Bei Hitze besser kein ASS oder Betablocker? |
Annette Rößler |
01.08.2022 18:00 Uhr |
Eine Datenauswertung hat ergeben, dass Plättchenhemmer und Betablocker das Risiko für hitzebedingte Herzinfarkte erhöhen könnten. Patienten sollten ihre Medikamente jedoch nicht ohne Absprache mit dem Arzt absetzen. / Foto: Getty Images/Silke Enkelmann/EyeEm
Hitze stellt an sich eine Belastung für Herz und Kreislauf dar: Die Blutgefäße stellen sich weit, die Durchblutung der Haut wird erhöht und durch das vermehrte Schwitzen geht Flüssigkeit verloren, sodass das Risiko für Thrombosen steigt. Wie eine Gruppe um Professor Dr. Kai Chen von der Yale School of Public Health im Fachjournal »Nature Cardiovascular Research« ausführt, können Arzneistoffe, die bei kardiovaskulären Erkrankungen gegeben werden, dieses Risiko durch verschiedene Mechanismen erhöhen. So könne die Schweißproduktion und damit die körpereigene Kühlung gedrosselt werden. Darüber hinaus könnten Durstgefühl und Nierenfunktion nachlassen.
Da dies zwar plausible Überlegungen seien, der Einfluss von kardiovaskulären Arzneistoffen auf hitzebedingte Herzinfarkte in Studien aber noch nicht untersucht worden sei, nahm die Gruppe eine retrospektive Auswertung von Daten der KORA-Kohorte (Koorperative Gesundheitsforschung in der Region Augsburg) vor. Beteiligt waren auch Forscher des Helmholtz Zentrums München, das KORA betreut.
Berücksichtigt wurden sämtliche 2494 Patienten, die in den Jahren 2001 bis 2014 in der Region Augsburg in der warmen Jahreszeit (Mai bis September) einen nicht tödlichen Herzinfarkts erlitten hatten. Die Forscher korrelierten die Fälle mit meteorologischen Aufzeichnungen und Angaben zur Medikation der Patienten. Vor dem Herzinfarkt hatten 32 Prozent von ihnen einen ACE-Hemmer angewendet, 37 Prozent einen Betablocker, 16 Prozent einen Calciumantagonisten, 23 Prozent ein Diuretikum und 24 Prozent ein Statin.
Es stellte sich heraus, dass das Herzinfarktrisiko bei Patienten unter plättchenhemmender Therapie und/oder Betablocker-Einnahme an den heißesten gegenüber kühleren Tagen signifikant erhöht war (Odds Ratio für Plättchenhemmer: 1,63, für Betablocker: 1,65, für Kombination aus beidem: 1,75). Bei Patienten, die diese Medikamente nicht anwendeten, war das dagegen nicht der Fall.
Bei jüngeren Patienten zwischen 25 und 59 Jahren war der arzneimittelassoziierte Risikoanstieg deutlicher als bei älteren Patienten zwischen 60 und 74 Jahren. Dies spricht aus Sicht der Autoren dafür, dass hier tatsächlich ein kausaler Zusammenhang vorliegt, da Jüngere seltener eine vorbestehende koronare Herzerkrankung haben, was einen möglicher Grund für Verzerrung wäre. Allerdings betonen sie auch, dass ein Kausalzusammenhang aufgrund des Studiendesigns nicht hergestellt werden könne, weshalb weitere Forschung notwendig sei.
Nichtsdestotrotz weisen sie auf frühere Studienergebnisse hin, die mögliche Mechanismen für nachteilige Effekte des Plättchenhemmers Acetylsalicylsäure (ASS) beziehungsweise von Betablockern bei Hitze andeuten. So habe ASS in einer doppelblinden Crossoverstudie bei Probanden, die passivem Hitzestress ausgesetzt wurden, die Körperkerntemperatur erhöht. Für Betablocker habe gezeigt werden können, dass sie die Vasodilatation von Hautgefäßen unterbinden, sodass Wärme schlechter abgeleitet werden könne. Gleichzeitig könnten Betablocker den blutdrucksenkenden Effekt anderer Antihypertensiva verstärken, was bei Hitze ebenfalls nachteilig sei.
Unter dem Strich bietet die Arbeit einen ersten Anhaltspunkt, dass bei Hitze bestimmte Arzneistoffe weniger empfehlenswert sein könnten als andere. Dies ist jedoch zunächst nur eine Theorie, die anhand weiterer Daten bestätigt oder entkräftet werden kann. Keinesfalls sollten Patienten nun vorschnell eine bestehende Medikation absetzen oder ändern, ohne dies mit ihrem behandelnden Arzt besprochen zu haben.