Austausch von L-Thyroxin doch kein Problem? |
Annette Rößler |
04.03.2022 14:30 Uhr |
Die Schilddrüse reagiert überaus empfindlich auf Schwankungen des L-Thyroxin-Spiegels. Deshalb sind entsprechende Präparate in Deutschland von der Austauschpflicht ausgenommen. / Foto: Adobe Stock/Axel Kock
L-Thyroxin gehörte zu den ersten Wirkstoffen, die der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) 2014 auf die sogenannte Austausch-Verbotsliste setzte. Diese ist auch als Substitutionsausschlussliste oder Aut-idem-Liste bekannt und umfasst Wirkstoffe inklusive Darreichungsformen, die von der generischen Austauschpflicht im Rahmen von Rabattverträgen ausgenommen sind. Im Allgemeinen landen Wirkstoffe auf dieser Liste, deren therapeutische Breite so gering ist, dass bei den infolge eines Präparatewechsels zu erwartenden Schwankungen im Wirkspiegel negative Konsequenzen für den Patienten zu erwarten wären.
Dass das für L-Thyroxin-Generika jedoch womöglich gar nicht zutrifft, legt jetzt eine im Fachjournal »JAMA Internal Medicine« erschienene Arbeit nahe (DOI: 10.1001/jamainternmed.2022.0045). Forscher um Dr. Juan P. Brito von der Mayo Clinic in Rochester, Minnesota, untersuchten darin, wie sich der Wechsel zwischen verschiedenen L-Thyroxin-Generika auf den Spiegel des Schilddrüsenhormons TSH auswirkt. Sie verglichen dafür 2780 Patienten, bei denen ein solcher Wechsel im Beobachtungszeitraum zwischen Dezember 2019 und November 2021 vorgekommen war (»Switcher«), mit ebenso vielen gematchten Kontrollen, die die ganze Zeit über jeweils dasselbe Schilddrüsenpräparat erhalten hatten (»Nicht-Switcher«).
Normale TSH-Spiegel, also Werte zwischen 0,3 und 4,4 mU/l, hatten 84,5 Prozent der Switcher (2348 Patienten) und 82,7 Prozent der Nicht-Switcher (2298 Patienten). Dieser Unterschied war nicht signifikant. Im Durchschnitt war der TSH-Spiegel in beiden Gruppen genau gleich hoch (2,7 mU/l). Stark von der Norm abweichende TSH-Spiegel, nämlich Werte < 0,1 oder > 10,0 mU/l, waren bei 69 Switchern (2,5 Prozent) und bei 87 Nicht-Switchern (3,1 Prozent) zu verzeichnen. Bestimmt wurde der TSH-Spiegel im Zeitraum zwischen sechs Wochen und zwölf Monaten nach einem möglichen Wechsel des L-Thyroxin-Generikums, bei den Switchern durchschnittlich nach 157 Tagen.
Der Wechsel zwischen verschiedenen L-Thyroxin-Generika gehe laut dieser Studie nicht mit klinisch bedeutsamen Schwankungen im TSH-Spiegel einher, lautet das Fazit der Autoren. Das widerspreche der – auch in den USA – geltenden Empfehlung, Schilddrüsen-Präparate nicht auszutauschen, um den Spiegel möglichst konstant zu halten. In der Tat lässt das Ergebnis Zweifel daran aufkommen, ob das Substitutionsverbot bei diesem Wirkstoff pharmakokinetisch gerechtfertigt ist.
Es handelt sich allerdings zunächst nur um einen Hinweis in diese Richtung, der in weiteren, größeren Studien bestätigt werden müsste. Dabei sollte der TSH-Spiegel dann auch mehrfach und in kürzerem zeitlichen Abstand nach einem Präparatewechsel bestimmt werden. Sollte das Austausch-Verbot für L-Thyroxin-Präparate ernsthaft infrage gestellt werden, müsste sicherlich auch bedacht werden, dass die Adhärenz bei solchen Umstellungen in der Regel schlechter wird. Für Patienten, die aufgrund von Lieferengpässen das Präparat wechseln müssen, kann das Studienergebnis aber zur Beruhigung dienen: Ihnen können Apotheker im Beratungsgespräch die Angst nehmen, dass der Switch ihren TSH-Spiegel nachhaltig durcheinanderbringt.