Bessere Compliance dank des E-Rezepts? |
Mit dem Handy oder anderweitig können Patienten an die regelmäßige Medikamenteneinnahme erinnert werden. Solche Systeme werden mit der digitalen Verordnung einfacher einzurichten sein. / Foto: Adobe Stock/Goffkein
Geht es um das E-Rezept, standen für Apotheker bislang vor allem mögliche Risiken wie das Makeln von Rezepten im Fokus. Dabei bietet die elektronische Verordnung durchaus auch Chancen. Eine davon ist es, digitale Erinnerungshilfen zu erleichtern und dadurch einen Beitrag zur Verbesserung der Compliance zu leisten. Denn durch das E-Rezept wird perspektivisch eine zügige, vollständige und fehlerfreie Übertragung der Medikation in digitale Hilfsmittel zur Einnahmeerinnerung möglich werden. Bei der Ausgestaltung dieser Systeme sind jedoch zahlreiche Aspekte zu beachten, damit dieses Potenzial nicht verschenkt wird.
Aktuell existiert bereits eine Vielzahl an elektronischen Lösungen zur Erinnerung an die Medikamenteneinnahme, bei denen die Medikamente des Patienten allerdings noch manuell über das Einscannen der Pharmazentralnummern oder eine verblisternde Apotheke erfasst werden. Zum einen gibt es integrierte Systeme, das heißt solche, die die Medikation enthalten und zum Einnahmezeitpunkt bereitstellen. Auf diesen machen die Geräte durch akustische und/oder visuelle Signale aufmerksam. Einige dieser Systeme können Pflegedienste oder Angehörige informieren, wenn die Entnahme nicht innerhalb einer gewissen Zeitspanne erfolgt ist.
Zu den stationären Geräten in dieser Kategorie gehört zum Beispiel das TAB in TIME System, der Lifeline® dispenser von Philips oder das in Deutschland entwickelte Gerät maja sana®, das mit Schlauchblistern arbeitet. Bei einigen dieser Geräte besteht auch die Möglichkeit der Vorabentnahme der Medikation für die Einnahme unterwegs. Neben den stationären Geräten existieren zahlreiche portable integrierte Lösungen, die ebenfalls die Medikation enthalten und eine elektronische Erinnerungsfunktion umfassen, wobei hier dem Umfang der Medikation und der Funktionalität deutlich engere Grenzen gesetzt sind.
Neben den Systemen, die die Medikation physisch beinhalten, steht eine breite Palette an Lösungen mit elektronischer Erinnerungsfunktion zur Verfügung, die von der Medikation selbst entkoppelt sind. Dazu gehören zum Beispiel einfache Timer, Alarme oder Erinnerungen auf der Smartwatch oder dem Smartphone. Erinnerungen per App bieten beispielsweise Anwendungen wie Mediteo, CallMyApo oder Meine Apotheke an.
Mehrere Überblicksarbeiten kommen zu dem Schluss, dass durch elektronische Erinnerungssysteme eine moderate Verbesserung der Compliance möglich ist (siehe Literaturliste), wobei die Verbesserung über die Zeit nachlassen kann und Langzeiteffekte daher schlecht beurteilbar sind. Doch gerade die Ausgestaltung der Erinnerungen scheint alles andere als trivial zu sein. So gibt es in den Untersuchungen eine Diskussion darüber, ob text- beziehungsweise sprachbasierte Nachrichten oder Alarme zu bevorzugen sind. Einige Autoren vertreten die Auffassung, die Erinnerungsfunktion dürfe nicht zu aufdringlich sein, damit die Privatsphäre geschützt bleibe, und solle flexibel einsetzbar sein. Eine Übersichtsstudie kommt zu dem Schluss, dass Erinnerungen, die sich nur an den Patienten richten, weniger wirkungsvoll sind als solche, die Gesundheitsdienstleister des Patienten (Ärzte, Apotheker, Pflegekräfte) mit einbeziehen, wenn beispielsweise die Einnahme einer Dosis vergessen wurde.
Auch die Häufigkeit der Erinnerungen könnte einen maßgeblichen Einfluss auf die Verbesserung der Adhärenz haben. Hier wird beispielsweise argumentiert, dass in bestimmten Konstellationen wöchentliche Erinnerungen zu bevorzugen sind, weil bei häufigeren Erinnerungen ein Gewöhnungseffekt einsetzt, oder dass überhaupt nur erinnert werden sollte, wenn eine Dosis ausgelassen wurde. Schließlich sollten die Botschaften, mit denen erinnert wird, motivierend und aufklärend statt kontrollierend formuliert sein.
Dr. Thomas Schmid ist Apotheker, Master of Business Administration (Stanford University) und Professor für Betriebswirtschaftslehre in der Gesundheitswirtschaft an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Kempten.
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.