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Cumarin in Zimt

Zurzeit keine Gesundheitsgefährdung

05.12.2006  10:45 Uhr

Cumarin in Zimt

Zurzeit keine Gesundheitsgefährdung

Von Jürgen Budde

 

Seit September dieses Jahres kursieren in der Presse Informationen und Halbwahrheiten über Cumarin in Zimt. Das Bundesamt für Risikobewertung kam sogar zu dem Ergebnis, dass Kleinkinder aufgrund einer Gesundheitsgefährdung nicht mehr als zwei Zimtsterne täglich verzehren sollten. Wie kam es dazu? Welche Hintergründe sollte man kennen? Und was ist dran an der ganzen Diskussion?

 

In Presse, Rundfunk, Fernsehen und Internet waren Meldungen wie »Die Lebensmittelindustrie vergiftet die Verbraucher; die Regierung will unbedingt etwas tun und schützt wenigstens die Kinder; Zimtsterne seien zu meiden oder wenigstens nur in geringen Mengen zu verzehren; schon Griesbrei mit Zucker und Zimt bestreut führt zu Leberschäden; Glühweintrinker sollten darauf achten, dass sie nicht mehr als 8 mg Cumarin/Liter (!) zu sich nehmen ...« zu lesen. Diese Aufzählung ließe sich beliebig fortführen.

 

Cumarin ist ein in der Natur weit verbreiteter  Aromastoff, der schon sehr früh (1868) synthetisch hergestellt wurde. Wegen seines intensiven Geruchs wurde er schnell als Grundaromastoff in vielen naturidentischen und künstlichen Aromen eingesetzt. Reines Cumarin verursacht Kopfschmerzen, Erbrechen, Schwindel bis hin zum Atemstillstand sowie Leber- und Nierenschäden (LD50 Ratte 680 mg/kg und Meerschweinchen LD50 202 mg/kg). Dies ist alles schon seit über 100 Jahren bekannt.

 

Um den exzessiven Gebrauch von synthetisch hergestelltem Cumarin in künstlichen Aromen einzuschränken, wurde in die europäische Aromenrichtlinie (1988) ein Grenzwert für Cumarin aufgenommen und dieser richtigerweise in die deutsche Aromenverordnung übernommen. Hiernach soll der Cumaringehalt eines Lebensmittels 2 mg/kg nicht überschreiten. Ausnahmen wurden für Karamellsüßwaren (10 mg/kg), Kaugummi (50 mg/kg) und alkoholische Getränke (10 mg/kg) zugelassen (1). An Zimt und den Cumaringehalt von Zimt hatte zu diesem Zeitpunkt noch keiner gedacht.

 

Zimt ist ein weltweit häufig verwendetes Gewürz, das neben seinen Hauptaromastoffen Zimtaldehyd und Eugenol unter anderem Cumarin enthalten kann. Je nach Herkunft werden heute acht Zimtsorten gehandelt. Die meistgehandelte ist Cassia-Zimt, gefolgt von Ceylon-Zimt mit einem wesentlich geringeren Handelsvolumen.

 

Der Cumaringehalt in Zimt kann sehr unterschiedlich sein. Er ist nicht nur sortenabhängig, sondern auch vom Alter der abgeschälten Zimtrinden sowie der Erntezeit. Da häufig die Rinden nicht von Plantagenbäumen sondern von Wildpflanzen geschält werden, ist es für die Händler schwierig, Zimtrinden mit einem konstanten Cumaringehalt anzubieten (0 bis 4500 mg/kg).

 

Unterscheidung ist maßgeblich

 

Legt man den meistgehandelten Zimt (Cassia) zugrunde, lässt sich grob sagen: Jedes Lebensmittel, das deutlich nach Zimt schmeckt, wie Spekulatius, Lebkuchen, Zimtsterne, Zimteis oder Zimtschokolade, muss im Verdacht stehen, weit mehr als 2 mg Cumarin/kg zu enthalten. Es muss also unterschieden werden zwischen

 

synthetischem Cumarin, dessen bis Ende der 80er-Jahre unbegrenzten Einsatz man reduzieren wollte und

einem natürlichen Cumaringehalt in einigen Zimtsorten, der sehr unterschiedlich hoch sein kann und über dessen Wirkung man im menschlichen Körper, ob positiv oder negativ, bis heute so gut wie nichts weiß.

 

Viele Untersuchungsämter untersuchen schon seit 1998 zimthaltige Lebensmittel und wissen, dass der 2 mg/kg-Grenzwert der Aromenverordnung für viele zimthaltige Lebensmittel nicht einzuhalten ist. Da es bereits Ausnahmen gibt, war es naheliegend, die Gewürzindustrie auf den Tatbestand hinzuweisen, infolgedessen der europäische Gesetzgeber auch für andere zimthaltige Lebensmittel Ausnahmen zulässt. Dies ist bis heute aus unbekannten Gründen nicht geschehen.

 

Tipps für die Beratung

 

Im Januar 2006 hat das Untersuchungsamt Münster Zimtsterne untersucht und dabei Cumaringehalte zwischen 2 und 80 mg/kg gefunden.  Berechnet man die Cumaringehalte nach den Rezepturen, liegen die in Münster gefundenen Werte durchaus im Normalbereich für Zimtsterne, bei denen Cassia-Zimt verwendet wurde.

 

Das Bundesamt für Risikobewertung hat trotzdem eine Abschätzung der Gesundheitsgefährdung vorgenommen und ist  unter anderem zu der  Erkenntnis gekommen, dass Kleinkinder nicht mehr als zwei Zimtsterne täglich verzehren sollten (2). Weshalb vor 50 mg Cumarin/kg in Zimtsternen gewarnt werden soll, vor 50 mg Cumarin/kg in Kaugummi aber nicht, ist nicht ganz nachzuvollziehen.

 

Weiterhin scheint auch nur Deutschland ein Problem mit dem natürlichen Cumarin in Zimt zu haben. Dagegen unterscheiden die europäischen Nachbarländer zwischen dem synthetischen Cumarin in künstlichen Aromen und dem natürlichen Cumarin, das über die Zutat Zimt in das Lebensmittel gelangt.

 

Dem Kunden, der glaubt, dass er sich vor Cumarin in Zimt »schützen« sollte, kann  Ceylon-Zimt empfohlen werden. Ceylon-Zimt hat einen sehr niedrigen Cumaringehalt   (0 bis 10 mg/kg) und ist auch die Droge des Europäischen Arzneibuches.

Dem Kunden, der wissen will, weshalb über Cumarin in Zimtsternen diskutiert wird, kann man sagen, dass nicht wegen neuer Erkenntnisse gestritten wird, sondern es zurzeit nur um die Auslegung altbekannter Tatschen geht.

 

Fazit

 

Es ist nicht auszuschließen, dass es zukünftig erforderlich werden kann, auf den Curamingehalt in Zimt zu achten. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht jedoch dazu kein Anlass.

Literatur

Anlage 4 der Aromenverordnung zuletzt geändert 15.05.2006

www.bmelv.de, Az 312-8341-3/0000

 

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