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Gesundheitsreform

Bundesländer drohen mit Blockade

18.12.2006  13:10 Uhr

Gesundheitsreform

Bundesländer drohen mit Blockade

Von Thomas Bellartz und Daniel Rücker

 

Besinnliche Weihnachten dürften sich manche Regierungsmitglieder anders vorgestellt haben. Die geplante Gesundheitsreform wird an allen Ecken und Enden zerpflückt, zerredet. Die Bundesländer wollen massive Änderungen, auch bei der Arzneimittelversorgung. Manche sehnen sogar das Begräbnis dieser Reform herbei.

 

Die Eskalation ausgelöst hat ein Gutachten über die finanziellen Konsequenzen des Gesundheitsfonds. Danach müssten die Krankenkassen in den süddeutschen Bundesländern Hessen, Baden-Württemberg und Bayern kräftig draufzahlen. Für Baden-Württemberg errechnete das Kieler Institut für Mikrodaten-Analyse ein Minus von 1,6 Milliarden Euro, Bayern hätte eine Milliarde Euro weniger und Hessen 700 Millionen. Das dürfte der Tropfen gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.

 

Im Mittelpunkt der Kritik stehen die Rechenkünste im Bundesgesundheitsmininisterium. Das hatte lediglich von zweistelligen Millionenbeträgen gesprochen, die den reichen Ländern durch die Umstellung entzogen würden. Das wird nun nicht nur von CSU-Chef Edmund Stoiber, sondern auch von den Ministerpräsidenten Baden-Württembergs und Hessens heftig angezweifelt.

 

Für die große Koalition wird die Lage durch den neuerlichen Streit nicht einfacher. Vor allem die Union ist in der Zwickmühle. Die heftige Kritik der Ministerpräsidenten aus dem Süden hat einen beträchtlichen Schaden angerichtet. Zuerst richteten sich die Angriffe hauptsächlich gegen Schmidt, doch schnell wurde auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zur Zielscheibe. Stoiber drohte damit, die Reform komplett abzulehnen. Auch die anderen Süd-Länder ließen ihre Muskeln spielen.

 

Dem ohnehin katastrophalen Ansehen der Bundesregierung nutzt dieser neuerliche Streit um die Gesundheitsreform natürlich nicht. Nach dem Verbraucherinformationsgesetz und dem Nichtraucherschutzgesetz droht nun das dritte Gesetz innerhalb weniger Tage zu scheitern. Die Bundesregierung macht in der Vorweihnachtszeit nicht den Eindruck, noch Herr der politischen Lage zu sein.

 

Den handelnden Personen gelingt es immer weniger, die Defizite zu verbergen. »Ich bin da ganz optimistisch«, musste Angela Merkel (CDU) am Montagabend im Jahresrückblick der ARD gleich dreifach bekräftigen. Überzeugt hat sie damit wohl niemanden, bestenfalls hat sie sich selbst ein wenig Mut zugesprochen.

 

Hoffnungsschimmer

 

Für die Bundesregierung war die Kritik der Länder eine Hiobsbotschaft, für die Apotheker ist es ein stetig heller werdender Hoffnungsschimmer. Bei seiner Sitzung am vergangenen Freitag übermittelte der Bundesrat an den Bundestag mehr als 100 Änderungswünsche für das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG). Mit dabei sind drei Anträge, die das WSG für die Apotheker weitaus erträglicher machen könnten. Danach soll die Höchstpreisverordnung nicht eingeführt werden, Zuzahlungsverzicht und Margendumping blieben verboten. Die Rabatthaftung für 500 Millionen Euro würde deutlich entschärft. Gleichzeitig soll allerdings der Rabatt, den die Apotheker den Krankenkassen gewähren müssen, auf 2,30 Euro erhöht werden. Das würde die gesamte Branche rund 150 Millionen Euro pro Jahr kosten. Schlimm genug, aber immer noch besser als die Pläne der Bundesregierung. Bis zum 10. Januar 2007 hat das Gesundheitsministerium nun Zeit, auf die Änderungswünsche der Länder zu reagieren und Stellung zu beziehen. In ersten Reaktionen hieß es zunächst, man werde alles prüfen und da, wo nötig, auch den Gesetzestext überarbeiten. Der Druck der vergangenen Tage hat allerdings zu erneuten Trotzreaktionen, nicht nur bei der Gesundheitsministerin, sondern vor allem bei der Kanzlerin und auch beim SPD-Vorsitzenden Kurt Beck geführt. Letzterer verlangt, dass an den Eckpunkten, auf die man sich im Sommer noch verständigt hatte - im Beisein von Stoiber - , nicht mehr gerüttelt werden dürfe. Ähnlich kategorisch gibt sich auch Merkel, die weiterhin behauptet, dass die Allgemeinheit erst dann erkenne, wie gut diese Reform sei, wenn diese erst einmal in Kraft getreten ist.

 

Schmidt bleibt ohnehin dabei, sie verstehe den ganzen Ärger nicht und auch nicht die Einlassungen der Ministerpräsidenten. Alles sei gemeinsam verhandelt worden, das dürfe jetzt nicht erneut infrage gestellt werden. Am Dienstag hieß es, dass ein neues Gutachten Klarheit bringen solle über die finanziellen Auswirkungen der Reform. Bis spätestens Anfang Januar sollen jetzt nach Informationen der »Saarbrücker Zeitung« die Ökonomen Professor Dr. Bert Rürup und Professor Dr. Eberhard Wille den Streit mit neuen Berechnungen auflösen.

 

Im Bundesgesundheitsministerium scheint man sich mittlerweile auf Änderungen bei den apothekenrelevanten Passagen einzustellen. Auf einer Euroforum-Veranstaltung in Frankfurt am Main ließ Ulrich Dietz, Leiter der Abteilung Arzneimittelversorgung, durchblicken, dass auch er Änderungen bei der Höchstpreisverordnung für möglich hält. Gleichzeitig feilt man aber auch an einer neuen Strategie, das Vorhaben zumindest teilweise umzusetzen. In der Integrierten Versorgung will man ein Abweichen von der Preisverordnung erlauben. Die Apotheker sehen dies mit Sorge. Zwar spielt die Intergierte Versorgung aktuell nur eine untergeordnete Rolle, doch zeigt das Beispiel Versandhandel, dass auch ökonomische Nischenprodukte den Markt erheblich beeinflussen und verändern können.

 

Nach dem derzeit gültigen Fahrplan soll der Gesetzentwurf am 19. Januar vom Bundestag und am 16. Februar vom Bundesrat endgültig beschlossen werden. In Kraft treten soll die Reform am 1. April.

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