Gefahr für Groß und Klein |
02.12.2014 16:17 Uhr |
Von Marion Hofmann-Aßmus / Virale Erkrankungen wie Mumps, Masern, Röteln oder Varizellen (MMRV) sind schon für Kinder nicht ohne Risiko und können in Einzelfällen erhebliche Komplikationen auslösen. Bei Erwachsenen verlaufen die Infektionen in der Regel wesentlich schwerer. Den wirksamsten Schutz bieten Impfungen. Doch hier bestehen gravierende Lücken.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich zum Ziel gesetzt, Masern und Röteln in der europäischen WHO-Region bis zum Jahr 2015 auszurotten. Deutschland ist davon allerdings weit entfernt. Gerade Masern treten immer wieder auf. Jüngstes Beispiel ist ein Ausbruch in einem Aufnahmelager für Flüchtlinge in München im August dieses Jahres. Bei vier Asylsuchenden im Alter von 25 bis 27 Jahren diagnostizierte man die Krankheit; die Betroffenen kamen ins Krankenhaus. Durch umgehend eingeleitete Maßnahmen wie etwa Impfangebote ließ sich eine weitere Ausbreitung verhindern.
Hautausschläge sind ein wichtiges, aber nicht das einzige Symptom vieler viraler Infektionen.
Foto: Fotolia/Dan Race
Wie viele Kinderkrankheiten sind Masern hoch ansteckend und keineswegs harmlos. Sie können sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen schwere Komplikationen verursachen. Besonders gefürchtet ist die akute postinfektiöse Masernenzephalitis, die bei Kindern jedoch selten auftritt. Der einzige, dem Robert-Koch-Institut (RKI) 2013 gemeldete Fall betraf einen 42-jährigen Mann (1). Abgesehen von diesen Einzelfällen verläuft die Masernerkrankung bei Erwachsenen insgesamt deutlich schwerer als bei Kindern. Etwa 40 Prozent der Betroffenen müssen im Krankenhaus behandelt werden. Im Zeitraum von 2001 bis 2012 starben in Deutschland 15 Menschen an Masern, was einer Letalität von etwa einem Todesfall pro 1000 Erkrankten entspricht (2).
Auch Mumps kann zu gravierenden Folgeerkrankungen, beispielsweise einer Meningitis, führen. Zudem besteht insbesondere für junge Männer die Gefahr, unfruchtbar zu werden, da die Viren häufig eine Hodenentzündung (Mumps-Orchitis) auslösen. Eine Infektion in der Schwangerschaft kann eine Fehlgeburt auslösen.
Erkrankt eine schwangere Frau an Röteln, ist das Risiko groß, dass die Infektion auf das Ungeborene übertragen wird und schwere Fehlbildungen verursacht. Die gleiche Komplikation kann bei einer Ansteckung mit Windpocken (Varizellen) auftreten, wenngleich das Übertragungsrisiko geringer ist. Im schlimmsten Fall kommt es zur Fehlgeburt.
Impfung dringend empfohlen
Aufgrund der schwerwiegenden Risiken rät die Ständige Impfkommission (STIKO) zur Impfung gegen Mumps, Masern, Röteln und Varizellen. Zur Grundimmunisierung sollten Kleinkinder zwischen elf und 23 Monaten zwei Impfungen mit einem Lebendimpfstoff erhalten. Außerdem empfiehlt die STIKO allen Personen, die noch nicht oder nur unvollständig geimpft wurden, die Impfungen bis zum 18. Lebensjahr nachzuholen.
Seit August 2010 wird die Masern-impfung allen nach 1970 Geborenen ohne ausreichenden Impfschutz angeraten, vorzugsweise mit einem MMR-Impfstoff. Darunter fallen Personen, die noch gar nicht oder nur einmal geimpft wurden oder nicht wissen, ob sie eine Impfung erhalten haben – etwa weil kein Impfbuch vorhanden ist. Von Bedeutung ist die Impfung vor allem für Personen, die im Gesundheitsdienst arbeiten, mit immungeschwächten Patienten Kontakt haben oder in Gemeinschaftseinrichtungen tätig sind. In Deutschland sind Masernfälle namentlich meldepflichtig.
Für Röteln lautet die STIKO-Empfehlung, dass alle ungeimpften Frauen im gebärfähigen Alter sowie Frauen, bei denen unbekannt ist, ob und wie sie geimpft wurden, zwei Impfungen im Abstand von mindestens vier Wochen erhalten sollten.
Wann nicht?
Von einer MMR-Impfung ist abzuraten, wenn eine akute behandlungsbedürftige Erkrankung vorliegt, Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der ersten Impfung auftraten oder eine Allergie gegen Impfstoffbestandteile bekannt ist. Bei Patienten mit immunsuppressiver Therapie dürfen Lebendimpfstoffe in der Regel erst drei bis sechs Monate nach Absetzen der Therapie verabreicht werden. Während einer Schwangerschaft sind nur dringend indizierte Impfungen erlaubt, etwa die Varizellenimpfung nach einer Exposition (2).
Kein Hinderungsgrund sind dagegen banale Infekte mit einer Temperatur unter 38,5 °C, Autoimmunerkrankungen wie Hashimoto-Thyreoiditis, Hauterkrankungen wie Ekzeme, chronische Erkrankungen sowie eine Antibiotika- oder niedrig dosierte Corticoidtherapie. Auch frühgeborene Kinder sollten unabhängig von ihrem Geburtsgewicht ab dem 11. Monat gegen MMRV geimpft werden.
Masernausbrüche in Wellen
Allen Bemühungen zum Trotz kommt es in Deutschland alle paar Jahre zu einem deutlichen Anstieg der Masernausbrüche, so etwa im Jahr 2006 mit 2308 gemeldeten Fällen oder jüngst 2013 mit 1769 Erkrankten (Grafik).
Gemeldete Masernfälle in Deutschland von 2001 bis 2014; Quelle RKI, SurvStat
*) Datenstand 3. 9. 2014
Betroffen sind insbesondere Säuglinge und junge Erwachsene. Säuglinge infizieren sich, da sie erst ab elf Monaten geimpft werden sollten (vorher ist die Immunantwort zu schwach) und die Impfung zudem oft von den Eltern hinausgezögert wird. Außerdem steigt die Anzahl der Mütter, die ihren Säuglingen keinen oder nur geringen Nestschutz mitgeben können – entweder weil sie die Krankheit selbst nicht durchgemacht haben oder weil sie nicht geimpft wurden und daher einen geringeren Antikörpertiter aufweisen. Die Inzidenz der Masern ist in dieser Altersgruppe in den letzten Jahren kaum gesunken: von 147 pro 1 Million Säuglinge im Jahr 2001 auf 125 pro 1 Million im Jahr 2013 (1).
Dies könnte nur eine ausreichende Herdenimmunität ändern, doch die dafür erforderliche Immunisierungsrate von 95 Prozent der Bevölkerung durch zwei (!) Impfungen oder eine durchgemachte Erkrankung ist laut RKI nicht erreicht. So liegen beispielsweise die Impfquoten von Jugendlichen der 6. bis 10. Klassen in den östlichen Bundesländern zwischen 91,6 und 94,8 Prozent, in Bayern jedoch nur bei 88,4 Prozent (Jugendliche der 6. Klasse).
Schwerer Ausschlag mit Blutungen bei Masern
Foto: DGK/Sitzmann
Jugendliche mit Migrationshintergrund sind ebenfalls oft ungeimpft. Wie die Daten des Kinder- und Jugendgesundheits-Surveys (KiGGS) zeigen, haben von den nach der Geburt zugewanderten 11- bis 17-Jährigen nur 86 Prozent die erste Masern-Impfung erhalten, gegenüber 95 Prozent der in Deutschland Geborenen mit Migrationshintergrund. Für die zweite Impfung seien die Defizite bei nach der Geburt zugewanderten Jugendlichen noch gravierender, schreibt das RKI (4).
Rund 85 Prozent der 2013 an Masern Erkrankten waren nicht geimpft. Wie die Experten des RKI betonen, sind die Ausbrüche in Deutschland daher auf eine zu hohe Zahl an Ungeimpften zurückzuführen. Vereinzelt bringen Urlauber die Erkrankung von Fernreisen mit. So fordert das RKI etwa bei Reisenden nach Bali (Indonesien) einen vollständigen Impfschutz gegen Masern (1).
Zweiphasiger Verlauf
Masern kommen weltweit vor. In Afrika und Asien gehören sie zu den zehn häufigsten Infektionskrankheiten mit einer hohen Rate an Todesfällen.
Das Masernvirus gehört zur Familie der Paramyxoviren und wird durch direkten Kontakt mit Körpersekreten oder mittels Tröpfcheninfektion übertragen. Es ist extrem infektiös: Ein Erkrankter steckt durchschnittlich 15,6 weitere Personen an – sofern sie ungeschützt sind. Das Ansteckungspotenzial wird dadurch erhöht, dass der Erkrankte bereits drei bis fünf Tage vor dem Auftreten des Exanthems und bis zu vier Tage danach infektiös ist.
Ein vollständiger Impfschutz ist auch vor Fernreisen empfehlenswert.
Foto: Superbild
Die Krankheit verläuft zweiphasig. Nach acht bis zehn Tagen kommt es zu erkältungsähnlichen Symptomen wie Fieber, Konjunktivitis, Schnupfen und Husten. Ein typisches Masernzeichen findet sich in der frühen Phase im Mund: rote Flecken mit einem weißen Punkt in der Mitte auf der Wangenschleimhaut. Es folgt eine kurze Zeit mit sinkendem Fieber, bevor nach etwa 14 Tagen die zweite Phase mit dem charakteristischen Hautausschlag auftritt. Das Masernexanthem mit bräunlich-rosafarbenen konfluierenden Hautflecken beginnt meist hinter den Ohren und breitet sich über den ganzen Körper aus. Es bleibt vier bis sieben Tage bestehen. Eine Blickdiagnose reicht nicht aus. Es sollten ein Labornachweis anhand von IgG- und IgM-Antikörpern und möglichst auch ein direkter Virusnachweis mittels Polymerasekettenreaktion (PCR) erfolgen.
Geschwächtes Immunsystem
Aufgrund der Infektion entsteht eine vorübergehende Immunschwäche, die etwa sechs Wochen anhält. Dadurch sind die Patienten sehr empfänglich für Sekundärinfektionen wie insbesondere Mittelohrentzündung (Otitis media), Bronchitis, Pneumonie oder Diarrhö. Bei etwa 0,1 Prozent entwickelt sich eine akute postinfektiöse Enzephalitis, die mit Kopfschmerzen, Fieber und Bewusstseinsstörungen bis zum Koma einhergeht. Diese Komplikation endet bei etwa 10 bis 20 Prozent der Betroffenen tödlich; 20 bis 30 Prozent erleiden Folgeschäden des Zentralen Nervensystems (2). Von »Masern-Partys«, auf denen eine Infektion mit Wildtyp-Masernviren absichtlich herbeigeführt wird, ist daher dringend abzuraten.
Auch Impf-Masernviren können zu einer Erkrankung führen, die jedoch wesentlich harmloser ausfällt. Deutlich seltener als bei einer »echten« Infektion kommt es zu einer Enzephalitis (1:1 Million versus 1:1000).
Eine weitere schwere Komplikation ist die subakute sklerotisierende Panenzephalitis (SSPE). Sie manifestiert sich erst einige Jahre nach der akuten Maserninfektion (oft im 6. bis 13. Lebensjahr) und kommt neueren Studien zufolge wesentlich häufiger vor als bislang angenommen (5). Demnach betrifft die SSPE eines von 3300 Kindern, die sich unter fünf Jahren mit Wildtypviren infiziert haben. Bei dieser letal verlaufenden Infektion persistieren die Viren im Gehirn und führen zu einem allmählichen kognitivem Abbau. Schließlich fallen die Kinder in ein Wachkoma und sterben nach Monaten oder Jahren.
Während die Impfraten bei Kleinkindern in Deutschland zufriedenstellend sind und eher steigen, stellen die Experten bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine sehr nachlässige Einstellung fest. Entsprechend hoch ist der Anteil dieser Altersgruppe zum Beispiel bei Masern. 39 Prozent der 2013 an Masern Erkrankten waren älter als 20 Jahre, etwa 9 Prozent älter als 40 Jahre (1).
Welche Ursachen dieser Haltung zugrunde liegen, beleuchtet eine Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) (3): Demnach haben 81 Prozent der nach 1970 Geborenen noch nichts von der STIKO-Empfehlung gehört, sich gegen Masern impfen zu lassen. Viele wissen nicht einmal, wo ihr Impfbuch sein könnte. Dazu kommt, dass ein Viertel bis knapp ein Drittel der Befragten zwischen 16 und 50 Jahren die Masernimpfung für »nicht so wichtig« hält. Dementsprechend gering ist das Interesse daran. Obwohl sich rund 20 Prozent weder an eine Impfung noch an eine Erkrankung erinnern können, äußerten nur 13 Prozent die Absicht, sich innerhalb der nächsten zwölf Monate impfen zu lassen.
Als Grund für die bisher vernachlässigte Impfung gab die Mehrheit an, dass sie »niemand auf die Notwendigkeit einer Impfung hingewiesen« habe. Hier könnte sich für Apotheker die Möglichkeit ergeben, junge Erwachsene zu beraten und darüber aufzuklären, wie wichtig die Impfungen sind. Die BZgA nahm die Umfrage-Ergebnisse zum Anlass, die Kampagne »Deutschland sucht den Impfpass« zu initiieren (www.impfen-info.de/impfpass).
Gefährlich sind Masernviren auch für Immunsupprimierte. Hier ist das Exanthem nur schwach oder atypisch vorhanden. Es können jedoch schwere Komplikationen wie die Riesenzellpneumonie oder eine besondere Form der Hirnentzündung, die Masern-Einschlusskörper-Enzephalitis (MIBE) auftreten. Diese führt bei etwa 30 Prozent der Betroffenen zum Tod (2). Bei einer möglichen Ansteckung kann der Arzt in diesen Fällen (ebenso wie bei Schwangeren oder Säuglingen) eine passive Immunisierung mit humanem Immunglobulin erwägen. Bei ungeimpften Personen, die Kontakt zu Kranken hatten, lässt sich die Erkrankung dadurch häufig unterdrücken oder zumindest abschwächen.
Ist die Krankheit bereits ausgebrochen, sind lediglich die Begleitsymptome wie Fieber oder Husten behandelbar (6). Zudem werden Bettruhe, viel Flüssigkeit und eventuell ein Antibiotikum gegen die bakterielle Superinfektion empfohlen.
Röteln: im Ausland nicht selten
Die Erreger der Röteln zählen zu den Rubellaviren und werden mittels Tröpfcheninfektion übertragen. Infizierte sind bereits eine Woche vor dem sichtbaren Hautausschlag ansteckend und bis zu einer Woche danach (6). In Deutschland sind Rötelninfektionen selten und nicht meldepflichtig (Ausnahme: Infektion bei Neugeborenen). Im europäischen Ausland kommt es aber durchaus noch zu Ausbrüchen. Im Jahr 2012 wurden in Europa mehr als 27 000 Fälle registriert, insbesondere in Rumänien (76 Prozent) und Polen (23 Prozent) (7).
Röteln: hellrotes kleinfleckiges Exanthem auf dem gesamten Körper (oben); Typische Schwellung der Ohrspeicheldrüse bei einer Mumpsinfektion
Foto: Fotos: DGK/Sitzmann
Nach zwei bis drei Wochen Inkubationszeit tritt zunächst eine leichte Entzündung der Atemwegsschleimhäute mit Gesichtsrötung auf. Anschließend breitet sich vom Gesicht ausgehend ein hellrotes, kleinfleckiges Exanthem auf dem gesamten Körper aus. Für etwa eine Woche kann der Kranke zudem unter Kopfschmerzen, erhöhter Temperatur, Gelenkbeschwerden, Lymphknotenschwellungen und/oder Bindehautentzündung leiden. Zur symptomatischen Therapie werden analgetische und fiebersenkende Medikamente eingesetzt (6).
Bei Kindern verläuft die Erkrankung häufig asymptomatisch. Mit zunehmendem Alter kommt es vermehrt zu Beschwerden und Komplikationen wie einer Myo- oder Perikarditis, Entzündungen der Ohren, des Gehirns oder der Finger-, Hand- und Kniegelenke.
Besonders gefürchtet ist die Rötelninfektion bei Schwangeren. Denn eine Infektion in der Frühschwangerschaft (1. bis 8. Woche) geht mit einem hohen Risiko für kongenitale Defekte wie Gehörschäden, Herzfehler, Katarakt, Mikrozephalie und mentale Retardierung einher. Je später die Infektion stattfindet, desto spezieller sind die Auswirkungen. So kann etwa eine isolierte Taubheit als Folge einer Infektion im 3. Trimenon auftreten. In Deutschland beschränkt sich die Rötelnembryopathie auf einzelne Fälle. Dennoch birgt ein Kontakt mit Röteln für ungeschützte Schwangere ein hohes Risiko.
Eine Impfung mit dem Lebendimpfstoff ist in der Schwangerschaft zwar kontraindiziert, kommt jedoch in Einzelfällen vor. »Bislang wurde nach einer Impfung in der Frühschwangerschaft kein Fall einer Impfvirus-Embryopathie beschrieben. Daher ist ein Schwangerschaftsabbruch nicht erforderlich«, erklärte der Facharzt für Mikrobiologe und Virologie, Privatdozent Dr. Martin Enders, aus Stuttgart bei einem gynäkologischen Symposium in Bielefeld (7). »Hatte eine Schwangere Kontakt zu Röteln oder treten Symptome auf, würde ich immer eine Röteln-Antikörper-Bestimmung durchführen lassen und mich nicht auf eine dokumentierte Impfung oder serologische Vorbefunde verlassen.«
Mumps: Unfruchtbarkeit als mögliche Folge
Die zu den Paramyxoviren zählenden Mumpsviren verbreiten sich über Tröpfcheninfektion. Die Ansteckungsgefahr besteht bereits sieben Tage vor und bis zu neun Tage nach den ersten Anzeichen.
Bei unter Zweijährigen verläuft die Erkrankung häufig symptomlos. Ältere Kinder klagen über geschwollene Ohrspeicheldrüsen, Fieber, Kopf-, Hals- und Gliederschmerzen. Je nach Empfindung helfen wärmende Ölverbände oder kühlende Umschläge auf den Ohrspeicheldrüsen sowie fiebersenkende Medikamente. Von sauren Flüssigkeiten sollte das Apothekenteam abraten, da diese die Speicheldrüsenaktivität anregen. Bei Schluckbeschwerden sind weiche breiige Speisen geeignet. Zu beachten ist, dass Kinder keine Acetylsalicylsäure zur Schmerzlinderung erhalten dürfen, da diese das lebensbedrohliche Reye-Syndrom auslösen kann.
Die Erkrankung bleibt bei Kindern in der Regel folgenlos, die Komplikationsrate steigt jedoch mit zunehmendem Alter. Mit etwa 60 Prozent gehört die ZNS-Beteiligung zu den häufigsten Komplikationen, von der insbesondere Männer betroffen sind. Bei 1 bis 10 Prozent der Erkrankten kommt es zu einer Meningitis ohne Spätfolgen. Schwerwiegender ist die Mumps-Enzephalitis, die bei 1,5 Prozent der Patienten tödlich verläuft, jedoch mit unter 1 Prozent selten ist (8).
In der Frühschwangerschaft kann eine Infektion mit Röteln oder Varizellen fatale Folgen haben.
Foto: Fotolia/Alexander Raths
Von einer bleibenden einseitigen Taubheit sind 1 von 20 000 Mumpspatienten betroffen. Infizieren sich männliche Erwachsene nach der Pubertät, verursacht das Virus relativ häufig (bei 15 bis 30 Prozent) eine Hodenentzündung, die in seltenen Fällen zur Unfruchtbarkeit führt. Bei jungen Frauen können die Eierstöcke infiziert werden, eine Unfruchtbarkeit resultiert jedoch seltener als bei Männern. Für Schwangere und Ungeborene birgt die Infektion keine speziellen Gefahren (8).
Windpocken: mehr als juckende Bläschen
Windpocken werden durch Varizella-Zoster-Viren verursacht und über Tröpfchen- und Schmierinfektionen verbreitet. Die Ansteckungsgefahr beginnt zwei Tage vor dem Ausbruch des Exanthems und hält bis zur Verkrustung aller Bläschen an (etwa zehn Tage). Der stark juckende Ausschlag beginnt am Rumpf und breitet sich dann schubförmig über den ganzen Körper aus. Teilweise sind auch Mundschleimhaut und Scheide betroffen.
Gegen den Juckreiz hilft eine lokal angewandte 5-prozentige Polidocanol-Zubereitung (etwa in Lotio alba) (6). Salben sind nicht geeignet, da sie einen Okklusionseffekt verursachen, der bakterielle Infektionen begünstigt. Zu empfehlen sind systemisch verabreichte Antihistaminika und bei schweren Verläufen Aciclovir parenteral.
Die bakterielle Superinfektion der Bläschen zählt zu den häufigsten Komplikationen bei Kindern. Gravierender ist die Varizellenpneumonie, die bei bis zu 20 Prozent der Erwachsenen auftritt. Bei etwa 0,1 Prozent der Erkrankten ist das ZNS betroffen. Beschrieben sind zum Beispiel meningeale Reizung, Meningitis oder Enzephalitis. In Einzelfällen kann es auch zu Myokarditis, Nephritis, Arthritis, Blutungsneigung oder Hepatitis kommen. Personen mit geschwächtem Immunsystem oder unter einer immunsuppressiven Therapie, zum Beispiel mit Glucocorticoiden oder Zytostatika, sowie Schwangere erleiden häufiger schwere Krankheitsverläufe (9).
Eine Infektion bei Schwangeren im ersten Trimenon kann das fetale Varizellensyndrom auslösen, das beim Kind Hautdefekte, Schäden des Nervensystems, Augenerkrankungen sowie Fehlbildung am Skelettsystem verursacht. Wird die Infektion durch eine Erkrankung der Mutter kurz vor oder nach der Entbindung auf das Neugeborene übertragen, besteht kein Immunschutz. Daher sind die Verläufe sehr schwer; bis zu 30 Prozent der Neugeborenen sterben daran (9).
Etwa jede fünfte Person, die das Varizella-Zoster-Virus im Körper trägt, erkrankt im Verlauf ihres Lebens an Gürtelrose. Diese Erkrankung kann zwar auch bei geimpften Personen auftreten, jedoch seltener als bei Ungeimpften (9). Eine Gürtelrose kann bei Erwachsenen erhebliche Schmerzen auslösen, die auf einer akuten Entzündung peripherer Nerven beruhen. Die Nervenschmerzen können über längere Zeit, in Einzelfällen sogar lebenslang bestehen bleiben (Post-Zoster-Neuralgie). /
Marion Hofmann-Aßmus absolvierte eine Ausbildung als veterinärmedizinisch-technische Assistentin (VMTA) und studierte anschließend Biologie an der Ludwig-Maximilians-Universität, München. Promoviert wurde sie 1999 mit einer Arbeit zu molekularer Kardiologie an der Chemischen Fakultät der LMU München. Seither ist sie freiberuflich in verschiedenen Redaktionen und als Fachjournalistin tätig.
Dr. Marion Hofmann-Aßmus, Abt-Führer-Straße 9a, 82256 Fürstenfeldbruck, hofmann_assmus(at)t-online.de