Bei Vergiftungen Ja, bei Durchfall Nein |
Annette Rößler |
17.08.2023 07:00 Uhr |
Die Entscheidung für oder gegen eine Gabe von Aktivkohle sollten Ersthelfer aber nicht allein treffen, sondern in Absprache mit einer Giftnotrufzentrale, die telefonisch zurate zu ziehen ist, sobald der Notruf abgesetzt wurde. Nicht alle giftigen Stoffe werden nämlich von Aktivkohle adsorbiert; sie eignet sich nicht zur Adsorption von organischen und anorganischen Salzen und Lösungsmitteln, zum Beispiel Salze von Eisenverbindungen, Lithium, Thallium, Cyanid (Blausäure), Methanol, Ethanol, Ethylenglykol und petroleumhaltige Lösungsmittel. Nach dem Verschlucken dieser Stoffe ist eine Magenspülung zur Beseitigung angezeigt, bei der bereits im Magen befindliche Aktivkohle stören würde. Auch in Fällen, in denen es ein spezifisches, oral zu verabreichendes Antidot gibt, ist die vorherige Gabe von Aktivkohle kontraproduktiv.
Wenn sie indiziert ist, sollte Aktivkohle so schnell wie möglich innerhalb einer Stunde nach dem Verschlucken eines Giftstoffs gegeben werden. Bei einer Überdosierung von Retardpräparaten kann die Gabe auch noch bis zu sechs Stunden danach sinnvoll sein. Eine Kombination mit einem Abführmittel, zum Beispiel Glaubersalz, wie sie früher üblich war, sollte laut Zellner und Kollegen nicht mehr routinemäßig, sondern nur in Absprache mit einem Giftinformationszentrum erfolgen.
In geringerer Dosierung wird Aktivkohle auch bei Durchfall eingesetzt. Empfohlen werden hier etwa in der Fachinformation von Kohle-Compretten für Erwachsene und Jugendliche ab 14 Jahren drei- bis fünfmal täglich 500 bis 1000 mg beziehungsweise für Kinder bis 14 Jahre 250 bis 500 mg. Die Wirkung soll auf der Adsorption von Bakterien, Bakterientoxinen und anderen Giftstoffen beruhen.
Allerdings wird in der S2k-Leitlinie »Gastrointestinale Infektionen« der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) von der Anwendung von Aktivkohle bei akutem infektiösen Durchfall abgeraten (»soll nicht eingesetzt werden«). Es gebe für Kohle und andere »Hausmittel« keine Evidenz in dieser Indikation. Damit wurde die Negativempfehlung in der aktuell noch als Konsultationsfassung vorliegenden Version der Leitlinie verschärft: In der Vorgängerversion hieß es zu Kohle noch, sie »sollte« nicht eingesetzt werden.