Beratungs-Update Obstipation |
Kerstin A. Gräfe |
24.11.2021 07:00 Uhr |
Um bei der Beratung zur Obstipation die Grenzen der Selbstmedikation einhalten zu können, ist es wichtig zu erfragen, wie lange die Beschwerden bereits bestehen. / Foto: Adobe Stock/dusanpetkovic1
Um die Entstehung einer Obstipation ranken sich viele tradierte Überlieferungen, die lange Zeit auch im Studium vermittelt wurden. Im Fokus stand dabei der ursächliche Zusammenhang mit einem Mangel an Flüssigkeit, Bewegung und Ballaststoffen. Diese Sichtweise sei jedoch weder sachgerecht noch zeitgemäß, schreibt Apothekerin Dr. Hiltrud von der Gathen, Recklinghausen, in ihrem Beitrag »Dysbalance im Darm: Selbstmedikation bei Obstipation und Diarrhö« in der Ausgabe 5/2021 der DPhG-Mitgliederzeitschrift »Pharmakon«.
Die S2k-Leitlinie »Chronische Obstipation«, die zurzeit überarbeitet wird, erläutere eindeutig, dass allenfalls Assoziationen vorlägen und es keine Nachweise für eine Kausalität gebe. Zwar triggerten Mangelzustände eine bestehende Obstipation, beheben lasse sie sich durch Beseitigung in den meisten Fällen jedoch nicht.
Besser als der Hinweis »viel trinken« ist zum Beispiel die Empfehlung »ausreichend trinken«. Die Steigerung der Flüssigkeitszufuhr in Form von Getränken über das von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung geforderte Maß von 1,2 bis 1,5 Liter pro Tag hat nicht nur keinen Effekt auf den Stuhlgang, sondern ist bei ärztlich gebotener Flüssigkeitsrestriktion, etwa bei Herz- oder Niereninsuffizienz, sogar kontraproduktiv.
Ebenfalls kritisch ist auch der Hinweis »mehr Bewegung« zu sehen. Zwar kann ein weitgehend sedativer Lebensstil eine Obstipation begünstigen. Untersuchungen haben aber gezeigt, dass selbst eine Stunde Sport pro Tag über sechs Wochen die Verdauung nicht wesentlich beeinflusst. Zu hinterfragen ist auch die Empfehlung vermehrt Ballaststoffe zu verzehren. Zwar zeigen einige Untersuchungen positive Ergebnisse bei adäquater Flüssigkeitszufuhr, betont wird jedoch in den Studien die geringe Adhärenz der Betroffenen.
»Pharmakon« erscheint sechsmal jährlich. Jede Ausgabe hat einen inhaltlichen Schwerpunkt, der aus unterschiedlichen Perspektiven aufbereitet wird. / Foto: Foto: Avoxa
Was heißt das nun für die Beratung in der Offizin? Eine sachgerechte Beratung sollte im Blick haben, Mangelzustände so weit wie möglich auszugleichen, so die Autorin. Eine alleinige Fokussierung darauf sei jedoch nicht nur nicht zielführend, sondern gebe obendrein dem Patienten die »Schuld« an seinen Beschwerden.