Pharmazeutische Zeitung online
Hepatitis C

Neue Therapien in der Pipeline

17.12.2013  13:45 Uhr

Von Maria Pues, Frankfurt am Main / Kürzere Therapiezeiten, eine einfachere Anwendung der Arzneimittel, Personalisierung der Behandlungsregimes und die Möglichkeit, Patienten zu behandeln, bei denen derzeit noch wenig Aussicht auf Erfolg besteht – darauf lassen aktuelle Entwicklungen in der Hepatitis-Forschung hoffen.

Hepatitis-C-Viren (HCV) sind – zumindest aus Menschensicht – hinterhältig: Sie infizieren ihren Wirt, ohne dass dieser über Jahre und Jahrzehnte davon etwas merkt. In dieser Zeit vermehren sie sich in dessen Leberzellen und zerstören diese nach und nach. Nur selten kommt es zu einer klassischen Gelbsucht. »Häufig erfolgt die Diagnose daher erst spät«, erläuterte Professor Dr. Christoph Sarrazin, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, im Rahmen einer Presseveranstaltung von Boehringer Ingelheim. Weltweit geht man von 170 Millionen Infizierten aus, in Deutschland von rund 350 000. Rund ein Fünftel entwickelt innerhalb von 20 Jahren eine Leberzirrhose. In Westeuropa und den USA sei Leberversagen aufgrund einer HCV-Infektion der häufigste Grund für eine Lebertransplantation, so der Gastroenterologe. Nur in 20 Prozent der Fälle heilt eine akute Hepatitis-C-Infektion folgenlos aus.

 

Besser verträglich als andere Proteasehemmer

 

Weltweit befinden sich derzeit knapp 30 potenzielle Arzneistoffe zur Behandlung der HCV-Infektionen in klinischen Studien der Phasen I, II und III. Zwei der an unterschiedlichen Punkten des viralen Vermehrungszyklus angreifende Wirkstoffe aus der Pipeline von Boehringer Ingelheim, den HCV-Protease-Inhibitor der zweiten Generation Faldaprevir und den HCV-Polymerase-Inhibitor Deleobuvir, stellte Professor Dr. Stefan Zeuzem, Universitätsklinikum Frankfurt, vor. Zurzeit werden sie im Rahmen von zwei Behandlungs­strategien getestet: einem interferonbasierten (STARTVersoTM) und einem interferonfreien (HCVVerso®) Therapieregime.

STARTVersoTM umfasst vier Phase-III-Studien, an denen therapienaive Patienten, vorbehandelte Patienten (Non-Responder und Relapse-Patienten) und Patienten mit Koinfektionen wie HIV teilnehmen. Sie erhalten den Wirkstoff als tägliche Einmaldosis von 120 oder 240 mg verabreicht in Kombination mit pegyliertem Interferon und Ribavirin. Im Gegensatz zu anderen Hepatitis-Medikamenten, bei denen die Einnahme zusammen mit einer fettreichen Mahlzeit erfolgen muss, kann die Einnahme von Faldaprevir ernährungsunabhängig erfolgen. »Die Kombination aus Faldaprevir, pegINF und Ribavirin hat höhere SVR12-Raten gezeigt als eine Therapie mit pegINF und Ribavirin allein«, erläuterte Zeuzem. Die SVR12-Rate gibt an, welcher Anteil der Patienten zwölf Wochen nach Therapieende virusfrei ist. Deutlich über 80 Prozent der Patienten erreichten einen ETS (early treatment success) und erfüllten damit die Kriterien für eine Therapieverkürzung auf 24 Wochen. Ähnliche Ergebnisse wurden bei Probanden erzielt, die bereits eine Therapie erhalten hatten. Die endgültigen Daten für Patienten mit einer HIV-Koinfektion stehen noch aus. Eine Zwischenauswertung ergab eine SVR-4-Rate von 74 Prozent. Die Verträglichkeit sei deutlich besser als bei derzeit verfügbaren Proteaseinhibitoren, berichtete Zeuzem. Vor allem Anämien und starke Hautreaktionen traten unter Faldaprevir nicht auf. Zu Studien­abbrüchen infolge Nebenwirkungen kam es nur selten.

 

Erst kürzlich bewilligte die europä­ische Arzneimittelbehörde EMA für dieses Regime ein beschleunigtes Beurteilungsverfahren. Laut Boegringer könnte Faldaprevir im Fall einer Zulassung dann in der zweiten Jahreshälfte 2014 in der EU verfügbar sein.

 

Interferon-freie Option in Sicht

 

HCVVerso® umfasst drei Phase-III-Studien, in denen Faldaprevir (einmal täglich) unter Verzicht auf Interferon in Kombination mit Deleobuvir (zweimal täglich) und Ribavirin über 16 oder 24 Wochen untersucht wird. Eingeschlossen wurden therapienaive Patienten mit HCV-Genotyp 1b, Patienten, die aufgrund einer genetischen Besonderheit nicht mit Interferon behandelt werden können, sowie Patienten mit Leberzirrhose. Die drei antiviralen Substanzen greifen an verschiedenen Stellen in den Vermehrungszyklus des Hepatitis-C-Virus ein: Deleobuvir ist ein nicht-nukleosidischer Inhibitor der NS5B-Polymerase, der Polymerase-Inhibitor Faldaprevir hemmt das aktive Zentrum des NS3/4A-Enzyms und Ribavirin die Inosinmonophosphat-Dehydrogenase. Die Ergebnisse dieser Studien werden im Laufe des nächsten Jahres erwartet.

 

Zur Erinnerung: Die Behandlung einer HCV-Infektion erfolgt standard­mäßig als Kombitherapie aus pegyliertem Interferon-α (PegINF) und dem Polymerase-Inhibitor Ribavirin über 24 bis 48 (selten 72) Wochen. Als weitere mögliche Kombinationspartner zur Behandlung mit HCV des Genotyps 1 sind seit 2011 die Protease-Inhibitoren Tela­previr und Boceprevir zugelassen. Der Polymeraseinhibitor Sofosbuvir, der eine erste Interferon-freie Therapieoption bei chronischer Hepatitis-C-Infektion ermöglichen würde, erhielt kürzlich eine positive Empfehlung der europäischen Zulassungsbehörde EMA. /

Mehr von Avoxa