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Altersrückstellungen

Gleiches Recht für alle

10.12.2014  11:16 Uhr

Von Stephanie Schersch, Berlin / Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) fordert mehr Rechte für privat Versicherte. So sollen auch Bürger mit älteren Verträgen angesparte Rücklagen für das Alter künftig einfach mitnehmen können, wenn sie die Versicherung wechseln wollen.

Probleme gebe es in der Privaten Krankenversicherung (PKV) vor allem bei älteren Versicherungsverträgen, die bereits vor 2009 geschlossen worden seien, sagte vzbv-Chef Klaus Müller vergangene Woche in Berlin. Den Versicherten drohten hohe Einbußen, wenn sie den Anbieter wechseln wollten.

 

Hintergrund sind Rückstellungen, die der Versicherte für die Versorgung im Alter anspart. Wer seinen Vertrag nach 2009 geschlossen hat, kann diese Reserven bei einem Wechsel der Versicherung bis zu einer gewissen Höhe problemlos mitnehmen. Für Bürger mit älteren Verträgen gilt das nicht. »Sie müssen sich faktisch lebenslang an ihren Versicherer binden, wenn sie die finanziellen Belastungen vermeiden möchten«, so Müller. Der vzbv fordert daher, das Recht auf Übertragung angesparter Reserven auf alle Privatpatienten auszuweiten.

 

Debeka-Vorstandsmitglied Roland Weber hält diese Forderung für problematisch. Eine nachträgliche Änderung der Grundlagen für Verträge vor 2009 wäre verfassungswidrig, sagte er. »Sie ließe sich allenfalls rechtfertigen, wenn kein Versicherter davon einen Nachteil hätte.« Ein solches Modell gebe es bislang aber nicht.

 

Auch das seit 2009 geltende Recht auf Mitnahme der Reserven berge Gefahren, sagte Weber. So würden Versicherte bei einem Wechsel eine durchschnittliche Altersrückstellung mitnehmen. Diese berücksichtige keineswegs das tatsächliche Krankheitsrisiko des Versicherten. Für Gesunde sei sie somit zu hoch, für einen Kranken hingegen zu niedrig kalkuliert. »Weil bekanntlich überwiegend Gesunde die Option zum Wechsel nutzen werden, schwächt jeder Wechsel das Versichertenkollektiv der Zurückgebliebenen«, so Weber.

 

Mit diesem Problem hat sich auch eine Expertengruppe rund um den Gesundheitsökonomen Professor Jürgen Wasem im Auftrag der Verbraucherzentralen befasst. Sie hat verschiedene Modelle entwickelt, wie die Mitnahme von Rückstellungen auch bei älteren Verträgen organisiert werden könnte. Demnach könnten die Unternehmen ihren Versicherten eine individuell an ihrem Krankheitsrisiko ausgerichtete Reserve entweder einmalig mitgeben oder in Raten auszahlen.

 

Ausgleich der Risiken

 

Möglich sei zudem die Übertragung einer rein kalkulatorischen Rückstellung beim Wechsel, so Wasem. Ein Risikostrukturausgleich könnte dann ähnlich wie in der Gesetzlichen Krankenversicherung die Morbiditätsrisiken zwischen den einzelnen Unternehmen über entsprechende Zahlungen ausgleichen.

 

Die Modelle seien in der Praxis bislang nicht erprobt, betonte Wasem. Zunächst müssten Datengrundlagen entwickelt werden, etwa um eine Basis für die Berechnung individueller Rückstellungen zu schaffen. Wasem hält alle drei Möglichkeiten im Grundsatz jedoch für verfassungskonform. /

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