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Genpool

Mäuse, Menschen und Fliegen

17.12.2014  09:41 Uhr

Von Daniel Rücker / Es liegt in der Natur der Sache, dass die Pharmazeutische Zeitung im Wesentlichen über Menschen und deren Krankheiten berichtet. Immer im eigenen Saft zu schmoren, ist uns dann aber doch zu wenig. Ein Blick in die Tierwelt offenbart: Von unseren Mitkreaturen sind wir oft nur ein paar Gene weit entfernt. Ein bisschen Demut ist deshalb angebracht – in der Weihnachtszeit erst recht.

Der Zusammenhang erscheint unwahrscheinlich, dass Männer kognitiv profitieren, wenn zu wenige kopulationsbereite Frauen zur Wahl stehen. Tatsächlich ist dies wissenschaftlich bewiesen, auch wenn die Probanden nicht Individuen der Spezies Homo sapiens waren, sondern nur nahe Verwandte: Drosophila melanogaster, vulgo die Frucht- oder Taufliege.

 

Wissenschaftler von der Universität in Lausanne haben herausgefunden, dass Fliegenmännchen ihre Hirnleistung steigern, wenn mehr Männchen als Weibchen in einem Glaskäfig eingeschlossen sind. Die Anwesenheit von Nebenbuhlern bei der Paarung lässt ihre kognitiven Fähigkeiten steigen. Konkurrenz belebt nicht nur das Geschäft, sondern auch die spärlich vorhandenen Neuronen der Fliegenmänner. Kommt jedes Männchen zum Zug, weil es Weibchen im Überfluss gibt, verharren die Hautflügler in ihrer naturgegebenen Beschränktheit. Stellten die Wissenschaftler ihnen einfache Aufgaben, stellten sie sich deutlich ungeschickter an als ihre kampferprobten Geschlechtsgenossen. Für Fliegenweibchen gelten diese Erkenntnisse übrigens nicht. Im Gegenteil: Gibt es Männer im Überfluss, legen sie bei der Hirnleistung sogar noch zu.

 

Bei Fliegenmännern setzt also der Verstand aus, wenn viele Fliegenfrauen in der Nähe sind. Fliegenfrauen gehen dagegen in Hab-Acht-Stellung, wenn männliche Vertreter der Spezies in der Überzahl sind. Dieselbe Versuchsanordnung mit Menschen als Versuchkaninchen hätte dasselbe Ergebnis. Bedarf es da noch eines Beweises dafür, dass Evolution überschätzt wird? Die Darwin’sche Theorie steht auf tönernen Füßen. Das ist kein Plädoyer für den Kreationismus. Zur Disposition steht die vom Selektionsdruck und sich ändernden Umweltbedingungen getragene Weiterentwicklung der Arten. Mensch und Fliege mögen unterschiedlich aussehen, im Kopf habe sie dasselbe.

 

Darwin Award

 

Wenn es zwischen Fliegen und Menschen schon keine Unterschiede gibt, dann ist es doch beruhigend, dass wenigsten Männer und Frauen unterschiedlich sind. Leider zum Nachteil der Männer. Und auch hier spielt Darwin eine Rolle. Er ist nämlich Namensgeber des Darwin Awards, der seit 20 Jahren vergeben wird, in der Regel posthum, denn ausgezeichnet werden Menschen, die auf besonders dämliche Weise aus dem Leben geschieden sind. Der Preis soll diejenigen ehren, die sich um den menschlichen Genpool verdient gemacht haben, indem sie ihn verlassen haben.

 

Da ist zum Beispiel der Terrorist, der eine Briefbombe präparierte, sie dann aber zu niedrig frankierte. Der Brief kam zurück, der Absender öffnete ihn selbst – das ist nicht nur Pech. Oder der Dieb, der in einen Aufzug stieg, um dessen Stahlseil zu klauen. Es gelang ihm auch, das Seil zu kappen. Dummerweise stand er selbst noch im Aufzug. Oder der 63-jährige Mann, dem ein Interessenskonflikt mit einem Maulwurf in seinem Garten zum Verhängnis wurde. Nach langem, zähem Stellungskrieg rüstete der Mann auf. Er platzierte eine Reihe von Metallrohren in seinem Garten und verband sie mit einer Starkstromleitung. Dummerweise lies den Mann die Aussicht auf den bevorstehenden Tod seines Widersachers noch eine Weile im Garten verweilen. Ein bisschen zu lang. Als die Polizei in den Garten kam, musste sie erst den Strom abstellen, bevor sie den Leichnam bergen konnte. Das Schicksal des Maulwurfs ist unbekannt. Aus Platzgründen seien hier noch fragmentarisch erwähnt die betrunkenen russischen Soldaten, die mit Tretminen Russisches Roulette spielten und der Autofahrer, der in einer Serpentine seine Blase entleeren wollte, dazu an der Kurve über die Leitplanke sprang und ein kleines bisschen zu spät feststellte, dass die Schlucht recht tief war.

 

Es ist kein Zufall, dass Männer in allen Beispielen die Opfer waren. Nur rund 10 Prozent der bislang für den Darwin Award nominierten 328 Menschen waren Frauen. Das sei kein Zufall, sondern statistisch hochsignifikant, sagen die Wissenschaftler, die die Ergebnisse des Darwin Awards nach allen Regeln der Kunst auswerteten und in der Weihnachtsausgabe des British Medical Journals veröffentlichten. Sie sehen darin eine weitere Bestätigung der »male idiot theory«, also der These, dass das kognitive Potenzial von Männer nicht vollumfänglich mit dem von Frauen mithalten kann. Für die Männer in der PZ-Redaktion ist dies freilich nicht überzeugend. Zuerst müssten erst einmal die unzähligen Fälle herausgerechnet werden, in denen Männer Kopf und Kragen riskieren, um Frauen aus selbstverschuldeten misslichen Situationen zu befreien. Aber dann schaut natürlich Frau nicht hin.

 

Unerwartet ähnlich sind sich auch Menschen und Mäuse und zwar in ihrem Freizeitverhalten. Beide Spezies schätzen das Sonnenbad. Mäuse können sogar süchtig danach werden, hat eine US-amerikanische Forschergruppe herausgefunden. Die Vorliebe geht so weit, dass die Tiere erhebliche Mengen an Endorphinen ausschütten und sich deshalb immer wieder dem UV-Licht aussetzen. An dieser Stelle erzielt Homo sapiens immerhin einen Punktsieg. Beim Sonnenbaden liegen wir mindestens eine Evolutionsstufe über den Mäusen. Wir haben Sonnencremes, wir haben Handtücher und wir gehen nicht mit Pelz an den Strand.

 

Zum Schluss noch etwas ganz Rührendes, genau passend zu Weihnachten. Wussten Sie, dass Menschen und Singvögel – die beiden größten Sangeskünstler unter den Vertebraten – ihre musikalischen Fähigkeiten denselben Genen verdanken. Mehr als ein Dutzend menschlicher Gene verrichten in unseren gefiederten Brüdern und Schwestern denselben Dienst wie bei uns. Wissenschaftler vom renommierten Massachusetts Institute of Technologie haben dies festgestellt. So fügt sich am Schluss wieder einmal das eine zum anderen. Menschen und Tiere sind Teil des großen Ganzen. Auch wenn sie sich nicht immer lieben. Doch daran werden wir weiter arbeiten. Nicht nur zur Weihnachtszeit. /

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