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Antidiskriminierungsgesetz

Fallstrick für Selbstständige

12.12.2006  14:42 Uhr

Antidiskriminierungsgesetz

Fallstrick für Selbstständige

Von Martin Hassel

 

Seit August ist das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Bereits im Gesetzgebungsverfahren hatte es unter dem Namen Antidiskriminierungsgesetz für einigen Wirbel gesorgt. Das AGG soll in allen Rechtsbereichen vor Diskriminierungen schützen. Es wirkt sich jedoch vor allem im Arbeitsrecht aus und stellt hier hohe Anforderungen an den Arbeitgeber.

 

Die Regelungen zum Schutz der Beschäftigten vor Benachteiligung gelten für alle Arbeitnehmer, Auszubildende sowie Stellenbewerber und arbeitnehmerähnliche Beschäftigte. Das Gesetz soll Benachteiligungen auf Grund von Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität vermeiden. Das Benachteiligungsverbot erstreckt sich auf Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsmodalitäten. Weiterhin sind Bewerbungen und die Bedingungen für einen beruflichen Aufstieg betroffen.

 

Das AGG verbietet sowohl eine unmittelbare als auch eine mittelbare Benachteiligung von Beschäftigten. Eine unmittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn eine Person auf Grund der oben genannten Gründe eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfahren hat, etwa wenn ein Apotheker grundsätzlich keine jüngeren weiblichen Approbierten einstellt, weil er eine Schwangerschaft befürchtet.

 

Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen einer der genannten Gründe gegenüber anderen Personen besonders benachteiligen können. Das trifft zum Beispiel zu, wenn ein Apotheker keine Arbeitnehmer einstellt, die nicht angemessene deutsche Sprachkenntnisse vorweisen können. Hier kann eine mittelbare Diskriminierung auf Grund der Rasse oder der ethnischen Herkunft vorliegen.

 

Eine mittelbare Diskriminierung liegt nicht vor, wenn eine Ungleichbehandlung wegen beruflicher Anforderungen gerechtfertigt ist. Eine zulässige unterschiedliche Behandlung ist insbesondere auch wegen des Alters möglich und in § 10 Satz 1 AGG gesetzlich ausgestaltet. Beispielsweise ist im Rahmen einer Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Kündigung eine unterschiedliche Berücksichtigung des Alters zulässig.

 

Wenn Beschäftigte sich unmittelbar oder mittelbar diskriminiert fühlen, stehen ihnen verschiedene Rechtsschutzmöglichkeiten zu. Zentrale Norm ist der in § 15 AGG festgehaltene Anspruch auf Entschädigung und Schadensersatz, der bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zu entrichten ist. Der Arbeitgeber muss hier den Schaden ersetzen, der durch die Verletzung des Benachteiligungsverbots entstanden ist, und hat darüber hinaus auch für den Schaden, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Dieser Anspruch auf Schadensersatz ist der Höhe nach nicht begrenzt. Lediglich bei der Einstellung wird die Entschädigung auf drei Monatsgehälter begrenzt, wenn der Beschäftige auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

 

Der Schadensersatzanspruch muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten ab Kenntnis schriftlich geltend gemacht werden. Im Falle der Ablehnung einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs beginnt die Frist mit dem Zugang der Ablehnung. In einem Prozess muss der Beschäftigte die Indizien beweisen, die eine Benachteiligung wegen der oben genannten Gründe vermuten lassen. Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen vorliegt.

 

Vorsicht vor AGG-Hoppern

 

Der Arbeitgeber sollte insbesondere Stellenausschreibungen als größte Gefahrenquelle einer möglichen Diskriminierung genau prüfen und hier notfalls vor Veröffentlichung einen Fachmann zurate ziehen. Ansonsten könnte einer Schadensersatzklage leicht Tür und Tor geöffnet sein. So sollte eine Stellenausschreibung immer geschlechtsneutral formuliert sein. Weiterhin sollte man auf Formulierungen wie »junger dynamischer Mitarbeiter« oder »deutschsprachiger Mitarbeiter« verzichten, weil dies die nicht benannten diskriminieren könnte. Dies gilt auch für das Einstellungsgespräch. Dass hier nicht nur eine theoretische Gefahr von Diskriminierungsklagen besteht, zeigt die seit Inkrafttreten des AGG sprunghaft gestiegene Zahl von arbeitsgerichtlichen Klagen durch Pseudobewerber, die nicht an der ausgeschriebenen Stelle, sondern allein an der Entschädigung interessiert sind (sogenannte AGG-Hopper).

 

Besondere Vorsicht ist auch bei der Formulierung von Ablehnungsschreiben und telefonischen Nachfragen geboten. Der Arbeitgeber sollte sich im Vorhinein ein Qualifikationsprofil für die geplante Stellenbesetzung anfertigen. Eine Auswahl der Stellenbewerber sollte dann streng nach diesen Leistungs- und Qualifikationsgesichtspunkten erfolgen.

 

Um sich auf das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz vorzubereiten, sollten Apotheker ihren Betrieb so organisieren, dass Diskriminierungen vermieden werden. Hierzu sind Schutzmaßnahmen auch vorbeugend zu ergreifen. Zu diesen Organisationspflichten gehört insbesondere die Schulung der Mitarbeiter. Hier empfiehlt sich eine umfassende Schulung, wie sich Benachteiligungen verhindern lassen. Auch wenn Beschäftigte bei ihrer Tätigkeit durch Dritte benachteiligt werden oder selbst gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, muss der Arbeitgeber alles dafür tun, die Benachteiligung zu beenden, zum Beispiel Mitarbeiter abmahnen oder Kundenkontakte abbrechen. Das AGG ist außerdem in der Apotheke auszuhängen oder auszulegen.

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