Bei Diabetes ein häufiges Problem |
Christina Hohmann-Jeddi |
06.12.2018 13:26 Uhr |
Anhand der Kombination von bestimmten Laborwerten kann der Grad der Leberfibrose beurteilt werden. Foto: Fotolia/jarun011
Nicht-alkoholische Fettleber (NAFLD) ist eine der häufigsten chronischen Leber-Erkrankungen in Industrienationen. Hier ist etwa ein Drittel der erwachsenen Bevölkerung betroffen. Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2D) ist sie noch deutlich häufiger: Hier weisen etwa 70 Prozent eine Fettleber auf, berichtete Professor Dr. Jörg Bojunga vom Universitätsklinikum Frankfurt am Main auf der gemeinsamen Tagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und der Deutschen Adipositas Gesellschaft (DAG) in Wiesbaden. Typ-1-Diabetiker sind seltener betroffen, von ihnen weisen etwa 40 Prozent eine Fettleber auf.
Eine NAFLD kann bei zunehmender Leberverfettung in eine Hepatitis übergehen, die als nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) bezeichnet wird. Im weiteren Verlauf kann es zu einer Fibrose und Zirrhose des Organs kommen. 40 Prozent der Diabetes-Patienten haben bereits eine Fibrose. »Das ist ein relevantes klinisches Problem«, so Bojunga. Im vergangenen Jahr wurden in den USA erstmals mehr Lebertransplantationen aufgrund einer Fettleber vorgenommen als aufgrund von viralen Hepatitiden, auch weil sich Hepatitis C inzwischen gut behandeln lässt.
Andersherum geht eine Fettleber auch häufig einem Diabetes voraus, so Bojunga. »Es ist sinnvoll, bei einem Fettleber-Nachweis auch nach einen Diabetes mellitus und Lipidstoffwechselstörungen zu schauen.« Liegen eine Fettleber und eine Diabetes-Erkrankung vor, ist das kardiovaskuläre Risiko stark erhöht. »Bei einer einfachen Fettleber ist die Mortalität nicht wegen der Leber-, sondern wegen der kardiovaskulären Problematik erhöht«, berichtete der Mediziner. Entwickelt sich aus der Fettleber aber eine Fibrose, dann ist die Mortalität aufgrund der Lebererkrankung erhöht.
Besonders gefährlich ist das hepatozelluläre Karzinom (HCC), das sich aus einer Fibrose entwickeln kann. Während das HCC aufgrund einer Fettleber selten war, sei es heute deutlich verbreiteter. »Das Thema wird uns in Zukunft stark beschäftigen«, so der Diabetologe. Dabei ist das HCC-Risiko für Patienten mit T2D etwa 2,5-fach gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt erhöht. »Je länger der Diabetes besteht, desto höher ist das Risiko für das Karzinom.« Anders als bei Virushepatitiden seien Patienten mit Fettlebererkrankung schon gefährdet, bevor eine Zirrhose auftritt.
Wie lässt sich das HCC-Risiko bei Diabetikern senken? Studien zufolge haben die verschiedenen Antidiabetika unterschiedliche Effekte auf die Lebergesundheit. So sollte bei Typ-2-Diabetikern eine Insulintherapie erst spät eingesetzt werden, da diese Studien zufolge mit einem erhöhten HCC-Risiko assoziiert ist. Eine Kausalität sei noch nicht bewiesen, sagte Bojunga, aber naheliegend. Metformin dagegen senkt das HCC-Risiko bei mehrjähriger Anwendung, in etwa auf das Niveau von Menschen ohne Diabetes.
GLP-1-Rezeptor-Agonisten scheinen die Fettbildung in der Leber zu verringern. In der Phase-2-Studie LEAN wurde an übergewichtigen NASH-Patienten die Wirksamkeit des GLP-1-Agonisten Liraglutid untersucht. Dabei kam es unter der Substanz bei signifikant mehr Patienten zu einer Resolution der NASH im Vergleich zu Placebo, nämlich bei 39 versus 9 Prozent.
Die DPP-4-Inhibitoren (Gliptine) scheinen sich bezüglich der Lebergesundheit neutral zu verhalten, berichtete Bojunga. Von den SGLT2-Inhibitoren liegen noch nicht viele Daten vor. In einer schwedischen Studie wurde der Effekt von Dapagliflozin (10 mg/d) allein oder in Kombination mit Omega-3-Fettsäure (4 mg/d) bei Patienten mit T2D und NAFLD untersucht. Unter der Kombination sank der Fettanteil im Lebergewebe deutlich, unter der Monotherapie verbesserten sich alle gemessenen Leberwerte.
Dürfen Statine bei Lebererkrankungen eingesetzt werden? Viele Ärzte sagen nein, berichtete Bojunga. Dabei haben die Substanzen einen positiven Effekt auf die Lebergesundheit. So senken Statine signifikant das HCC-Risiko, wie eine koreanische Untersuchung zeigt. In dieser hatten Personen, die Statine einnahmen, im Vergleich zu denen, die keine einnahmen, ein deutlich reduziertes HCC-Risiko (Odds Ration 0,44). Das traf sowohl auf Personen mit T2D zu (Odds Ratio 0,28), als auch auf Personen ohne die Stoffwechselerkrankung (Odds Ratio 0,53). »Der Effekt von Statinen ist enorm«, sagte der Mediziner. Bei anderen Lebererkrankungen wäre der Einsatz mittlerweile schon Standard. Statine würden bei Patienten mit Fettleber häufig abgesetzt, dabei sei sie »die Indikation, nicht die Kontraindikation«.
Auch ASS scheint das HCC-Risiko zu senken. Bojunga zitierte hierzu eine Kohortenstudie, die im Oktober im Fachjournal »JAMA« erschien. Demnach sinkt das Risiko für das Leberkarzinom um die Hälfte, wenn Personen mindestens zweimal pro Woche eine Standarddosis von 325 mg einnahmen. Der beobachtete Effekt war dauer- und dosisabhängig und begann bei einer Einnahme von mindestens fünf Jahren.
In den aktuellen Diabetes-Leitlinien seien schon die kardiovaskulären Outcome-Studien von verschiedenen Antidiabetika aufgenommen und substanzspezifische Empfehlungen für Patienten mit erhöhtem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen ausgesprochen worden. Entsprechende substanzspezifische Empfehlungen wünscht sich Bojunga auch für Diabetiker mit Lebererkrankung. Hierfür seien aber noch mehr Studien nötig.
Einer Fettleber lässt sich auch effektiv durch Lebensstilinterventionen therapieren. Zu empfehlen ist hier vor allem eine Gewichtsreduktion von etwa 5 bis 7 Prozent des Körpergewichts. Durch eine Reduktion von mehr als 10 Prozent lässt sich sogar eine bestehende Fibrose verbessern oder sogar ausheilen. Bojunga riet außerdem zu einer Ernährungsumstellung, wobei komplexe Kohlenhydrate bevorzugt und Einfachzucker, vor allem Fructose, gemieden werden sollte. Dabei sei es nicht gut, viele kleine Mahlzeiten über den Tag aufzunehmen, stattdessen sollten die Nüchternphasen ausgedehnt werden. Zu empfehlen sei eine verlängerte Nüchternphase von 12 bis 16 Stunden über Nacht.