Europäische Lebensmittelinformationsverordnung – Pflichten für Apotheken (?) |
02.12.2014 16:18 Uhr |
Europäische Lebensmittelinformationsverordnung – Pflichten für Apotheken (?)
Von Katja Rothbart, Berlin / Ab dem 13.12.2014 wird die Europäische Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV)1) zum größten Teil verbindlich.2) Hieraus resultieren im Rahmen der Abgabe von Lebensmitteln und auch bei der Kennzeichnung im Versandhandel Pflichten für Apotheken.
1) Allgemeines zur Verordnung
Da es sich um eine Verordnung und nicht um eine Richtlinie handelt, besitzt sie in den Mitgliedstaaten unmittelbare Geltung. Die zurzeit in Deutschland anzuwendende Lebensmittelkennzeichnungsverordnung wird mit Geltungsbeginn der LMIV von dieser abgelöst. Im Übrigen ermächtigt die LMIV zu sog. delegierten Rechtsakten3) oder Durchführungsverordnungen,4) die die LMIV weiter konkretisieren sollen. Daher wird man auch die weiteren Entwicklungen beobachten müssen.
2) Inhalt und Zweck der Verordnung
Die Verordnung bestimmt, dass alle Lebensmittel in bestimmter Weise mit nötigen Informationen gekennzeichnet werden sollen. Dies soll dem Verbraucherschutz, aber auch dem Gesundheitsschutz dienen. Dem Verbraucher soll insbesondere die Möglichkeit eröffnet werden, mit diesen Informationen »eine fundierte Wahl zu treffen«.5)
3) Welche Lebensmittel werden erfasst?
Grundsätzlich werden alle Lebensmittel erfasst, die an den Endverbraucher abgegeben werden sollen. Für die Bestimmung des Begriffs »Lebensmittel« verweist die Verordnung auf die Verordnung (EG) Nr. 178/2002.6) Nach deren Definition in Artikel 2 fallen unter Lebensmittel »alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigen Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden«. Auch Getränke und Kaugummi werden erfasst. Ausgeschlossen sind unter anderem Arzneimittel, kosmetische Mittel und Betäubungsmittel. Gerade die Abgrenzung zu den Arzneimitteln ist jedoch häufig Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen.7) Diese Problematik wird sich daher auch bei der Umsetzung der LMIV fortsetzen. Auch Nahrungsergänzungsmittel gelten als Lebensmittel8) und sind daher von der LMIV erfasst. Diese sind lediglich von einer Deklaration der Nährwerte ausgenommen.9) Von der Nährwertdeklaration sind im Übrigen auch die im Anhang V der Verordnung aufgeführten Lebensmittel, zum Beispiel Tee,10) Kaugummi11) und solche, deren größte Oberfläche weniger als 25 cm2 beträgt,12) befreit.
4) Wer wird als Verantwortlicher erfasst und welche Pflichten treffen diesen?
Nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung wird als Verantwortlicher der Lebensmittelunternehmer erfasst, »unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt.« Für die Definition des Begriffs »Lebensmittelunternehmer« wird dabei erneut auf die Verordnung (EG) Nr. 178/200213) verwiesen. Hiernach sind Lebensmittelunternehmer »die natürlichen oder juristischen Personen, die dafür verantwortlich sind, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden«.14) Lebensmittelunternehmen wiederum sind »alle Unternehmen, gleichgültig, ob sie auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind oder nicht und ob sie öffentlich oder privat sind, die eine mit der Produktion, der Verarbeitung und dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen«.15) Erfasst werdend daher nicht nur die Hersteller, sondern auch alle Unternehmen auf den nachfolgenden Handelsstufen.16) Somit fallen also auch Apotheken, sofern sie Lebensmittel anbieten, unter den Begriff des Lebensmittelunternehmens. Im Grunde würde sie daher nach der Definition die Pflicht zur Kennzeichnung treffen. Da jedoch solche Lebensmittelunternehmen, die lediglich als Händler auftreten (in diesem Sinne auch die Apotheke) in der Regel keinen Einfluss auf die Information über das Lebensmittel haben und insbesondere weder am Herstellungsprozess beteiligt sind noch das Lebensmittel unter ihrem Namen vermarkten wollen, macht die Verordnung insoweit eine Ausnahme von der Kennzeichnungspflicht. Allerdings postuliert Art. 8 Absatz 2 ein Abgabeverbot, wenn der Lebensmittelunternehmer Kenntnis von einem Kennzeichnungsverstoß hat oder einen solchen annehmen muss. Was dabei genau unter »annehmen müssen« verstanden werden kann, ist jedoch nicht klar. Insofern wird man daher auf etwaige Auslegungen warten müssen.17) Fraglich ist, inwiefern der Händler nun vor Abgabe das Produkt auf etwaige Kennzeichnungsfehler kontrollieren muss beziehungsweise welche Prüfpflichten ihn treffen. Im Gegensatz zur EU-Kosmetik-Verordnung sind in der LMIV keine ausdrücklichen Pflichten für den Lebensmittelunternehmer, der nur Händler ist, festgelegt. Insbesondere gibt es keine Pflicht zur ständigen oder stichprobenartigen Kontrolle der Produkte vor der Abgabe. Insofern wird man davon ausgehen müssen, dass eine Überprüfung auf jeden Fall dann zu erfolgen hat, wenn durch Informationen von außen (Warnungen et cetera) die Möglichkeit eines Verstoßes naheliegt.18) Im Übrigen sollte sich angewöhnt werden, (mindestens bei gelegentlichen Stichproben) beim Auspacken oder Einordnen von Lebensmitteln einen Blick auf den Angabenkatalog zu werfen, um zu erkennen, ob verbindliche Angaben fehlen. Aufgrund der geringen Zahl an Lebensmitteln in der Apotheke (im Vergleich zu Arzneimitteln), sollte sich der Zeitaufwand für diese Sichtkontrolle in Grenzen halten.
5) Umfang der Kennzeichnungspflicht
Nach der LMIV sind folgende Angaben nunmehr verpflichtend:
Gemäß Artikel 12 Absatz 2 sind diese Angaben bei vorverpackten Lebensmitteln auf der Verpackung oder auf einem auf der Packung befestigten Etikett zu machen. Für Nahrungsergänzungsmittel entfällt gemäß Art. 29 die Pflicht zur Nährwertdeklaration; bei diesen sind also nur die übrigen Pflichtangaben zu machen. Wie genau die einzelnen Angaben auszusehen haben, beschreibt die Verordnung im 2. Abschnitt. Für den Nur-Händler ist dies jedoch unerheblich, da er höchstens prüfen muss, ob diese Angaben überhaupt vorhanden sind. Eine inhaltliche Kontrolle auf Richtigkeit wird ihm aber gerade nicht auferlegt.
6) Fernabsatzgeschäft
In die volle Pflicht zur Kennzeichnung werden Händler jedoch dann genommen, wenn sie Lebensmittel im Rahmen des Fernabsatzgeschäftes verkaufen, also mittels Katalog oder über einen Online-Shop. In diesen Fällen müssen die verpflichtenden Angaben über die zu verkaufenden Lebensmittel dem Verbraucher nach dem Sinn der Vorschrift vor seiner Kaufentscheidung zur Verfügung gestellt werden.19) Dies sollte möglichst auf dem Träger des Fernabsatzgeschäftes erfolgen,20) also im Katalog oder auf der Website. Der Kunde muss hier, da er das Produkt nicht selber in den Händen halten und sich die Pflichtangaben anschauen kann, die Möglichkeit haben, sich mit diesen Informationen wohlüberlegt für ein Produkt entscheiden zu können. Lediglich das Mindesthaltbarkeitsdatum beziehungsweise das Verbrauchsdatum müssen nicht angegeben werden.21) Insoweit eigentlich selbstverständlich stellt Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 klar, dass die zu liefernden Artikel (ebenfalls) die notwendigen Informationen tragen müssen, insbesondere auch nunmehr das Mindesthaltbarkeits- beziehungsweise Verbrauchsdatum. Spätestens oder zumindest auch hier wäre also anzuraten, vor dem Versenden das Lebensmittel noch einmal auf diese Pflichtangaben zu überprüfen. Andere Vorschriften zum Fernabsatz bleiben dem Grunde nach natürlich weiterhin anwendbar.
7) Pflichten in Bezug auf Werbung?
Die genannte Kennzeichnungspflicht gilt nicht für Werbeangaben. Für Werbung gelten aber die Vorschriften in der Verordnung zur »Lauterkeit der Informationspraxis« (Art. 7). Diese sind vergleichbar mit ähnlichen Vorschriften im HWG und UWG, wonach Informationen nicht irreführend sein dürfen.
8) Zeitliche Geltung/ Übergang
Grundsätzlich sind die erforderlichen Angaben ab dem 13.12.2014 verpflichtend. Angaben zur Nährwertdeklaration sind ab 13.12.2016 verbindlich. Artikel 54 Absatz 1 Satz 1 bestimmt jedoch, dass Produkte, die bereits vor Geltungsbeginn am 13.12.2014 in den Verkehr gebracht wurden, weiterhin vermarktet werden dürfen, bis die Bestände verkauft wurden.
Lebensmittel ohne Nährwertdeklaration dürfen sogar bis 13.12.2016 in den Verkehr gebracht werden und danach bis zum Aufbrauchen der Bestände vermarktet werden.22)
Daher darf also auch der Händler nach dem 13.12.2014 die bereits zu diesem Zeitpunkt in seinem Besitz befindlichen Lebensmittel noch abgeben, auch wenn diese nicht die erforderliche Kennzeichnung aufweisen. Problematisch ist jedoch, dass er nicht wissen kann, ob es sich bei der Lieferung weiterer Waren, die die verpflichtenden Angaben nicht enthalten, um solche Restbestände der Vorlieferanten handelt, die noch abgeben werden dürfen oder ob insoweit schon ein Kennzeichenverstoß vorliegt, der dann zu einem Abgabeverbot führen würde. In diesen Fällen bleibt den Apotheken daher nur anzuraten, sich die Tatsache eines Restbestandes vom Lieferanten oder Hersteller bestätigen zu lassen.
9) Sanktionen
Die Ahndung von Verstößen gegen die LMIV obliegt den Mitgliedstaaten, weshalb sich in der Verordnung auch keine entsprechenden Straf- oder Bußgeldvorschriften befinden. Der deutsche Gesetzgeber hat noch keine Regelungen hierzu erlassen, sodass diesbezüglich abgewartet werden muss und der Sanktion von Verstößen bis dahin die Rechtsgrundlage fehlt.
10) Fazit
Mit der Europäischen Lebensmittelinformationsverordnung werden die zum Teil schon national vorhandenen Kennzeichnungsinhalte weiter konkretisiert und europaweit verbindlich festgelegt. Die Verantwortung für die Einhaltung wird dabei der gesamten Handelskette übertragen. Apotheken werden dem gerecht, indem sie durch Sichtkontrolle und Aufmerksamkeit bezüglich etwaiger Meldungen die Pflichtangaben auf den Lebensmitteln in der Präsenzapotheke überprüfen. Hierbei dürfte zunächst durch eine Anweisung im QMS, mindestens gelegentliche Stichproben durchzuführen, der Pflicht Genüge getan werden, Kennzeichnungsverstöße zu erkennen. Bei großen und namhaften Herstellern wird man zudem davon ausgehen können, dass diese bereits aus eigenem Marktinteresse ihrer Pflicht zur Kennzeichnung nachkommen werden. Im Versandhandel wiederum kommen auch Apotheken nicht um die Pflicht zur Kennzeichnung herum und müssen daher bis zum 13.12.2014 ihre Webseiten entsprechend angepasst haben. Der Einhaltung und Umsetzung der Vorschriften sollte insbesondere vor dem Hintergrund möglicher wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen besondere Bedeutung beigelegt werden. /
Fußnoten