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Wechseljahresbeschwerden

Evidenz für Traubensilberkerze

28.11.2017  13:09 Uhr

Von Wolfgang Blaschek / Für Frauen mit menopausalen Beschwerden, die keine Hormone anwenden können oder wollen, kommen prinzipiell Präparate mit Traubensilberkerze (Actaea racemosa oder auch Cimicifuga racemosa) infrage. Zur Evidenz für diese Therapie gibt es kontroverse Aussagen, die differenziert betrachtet werden müssen.

Im Jahr 2012 veröffentlichten Matthew Leach und Vivian Moore aus der Coch­rane Gynaecology and Fertility Group ­einen Review zum Einsatz von Trauben­silberkerze-haltigen Phytopharmaka zur Behandlung von Wechseljahresbeschwerden. 

 

Die Schlussfolgerung lautete, dass es zu diesem Zeitpunkt keine ausreichenden Beweise gebe, um die Verwendung von Zubereitungen aus Traubensilberkerze bei menopausalen Symptomen zu unterstützen. Die Wirksamkeit sei aufgrund der beträchtlichen Heterogenität der Studien und einer unzureichenden Anzahl nicht schlüssig nachzuweisen oder nicht signifikant, und die Sicherheit der Traubensilberkerze-Präparate könne wegen schlechter Berichterstattung in den Studien nicht überzeugen.

 

Diese Kritik ist jedoch bei genauerer ­Betrachtung so pauschal nicht haltbar. Ein methodischer Mangel des Reviews ist nämlich, dass verschiedene Phytopharmaka gemeinsam betrachtet wurden und nicht, wie das bei pflanzlichen Arzneimitteln eigentlich zwingend erforderlich ist, separat. Zudem berücksichtigten Leach und Moore neben ­zugelassenen Phytopharmaka auch Produkte ohne Marktzulassung sowie Studien mit Zubereitun­gen nicht eindeutig identifizierter Traubensilberkerze-Arten und auch mit Zubereitungen für andere Indikationen als menopausale Beschwerden. Des Weiteren wurden einige bis dahin publizierte Studien gar nicht berücksichtigt oder anscheinend unberechtigt aus der Betrachtung ausgeschlossen.

 

Die negative Beurteilung von Traubensilberkerze-haltigen Präparaten zur Therapie von Wechseljahresbeschwerden ist daher teilweise unberechtigt. Sie steht auch im Gegensatz zu den ­offiziell anerkannten Monographien des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (HMPC), die den Einsatz als well established Use einstuft, und des europäischen Dachverbands nationaler Phytotherapie-Gesellschaften ESCOP. Diese unterstützen ebenso wie die Mono­graphien der Weltgesundheits­organisation und der Kommission E ein klares positives Nutzen-Risiko-Profil für die Anwendung von Traubensilber­kerze in dieser Indikation.

 

Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel

 

Betrachtet man die Datenlage differenziert nach Extrakten, Qualität und regulatorischem Status der Produkte sowie Indikation, so zeigt sich in der Analyse ­aller GCP-konformen Studien der Jahre 2000 bis 2012 sowie in einem Update mit ergänzenden Studien der Jahre 2012 bis 2014, dass in der Tat nicht alle Zubereitungen aus Traubensilberkerze wirksam sind. Eine Nicht-Wirksamkeit bezieht sich dabei jedoch auf Zubereitungen ohne Marktzulassung. Solche Zubereitungen – meist Nahrungsergänzungsmittel – ­fallen in Deutschland nicht unter das Arznei­mittel-, sondern unter das Lebensmittelgesetz und müssen daher nicht nach den gleichen strengen Qualitäts­krite­rien getestet werden, die für Arznei­mittel verpflichtend sind. Verunreini­gungen und Verfälschungen sind bei Nahrungsergänzungsmitteln daher nicht auszuschließen. Außerdem wird eventuell Drogenmaterial von schlech­terer Qualität eingesetzt und keine ­standardisierten Extrakte definierter Pflanzenbestandteile.

Insgesamt werden 22 klinische Studien zur Wirksamkeit von zugelassenen Traubensilberkerze-Arzneimitteln einbezogen, darunter die ethanolischen Extrakte BNO 1055 (zwei Studien), Ze 450 (drei Studien), Cr 99 (eine Studie) sowie unbekannte EtOH-Extrakte (drei Studien) und der isopropanolische Spezialextrakt iCR (13 Studien). Alle Studien, die mit zugelassenen Arzneimitteln aus Traubensilberkerze durchgeführt wurden, zeigen im Gegensatz zu den Nahrungsergänzungsmitteln eine zumindest explorative Evidenz für ihre (Placebo überlegene) Wirksamkeit.

 

Eine besondere Stellung nimmt in allen Punkten der isopropanolische Spezialextrakt iCR ein. Er ist der weltweit am besten in klinischen Studien untersuchte Extrakt und erreicht in der differenzierten und umfangreichen Metaanalyse sowie im Update als einziger Extrakt eine konfirmatorische Evidenz mit einem Evidenzlevel (LOE) von 1b für seine Wirksamkeit und somit einem Empfehlungsgrad (GR) von A. Klinische Studien mit den ethanolischen Cimicifuga-Extrakten BNO 1055 und ZE 450 mit mehr als 500 Studienteilnehmerinnen ergaben einen LOE von 2b mit einem GR von B.

 

Zur Analyse der Sicherheit von Traubensilberkerze-Präparaten wurden insgesamt 32 klinische Studien mit zugelassenen Arzneimitteln verwendet: BNO 1055 (vier Studien), Ze 450 (zwei Studien), unbekannte EtOH-Extrakte (fünf Studien) sowie iCR (21 Studien). Alle Extrakte weisen eine gute bis sehr gute Sicherheit auf. Die Daten zur Sicherheits­lage für den iCR-Extrakt zeigen dabei einen LOE von 1a mit einem GR von A.

 

Es kommt weder zu einer Beeinflussung von Brust- oder Gebärmutter­gewebe noch zu signifikanten Veränderungen von Blutlaborwerten, etwa der Niere oder der Leber, noch zu klinisch relevanten Veränderungen hormoneller Parameter, zum Beispiel Estradiol, FSH oder LH. Im Gegenteil weisen einige Studienergebnisse sogar auf zusätzliche positive Nebeneffekte des iCR-Spezialextrakts hin, etwa eine Ver­kleinerung von Myomen, eine Osteoporose-protektive Wirkung und eine verlängerte rückfallfreie Überlebenszeit bei Brustkrebs. Aktuell können seit dem Inkrafttreten der GCP-Richtlinie E6 CPMP/ICH/135/95 mehr als 30 klinische Studien mit dem iCR-Spezial­extrakt identifiziert werden. An diesen waren mehr als 42 000 Patientinnen beteiligt, von denen mehr als 12 000 eine Zubereitung mit dem iCR-Spezialextrakt einnahmen.

 

Wirksam und sicher

 

Zugelassene Cimicifuga-Präparate sind somit eine sichere und häufig wirk­same Behandlungsoption bei Wechseljahresbeschwerden. Es sollte in der ­Beratung darauf hingewiesen werden, dass erste positive Effekte meist nach zwei- bis vierwöchiger Behandlung zu erwarten sind. Bei längerer Behandlungsdauer kann es bis zu sechs Monate lang zu weiterer Verbesserung der Symptome kommen. Eine Kontra­indikation für Brustkrebspatientinnen ist nicht gegeben; der behandelnde Arzt sollte lediglich über die Einnahme informiert sein. /

 

Literatur beim Verfasser

Professor Dr. Wolfgang Blaschek ist ehemaliger Inhaber des Lehrstuhls für Pharmazeutische Biologie am Pharmazeutischen Institut der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.

 

E-Mail: wbla@pharmazie.uni-kiel.de

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