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Gesund wie ein Fisch im Wasser

13.12.2005  11:24 Uhr

Arzneimittel in der Aquaristik

Gesund wie ein Fisch im Wasser

von Carsten D. Siebert, Frankfurt am Main

 

Bei Zierfischen auftretende Infektionskrankheiten werden oft mit Arzneistoffen behandelt, die nicht zur Anwendung am Menschen bestimmt sind. Können diese ein gesundheitliches Risiko für den Aquarianer bergen und auf was sollte er bei ihrer Verwendung besonders achten?

 

In Ergänzung zum Beitrag in PZ 36/04 werden aquaristisch eingesetzte Antibiotika bezüglich ihres Risikos für den Tierhalter besprochen.

 

9-Aminoacridin

9-Aminoacridiniumchlorid wurde früher in Kombination mit anderen Arzneistoffen als Schnellverband bei Wunden, Furunkeln und Rhinitis angewendet. Die Verbindung ist ein stark fluoreszierender Farbstoff und erzeugt an der DNS Lese-Raster-Mutationen, ist also mutagen. Aminoacridine erzeugen Deletionen, führen aber auch zum Nukleotidaustausch in der DNS von menschlichen Lymphozyten. 9-Aminoacridin ist wirksam gegen grampositive Bakterien. Gegen gramnegative ist es wenig wirksam und gegenüber Pilzen unwirksam. Die Substanz hat eine antimikrobielle Wirkung gegen Trichomonaden und Trypanosomen. Die letale Dosis beträgt bei Ratten 200 mg/kg Körpergewicht. Die Anwendung von 9-Aminoacridin in Wunden führt zu Reizungen und Nekrosen des Gewebes. Die Substanz muss als gesundheitsbedenklich eingeschätzt werden.

 

Ethacridin

Ethacridin (6,9-Diamino-2-ethoxyacridin) wird in der Humanmedizin (bei Reisediarrhöen und Entzündungen in Mund und Rachen) und in der Tiermedizin (bei Haus-, Zoo- und Pelztieren) als Lokalantiseptikum eingesetzt. Es wirkt gegen grampositive Keime, insbesondere Staphylokokken und Streptokokken, und gramnegative Erreger wie E. coli. Darüber hinaus ist die Wirksamkeit gegenüber Protozoen und Pilzen belegt. Ethacridin erwies sich als wenig toxisch, die orale letale Dosis liegt bei Ratten bei 2 bis 2,3 g/kg Körpergewicht. Eine kanzerogene Wirkung konnte bisher nicht nachgewiesen werden. Beim Einsatz von Ethacridin sind allergische Hautreaktionen beschrieben.

 

Acriflavin

Acriflaviniumchlorid ist ein Gemisch aus 3,6-Diamino-10-methylacridiniumchlorid-HCl und 3,6-Diaminoacridinium 2HCl. In Deutschland wird es nicht mehr in Fertigarzneimitteln angeboten. Es hat antiseptische Eigenschaften und zählt zu den Hals- und Rachentherapeutika.

 

Proflavin

Proflavin (3,6-Diaminoacridin) ist nicht in deutschen Fertigarzneimitteln enthalten. In den USA wird es als Desinfektionsmittel in Kombination mit Brillantgrün und Methylrosaliniumchlorid eingesetzt.

 

Brillantgrün

Brillantgrün (4-[(4-Diethylamino)-α-phenylbenzyliden]-N,N-diethylcyclohexa-2,5-dienylidenammonium hydrogensulfat) ist antibakteriell und antiseptisch bei der Behandlung von Wunden und Geschwüren wirksam.

 

Methylrosaliniumchlorid

Methylrosaliniumchlorid (4-[4,4'-Bis(dimethylamino)benzhydryliden]-N,N-dimethylcyclohexa-2,5-dienylidenammoniumchlorid, Kristallviolett, Hexamethylpararosanilin) wirkt antibakteriell, antiseptisch und auf der Haut lokal antimykotisch. Von Veterinärmedizinern wird es auch als Anthelminthikum eingesetzt.

 

Fuchsin

Fuchsin ist ein Gemisch aus Rosanilin (4-[(4,4'-Diamino)diphenylmethylen]-2-methylcyclohexa-2,5-

dienylidenammoniumchlorid) und Pararosanilin ((4-[(4,4'-Diamino)diphenylmethylen]cyclohexa-2,5-

dienylidenammoniumchlorid). Es hat eine antimykotische und antiseptische Wirkung gegen grampositive Bakterien. Gegenwärtig wird Fuchsin wegen des Verdachts auf Kanzerogenität weder human noch veterinär eingesetzt.

 

Methylenblau

Methylenblau (3,7-Bis(dimethylamino) phenazathioniumchlorid, Methylthioniumchlorid) besitzt eine antiseptische Wirkung und wird in deutschen Fertigarzneimitteln verwendet. Es dient auch als Reduktionsmittel bei Vergiftungen mit Methämoglobinbildnern.

 

Kaliumchlorat

Kaliumchlorat (KClO3) ist ein Oxidationsmittel, das als Antiseptikum in Fertigarzneimitteln zur  Wundbehandlung verwendet wird. In Mengen über 1 g ist es jedoch giftig. Die letale Dosis beträgt 10 g. Festes Kaliumchlorat kann mit oxidierbaren Substanzen explosive Gemische bilden.

 

Kalomel

Die Giftigkeit von Kalomel (Hg2Cl2) entspricht der von Quecksilber, das wegen seines hohen Dampfdrucks ein Atemgift ist. Eine Quecksilbervergiftung äußert sich in einer Schädigung des zentralen Nervensystems. Sein Gebrauch ist auch aus Gründen des Umweltschutzes abzulehnen.

 

Chloramphenicol

Das Breitband-Antibiotikum Chloramphenicol (2,2-Dichlor-N-[(R,R)-1,3-dihydroxy-1-(4-nitrophenyl)propan-2-yl]acetamid) wird beim Menschen wegen seiner starken Nebenwirkungen nur am Auge oder bei starken Infektionen angewendet. Bei Säuglingen und Kleinkindern führt das Verschlucken von 25 bis 50 mg/kg Körpergewicht zu gefährlichen Vergiftungen. Bei Hunden und Katzen wird es zur Bekämpfung von bakteriellen Infektionskrankheiten angewendet. Chloramphenicol besitzt eine bakteriostatische Wirkung gegen zahlreiche grampositive und gramnegative Bakterien.

 

Tosylchloramid

Tosylchloramid (N-Chlor-p-toluolsulfonsäureamidnatrium) dient der Desinfektion und wird zur Prophylaxe von Eutererkrankungen (Milchdrüsenentzündung) bei Rindern angewendet. Die mikrobizide Wirkung beruht auf der Abspaltung von Chlor, das seinerseits durch Oxidation oder Addition an Zellproteine oder Nukleinsäuren der Mikrobenzellen wirkt. Bekämpft werden Mykobakterien, Pseudomonaden, Bacillus-Sporen, Schimmelpilze und Hefen. In humanen Desinfektionsmitteln wird der Stoff ebenfalls verwendet.

 

Chlortetrazyklin

Chlortetrazyklin ((4S,4aS,5aS,6S,12aS)-7-Chlor-4-dimethylamino-3,6,10,12,12a-pentahydroxy-6-methyl-1,11-dioxo-

1,4,4a,5,5a, 6,11,12a-octahydrotetracen-2-carboxamid) ist ein bakteriostatisch wirkendes Breitband-Antibiotikum, das human und veterinär verwendet wird. Es wirkt gegen grampositive und gramnegative Bakterien einschließlich Anaerobier und Sporenbildner. Empfindliche Erreger sind Chlamydien, Mykoplasmen, Spirochäten und Rickettsien. Bei vielen Bakterien wie Staphylokokken, Streptokokken, Pasteurellen, Klebsiellen, Haemophilus, Corynebakterien, Clostridien, Bordetellen, Aeromonaden, Yersinien und Citrobacter sind Resistenzen zu erwarten. Diese wurden bei Haus- und Nutztieren (Säuger und Vögel) nachgewiesen. Das Resistenzniveau liegt bei circa 60 Prozent.

 

Oxytetrazyklin

Oxytetrazyklin ((4S,4aR,5S,5aR,6S,12aS)-4-Dimethylamino-3,5,6,10,12,12a-hexahydroxy-6-methyl-1,11-dioxo-

1,4,4a,5,5a,6,11,12a-octahydrotetracen-2-carboxamid) wird wie Chlortetrazyklin eingesetzt. Das Wirkspektrum umfasst grampositive und gramnegative Bakterien einschließlich Anaerobier und Sporenbildner. Empfindliche Erreger sind Chlamydien, Mykoplasmen, Leptospiren, Spirochäten, Rickettsien, Borellien, Bartonellen, Brucellen, Haemophilus, Neisserien, Pasteurellen, Pseudomonaden, Yersinien und Vibrionen. Die Behandlung von Haus- und Nutztieren ist jedoch oft durch Resistenzen erschwert (bei Staphylokokken, Streptokokken, Proteus-Arten, Providencia, Serratia, Salmonellen und Pseudomonas aeruginosa).

 

Phenol

Phenol (Hydroxybenzen) wird wegen seiner antibakteriellen Wirkung gegenüber grampositiven und gramnegativen Bakterien nur noch in veterinären Fertigarzneimitteln eingesetzt. In Konzentrationen von 0,2 bis 1 Prozent wirkt es bakteriostatisch, in höheren Konzentrationen bakterizid und fungizid. In Konzentrationen ab 3 Prozent wirkt es nekrotisierend. Sporen werden durch Phenol nicht abgetötet, Mykobakterien sprechen erst in größeren Konzentrationen an. Hinweise auf Mutagenität sind nicht gesichert. Die letale Dosis liegt bei 10 bis 15 g, ernsthafte Intoxikationen sind jedoch schon ab 1 g beschrieben. Das Verschlucken größerer Mengen führt zu Krämpfen, Übelkeit und zentralnervösen Störungen. Phenol hat ein hohes toxisches Potenzial und wird gut über die Haut resorbiert (beim Schwein wirken bereits 500 mg auf die Haut aufgetragen tödlich).

 

Resorcin

Resorcin (1,3-Dihydroxybenzen) wird in deutschen und ausländischen Fertigarzneimitteln eingesetzt, seine Verwendung ist jedoch umstritten. Die antibakterielle und antimykotische Wirksamkeit ist im Vergleich zu anderen Antibiotika relativ gering. Hinweise auf Mutagenität sind nicht gesichert, die letale Dosis liegt bei 12 g. Das Verschlucken größerer Mengen führt zu Krämpfen, Übelkeit, Atemlähmung und zentralnervösen Störungen. Bei Säuglingen kam es zu Todesfällen. Resorcin hat ein hohes toxisches Potenzial und wird gut über die Haut resorbiert.

 

Parachlormetaxylenol

Parachlormetaxylenol (4-Chlor-3,5-dimethylphenol, Chloroxylenol) wirkt gegen grampositive Bakterien, weniger jedoch gegen gramnegative. Wegen seiner antiinfektiven und antiseptischen Wirkung wird es noch vereinzelt als Mund- und Rachentherapeutikum in humanen Fertigarzneimitteln und Kosmetika, aber auch in Tierarzneimitteln eingesetzt. Die Verbindung kann als Kontaktallergen wirken.

 

Kaliumpermanganat

Kaliumpermanganat (KMnO4) wird beim Menschen zur Desinfektion von infizierten und nicht infizierten Hautläsionen verwendet. Die letale Dosis von Kaliumpermanganat beträgt beim Menschen 10 bis 20 g. Anzeichen einer Vergiftung sind Verätzungen, Erbrechen und Magen-Darm-Beschwerden.

 

Nifurpirinol

Nifurpirinol (6-[2-(5-Nitro-2-furyl)vinyl]-2-pyridinmethanol) wirkt antibakteriell, wird jedoch nicht in humanen oder veterinären Fertigarzneimitteln verwendet.

 

Neomycin B

Neomycin B (O-2,6-Diamino-2,6-didesoxy-β-L-idopyranosyl-(1=>3)-O-β-D-ribofuranosyl-(1=>5)-O-[2,6-diamino-2,6-

didesoxy-α-D-glucopyranosyl-(1=>4)]-2-desoxy-D-streptamin, Framycetin) wird sowohl am Menschen als auch bei Tieren angewendet. Es wirkt gegen grampositive und gramnegative Bakterien in niedriger Konzentration bakteriostatisch, in hoher Konzentration bakterizid. Die Wirkung von Neomycin B beruht auf einer Hemmung der bakteriellen Proteinsynthese während der Translationsphase. In höheren Konzentrationen kommt es außerdem zur Fehlablesung der m-RNS, was zur Synthese von falschen Proteinen führt. Kreuzresistenzen zu Streptomycin sind beschrieben worden. Empfindliche Keime sind Staphylokokken, Enterobacter, Pseudomonas, Mykobacterium, Proteus, Salmonellen, Brucellen und Pasteurellen. Bei einer Vergiftung durch Verschlucken kann eine neuromuskuläre Blockade auftreten, die unter Umständen künstliche Beatmung erforderlich macht. In der Tiermedizin werden Infektionen der Haut und Schleimhäute bei Hunden und fleischliefernden Nutztieren behandelt.

 

Streptomycin

Streptomycin (2,4-Diguanidino-3,5,6-trihydroxycyclohexyl-5-deoxy-2-O-(2-deoxy-2-methylamino-α-L-glucopyranosyl)-3-

formyl-β-L-lyxopentanofuranosid) wirkt bakterizid und wird sowohl human als auch veterinär zur Behandlung der Tuberkulose verwendet. Streptomycin verhindert die Bindung von t-RNS an das Ribosom. Damit wird die Bildung eines Startkomplexes für die bakterielle Proteinbiosynthese verhindert. Untersuchungen zur Mutagenität und Kanzerogenität sind unzureichend, in Langzeitstudien wurden Veränderungen an Organen und im Blutbild gefunden. Bei einer Vergiftung durch Verschlucken kann eine neuromuskuläre Blockade auftreten, die unter Umständen die künstliche Beatmung erforderlich macht.

 

Leucomycin A3

Leucomycin A3 ([(11E,13E,4R,5S,6S,7R,9R,10R,16R)-4-Acetoxy-7-formylmethyl-10-hydroxy-5-methoxy-9,16-dimethyl-2-

oxo-1-oxacyclohexadeca-11,13-dien-6-yl]{3,6-didesoxy-4-O-[2,6-didesoxy-3-C-methyl-4-O-(3-methylbutanoyl)-α-L-

ribo-hexopyra-nosyl]-3-dimethylamino-β-L-glucopyranosid, Josamycin) wird in humanen Fertigarzneimitteln gegen gramnegative Bakterien (Legionellen, Haemophilus und Bordetellen), grampositive Bakterien (Staphylokokken und Streptokokken) sowie Mykoplasmen und Chlamydien eingesetzt.

 

Albucid

Albucid (N-[(4-Aminophenyl)sulfonyl]acetamid, Sulfacetamid) wird in einem deutschen und mehreren ausländischen humanen Fertigarzneimitteln in Kombination als Antiinfektivum zur Behandlung von Chlamydieninfektionen am Auge verwendet.

 

Natriumperborat

Natriumperborat (Na2[(HO)2B(O2)2B(OH)2] x 6H2O) wird in deutschen Fertigarzneimitteln als Hilfsstoff und in Kosmetika verwendet. In ausländischen Fertigarzneimitteln wird es als Antiinfektivum und Antiseptikum zur oralen Lokalbehandlung eingesetzt.

 

Natriumpercarbonat

Natriumpercarbonat leitet sich von der Peroxokohlensäure (H2CO4) ab und wurde früher als Antiinfektivum und Antiseptikum zur oralen Lokalbehandlung eingesetzt.

 

Formalin

Formalin ist eine meist 35-prozentige wässrige Formaldehyd-Lösung (H2CO), die in humanen und veterinären Fertigarzneimitteln eingesetzt wird. Sie wird wegen ihrer bakteriziden, viruziden und sporoziden Wirkung als Antiseptikum beziehungsweise Desinfektionsmittel verdünnt verwendet. Die letale Dosis beträgt 10 bis 20 ml einer 35-prozentigen Lösung. Die Symptome sind unter anderem Erbrechen und Atemnot. Das Einatmen von Dämpfen sollte vermieden werden. Auch ein allergisches Kontaktekzem kann auftreten. Die möglicherweise kanzerogene Wirkung ist umstritten.

 

Silberkolloid

Silberkolloid wird in der Human- und Veterinärmedizin (Haus- und Nutztiere) wegen seiner antimikrobiellen Wirkung bei Darmentzündungen verwendet. Die freien Silberionen binden an Sulfhydryl- und Carboxyfunktionen mikrobieller Enzyme, was zu Störungen im Kohlenhydrat- und Proteinstoffwechsel der Mikroorganismen führt. Silber wirkt gegen Enterobakterien, Campylobacter, Corynebakterien, Staphylokokken, Streptokokken, Süßwasseralgen (Spirogyra) und gegen Hefen.

 

Fazit

 

Einige Zierfisch-Arzneimittel sind durchaus nicht unbedenklich, wenn unsachgemäß mit ihnen umgegangen wird oder sie in Kinderhände gelangen. Viele Arzneimittel stammen jedoch aus der Humanmedizin und sind weitgehend unbedenklich. Für sie gelten die bekannten Vorsichtsmaßnahmen. Ein erhöhtes gesundheitliches Risiko besteht bei: 9-Aminoacridin, Formalin, Fuchsin, Kalomel, Phenol und Resorcin.

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