Parteichefs streichen Klinikfonds |
03.12.2013 19:05 Uhr |
Von Stephanie Schersch / Mehr als zwei Monate nach der Bundestagswahl haben sich Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Die Parteichefs sind zufrieden mit ihrem Werk. Dabei haben es nicht alle Beschlüsse der Arbeitsgruppen in die Vereinbarung geschafft. Das gilt auch für den Gesundheitsbereich.
17 Stunden dauerten die abschließenden Gespräche im Willy-Brandt-Haus – eine Marathonsitzung, in der die Parteien fieberhaft versuchten, die letzten Streitpunkte auszuräumen. Besonders strittige Themen mussten Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) im Sechs-Augen-Gespräch klären. Auf 185 Seiten fasst der Koalitionsvertrag nun die Vorhaben einer schwarz-roten Bundesregierung zusammen. In großen Teilen greift das Papier dabei die bereits in den einzelnen Arbeitsgruppen gefassten Beschlüsse auf. In der Endabstimmung haben die Parteichefs allerdings noch einmal den Rotstift angesetzt. So finden sich nicht alle Wünsche der Unterhändler in dem Vertragswerk wieder – dafür fehlt schlichtweg das Geld.
Weniger Ausgaben für Prävention
Auch im Gesundheitsbereich fand nicht jedes Vorhaben die Gnade der Parteivorsitzenden. So soll es für marode Krankenhäuser nun doch keinen Sanierungsfonds geben. 500 Millionen Euro wollten Union und SPD eigentlich zur Verfügung stellen, um finanzschwache Kliniken in überversorgten Gebieten etwa in medizinische Versorgungszentren umwidmen zu können. Darauf hatten sich beide Seiten in der Arbeitsgruppe Gesundheit geeinigt. In letzter Minute wurde diese Regelung jedoch wieder gestrichen. Ähnlich erging es einer anderen ausgabenwirksamen Leistung. So wollten CDU, CSU und SPD die Krankenkassen ursprünglich verpflichten, ab 2015 statt 3 Euro künftig 7 Euro pro Versicherten in Präventionsleistungen zu stecken. Davon ist im Koalitionsvertrag nun keine Rede mehr.
In Berlin präsentierten die Parteichefs stolz den Koalitionsvertrag von Union und SPD. Einige Regelungen waren in letzter Minute wieder aus dem Papier gestrichen worden.
Foto: dpa
Gestrichen wurde darüber hinaus die Zusage, den Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds von insgesamt 14 Milliarden Euro auch in Zukunft nicht zu kürzen. Über den Steuerzuschuss sollen versicherungsfremde Leistungen wie die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern finanziert werden.
Die weiteren Vorhaben in den Bereichen Gesundheit und Pflege wurden hingegen abgesegnet. So sollen Krankenkassen anstelle pauschaler Zusatzbeiträge künftig einkommensabhängige Zuschläge erheben können. In der Pflegeversicherung steigt der Beitrag langfristig um 0,5 Prozentpunkte, zudem soll es einen Vorsorgefonds geben, um Kostensteigerungen abzufedern.
Die Nutzenbewertung von Arzneimitteln auf dem sogenannten Bestandsmarkt wollen die Parteien stoppen, im Gegenzug soll der Herstellerabschlag von 16 Prozent auf 7 Prozent und nicht wie ursprünglich geplant auf 6 Prozent fallen. Darüber hinaus dürfen die Hersteller die Preise für ihre Präparate auch weiterhin nicht erhöhen. Rezepte aus Online-Praxen sollen in deutschen Apotheken bald nicht mehr anerkannt werden. Apotheker und Großhändler müssen sich zudem darauf einstellen, dass ihre Margen künftig auf Basis der verhandelten Erstattungsbeträge berechnet werden. Union und SPD wollen darüber hinaus die Aufstellung einer Aut-idem-Liste dem Gemeinsamen Bundesausschuss übertragen.
Die Opposition vermisst in der Koalitionsvereinbarung »Antworten auf die großen Herausforderungen, die der demografische Wandel für die gesundheitliche Versorgung bringt«, so Grünen-Gesundheitsexpertin Maria Klein-Schmeink. Die ABDA kann neben Risiken auch Chancen in dem Koalitionsvertrag erkennen. In dem Papier äußerten die Parteien ein klares »Bekenntnis zu einer hochwertigen, sicheren und wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch Freiberufler in inhabergeführten Apotheken«, sagte ABDA- Präsident Friedemann Schmidt. Allerdings müssten die Apotheker auch weiterhin das Inkasso des Herstellerabschlags für die Krankenkassen übernehmen und so Bürokratie und Haftungsrisiken schultern. Union und SPD wollen zudem erreichen, dass die ambulante ärztliche Notfallversorgung und der Notdienst der Apotheken besser aufeinander abgestimmt werden. Hier müssten die Apotheker nun prüfen, inwiefern eine engere Verzahnung möglich sei, sagte Schmidt.
Große Chancen erkennt der ABDA-Präsident in den Plänen für den Präventionsbereich sowie für ein verbessertes Entlassmanagement, das Patienten beim Übergang von der stationären in die ambulante Versorgung unterstützen soll. Hier sieht Schmidt auch für Apotheker ein wichtiges Betätigungsfeld. »Die Apotheker werden dafür kämpfen, dass ihre Kompetenz im Gesundheitswesen künftig noch besser genutzt wird«, sagte er.
Die Pharmaindustrie machte erneut Front gegen die geplanten Sparmaßnahmen im Arzneimittelbereich. Erhöhter Herstellerabschlag und Preismoratorium waren 2010 eingeführt worden, um die Krankenkassen finanziell zu entlasten. Zum Jahresende sollten beide Regelungen eigentlich wieder auslaufen – daraus wird nun aber nichts. Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) warnte vor drastischen Auswirkungen auf standortgebundene Unternehmen. Am Ende gehe es um Versorgungssicherheit und regionalen Wohlstand, sagte BPI-Hauptgeschäftsführer Henning Fahrenkamp. »Das sollte auch die Gesundheitspolitik nicht vergessen.«
Generika-Industrie unter Druck
Der Branchenverband Pro Generika forderte, Generika-Hersteller von den Einsparregelungen auszunehmen (lesen Sie dazu auch Herstellerabschlag: Generikahersteller sehen sich im Nachteil). »Im Unterschied zu den patentgeschützten Arzneimitteln tragen Generika seit vielen Jahren zu einer weiter steigenden Entlastung bei den Arzneimittelausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung bei«, so der Verband. Aktuell gilt der erhöhte Herstellerrabatt von 16 Prozent nicht für Generika-Unternehmen, sie müssen den Kassen den regulären Abschlag von 6 Prozent gewähren. Der 7-prozentige Rabatt soll laut Koalitionsvertrag künftig hingegen für alle rezeptpflichtigen Medikamente gelten. Damit würden auch Generika unter die Regelung fallen.
Der GKV-Spitzenverband freut sich über die Verlängerung der Sparmaßnahmen. »Allerdings wird das Einsparvolumen aus Großkundenrabatt und Preismoratorium hinter dem zurückbleiben, was die Bewertung des Bestandsmarkts gebracht hätte«, sagte Verbandschefin Doris Pfeiffer. Sie sorgt sich zudem um den Steuerzuschuss an den Gesundheitsfonds. »Jede Kürzung des Bundeszuschusses lehnen wir ab«, so Pfeiffer. »Richtig wäre es vielmehr, ihn per Gesetz fest an die Entwicklung der Ausgaben für die versicherungsfremden Leistungen zu koppeln.« /
Alle vier Jahre wird in Deutschland ein neuer Bundestag gewählt. Wir berichten mit Blick auf die Gesundheitspolitik und die Auswirkungen für die Apotheken.