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Rituximab für die Gelenke

05.12.2005  17:05 Uhr

Rheumatoide Arthritis

Rituximab für die Gelenke

von Conny Becker, Berlin

 

Der aus der Krebstherapie bekannte monoklonale Antikörper Rituximab versucht sich in einem neuen Indikationsgebiet. Einer Phase-III-Studie zufolge kann das gegen B-Zellen gerichtete Biological in Kombination mit Methotrexat die Symptome bei schwerer rheumatoider Arthritis lindern. Die Zulassungserweiterung ist bereits beantragt.

 

Neben T-Zellen spielen auch B-Lymphozyten in der Immunität sowie in der Autoimmunität eine wichtige Rolle. Die Autoantikörper bei rheumatoider Arthritis (RA) etwa, zum Beispiel der Rheumafaktor, werden von Plasmazellen produziert, die differenzierte B-Zellen sind. Zudem präsentieren auch B-Zellen ­ wie Makrophagen oder dendritische Zellen ­ Antigene auf ihrer Oberfläche und stimulieren somit T-Lymphozyten, berichtete Professor Dr. Thomas Dörner von der Berliner Charité auf einer Pressekonferenz der Firma Roche. »B-Zellen sind die Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der T-Zell-Aktivierung, einem Schlüsselvorgang bei der Pathogenese der rheumatoiden Arthritis.« Ferner seien bei vielen Patienten Konglomerate von B-Zellen in der entzündeten Gelenkschleimhaut zu finden. Diese sezernieren proinflammatorische Zytokine wie Interleukin 6 und TNF-α, womit die Entzündung in den Synovien und damit die Knorpelschäden vorangetrieben werden.

 

So lag es nahe, die B-Zelle als therapeutisches Target bei der RA zu sehen, und mit Rituximab stand ein Arzneistoff zur Verfügung, der sich gezielt gegen B-Zellen richtet. Zugelassen ist der monoklonale Antikörper als MabThera® zur Behandlung von Non-Hodgkin-Lymphomen, bei denen B-Lymphozyten entartet sind. Interessanterweise haben RA-Patienten ein erhöhtes Risiko, an einem B-Zell-Lymphom zu erkranken - für Dörner ein weiteres Indiz dafür, dass B-Zellen eine wichtige Rolle bei der rheumatoiden Arthritis spielen.

 

Der chimäre Antikörper Rituximab ist gegen das B-Zellen-Oberflächenantigen CD20 gerichtet. Keine andere Zelle im menschlichen Körper exprimiert dieses Oberflächenmolekül, sodass der Angriff sehr spezifisch ist. Und selbst bei B-Zellen gibt es abhängig von den verschiedenen Reifungsgraden zwei Ausnahmen: ganz junge, noch unreife B-Zellen im Knochenmark sowie die ausdifferenzierten langlebigen Plasmazellen tragen kein CD20 auf ihrer Oberfläche. Dies ist für die Patienten wichtig, erklärte Dörner. Denn Letztere halten den protektiven Antikörpertiter aufrecht, den die B-Zellen zur Immunität zusteuern. Ohne diese Immunglobuline würde es schnell zu Infektionen kommen.

 

Hat Rituximab an CD20 gebunden, wird die Komplementkaskade in Gang gesetzt, was zur Lyse der B-Zelle führt. Zudem aktiviert der Antikörper zytotoxische Makrophagen und natürliche Killerzellen, die die »markierten« B-Zellen zerstören. Wesentlich langsamer und daher nur im Reagenzglas zu beobachten, induziert Rituximab ferner eine Apotose der gebundenen Zelle.

 

Wenn andere Biologicals versagen

 

Rituximab ist nicht der erste monoklonale Antikörper, der in die Behandlung der rheumatoiden Arthritis Einzug hält. Die für diese Indikation bereits zugelassenen Biologicals Infliximab, Etanercept und Adalimumab richten sich jedoch gegen eine andere Zielstruktur: TNF-α. Sie gelten zusammen mit dem IL-1-Rezeptorantagonisten Anakinra als Meilensteine in der RA-Therapie und können eingesetzt werden, wenn der Patient nach sechs Monaten unter Methotrexat oder anderen DMARDs plus Cortison trotz Dosiserhöhung oder Kombinationstherapie zweier DMARDs noch immer nicht in Remission ist. Laut Professor Dr. Gerd-R. Burmester, Charité, Berlin, erhält hier zu Lande jedoch nur ein Bruchteil der Bedürftigen einen TNF-α-Blocker, Deutschland liege im europäischen Vergleich nach Portugal an vorletzter Stelle bei den entsprechenden Verschreibungen.

 

Doch auch mit TNF-α-Blockern gelangen einige Patienten nicht in Remission und genau hier soll Rituximab weiterhelfen. Geprüft wurde sein Einsatz bei einem solchen Patientenkollektiv etwa in der REFLEX-Studie (Randomised Evaluation of Long-term Efficacy of Rituximab in RA), die die Grundlage für den im September eingereichten Zulassungsantrag bildet. Die multizentrische doppelblinde Phase-III-Studie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit der Kombination von Methotrexat und Rituximab, mit der rund 300 Patienten behandelt wurden. Weitere 200 Patienten erhielten Methotrexat und statt 2 x 1000 mg Rituximab zwei Placebo-Infusionen im Abstand von 14 Tagen.

 

Die Studienteilnehmer waren zu mehr als 80 Prozent weiblich, hatten ein Durchschnittsalter von 53 Jahren und in zwölf Jahren Krankheit bereits vier bis fünf Therapiezyklen erfolglos durchlaufen. Im Mittel war etwa jedes dritte Gelenk geschwollen, jedes zweite tat weh. Der DAS28 lag bei 6,9. »Das ist der schwerste Krankheitsgrad. Alles über 5 heißt bereits schwere Krankheitsaktivität«, beschrieb Burmester das Patientenkollektiv. Auf Grund des späten Krankheitsstadiums war der primäre Endpunkt der ACR20 nach 24 Wochen, das heißt, der Prozentsatz der Patienten, die eine Verbesserung von 20 Prozent aufwiesen. Als sekundäre Endpunkte galten ACR50, ACR70, DAS28 und der EULAR in der Woche 24 (siehe Kasten). Die weitere Beobachtung erstreckte sich auf zwei Jahre.

 

Glossar

ACR20/50/70: Die Kriterien des American College of Rheumatology beschreiben das klinische Ansprechen bei rheumatoider Arthritis. ACRx bedeutet eine x-prozentige Verbesserung der RA-Beschwerden und zwar in mindestens fünf von sieben Kriterien, dabei stets bei den ersten beiden: Gelenkschmerzen und -schwellungen, erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit, Patientenselbst- und Arzteinschätzung, Schmerz und Funktionsbeeinträchtigung.

DAS28: Der Disease Activity Score 28 wird vor allem in Europa dazu genutzt, die Krankheitsaktivität zu erfassen. Er wird mit einer Formel berechnet, in die die Anzahl der druckschmerzempfindlichen sowie die der geschwollenen Gelenke eingeht, die Blutsenkungsgeschwindigkeit und das Patientenurteil zur Krankheitsaktivität. Bei einem Wert von < 3,2 gilt die RA als inaktiv, zwischen 3,2 und 5,1 als mäßig aktiv und bei > 5,1 als sehr aktiv.

Das Ansprechen auf eine Therapie wird hier anhand der EULAR-Kriterien (European League Against Rheumatism) erfasst: Ein Absinken des DAS28 um mehr als 1,2 bedeutet eine gute Verbesserung, bei 0,6 bis 1,2 sprechen Rheumatologen von einer mäßigen und bei < 0,6 von keiner Verbesserung.

HAQ-Fragebogen: Im Health assessment Questionaire beurteilt der Patient seine körperliche Funktionsfähigkeit. Kann er Tätigkeiten wie Haare kämmen oder Treppensteigen ohne, mit leichten, mit starken Schwierigkeiten oder gar nicht absolvieren, antwortet er mit 0 bis 3. Je niedriger die Gesamtpunktzahl, desto funktionsfähiger ist der Patient.

Vor allem auf Grund unzureichenden Ansprechens brach nahezu die Hälfte der Placebogruppe die Studie ab, im Rituximab-Arm konnten mehr als 80 Prozent ausgewertet werden. Hier verbesserten sich die RA-Symptome bei mehr als der Hälfte um 20 Prozent und damit signifikant stärker als unter Placebo (51 versus 18 Prozent). Auch bezogen auf ACR50 und ACR70 war die Rituximabkombination signifikant überlegen. 12 gegenüber 1 Prozent waren laut Burmester »praktisch in kompletter Remission und praktisch erscheinungsfrei« (ACR70). Der DAS28 nahm um 1,83 gegenüber 0,34 Punkten ab, womit die geistige und körperliche Befindlichkeit der Patienten stieg. Vorläufige Daten bescheinigen der Rituximabkombination auch eine Verbesserung der Gelenkschäden. So nahm die Gelenkspaltverschmälerung bei den bislang ausgewerteten Patienten signifikant stärker ab. Einen Trend gebe es auch bezüglich der Besserung von Knochenzerstörungen. Diese Daten müssten jedoch noch vervollständigt werden.

 

Auf Fieber achten

 

Auch wenn die Rituximabtherapie die meisten B-Zellen im Körper vernichtet, ist sie laut Burmester gut verträglich. Dies bestätigten auch die Sicherheitsdaten, der bislang etwa 700.000 behandelten Patienten mit Non-Hodgkin-Lymphom. Dennoch war die Rate schwerer Infektionen wie bei anderen Biologicals gegenüber Placebo verdoppelt (2 versus 1 Prozent). Dies sollten die Patienten wissen und Fieber direkt melden. Die häufigste unerwünschte Arzneimittelwirkung waren infusionsassoziierte Reaktionen.

 

Unter Rituximab wird die B-Zelldepletion etwa ein bis zwei Tage nach der ersten Gabe beobachtet, so Dörner. Ihre Rekonstruktion beginne in der Regel nach sechs bis neun Monaten und normale B-Zellkonzentrationen würden nach neun bis zwölf Monaten erreicht. Ist dann die Erkrankung auch wieder aktiv, sei eine erneute Gabe des Antikörpers möglich. So sprachen Patienten vorangegangener Studien, wie der Dosisfindungsstudie DANCER, erneut an, wenn sie einmal pro Jahr behandelt wurden. Andere hingegen seien auch nach zwei Jahren noch nicht wiederbehandelt worden, eine Retherapie müsse individuell erwogen werden, so die Referenten.

 

Nachdem die Zulassung für die neue Indikation im September beantragt wurde, erwartet der Hersteller sie in der EU und den USA für Mitte nächsten Jahres. In kleineren Studien war der Anti-CD20-Antikörper auch bei Patienten mit systemischem Lupus erythematosus erfolgreich. Derzeit laufen zudem Studien zum frühen Einsatz bei rheumatoider Arthritis.

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