkt das Fehlerpotenzial.
Es bleibt abzuwarten, ob Biontech und Pfizer demnächst neue Daten zur Haltbarkeit bei höheren Temperaturen präsentieren können.
Die ursprünglich in diesem Artikel publizierte Annahme, dass sich die Wirksamkeit der Impfstoffe nach der ersten Dosis stark unterscheide, ist nicht korrekt. Dieser Fehler beruhte darauf, dass übersehen wurde, dass sich die Wirksamkeit nach der ersten Dosis in beiden Studien auf unterschiedliche Zeiträume bezieht.