Die EMA macht den Weg frei |
26.11.2013 17:26 Uhr |
Von Sven Siebenand / Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der europäischen Arzneimittelagentur EMA hat für einige neue Wirkstoffe eine Zulassungsempfehlung ausgesprochen. Im Normalfall hält sich die Europäische Kommission an diese Ratschläge aus London. Daher ist zu erwarten, dass in den nächsten Monaten weitere neue Arzneistoffe auf den Markt kommen.
Einer davon, der HIV-Integrasehemmer Dolutegravir, ist in dem Präparat Tivicay® von ViiV Healthcare enthalten. Es darf – in Kombination mit anderen Wirkstoffen – zur Behandlung von HIV-Patienten ab einem Alter von zwölf Jahren zum Einsatz kommen. Die Integrase ist ein HIV-1-spezifisches Enzym, das den kovalenten Einbau der komplementären Virus-DNA in das Genom der humanen Wirtszelle katalysiert und damit die Vermehrung der viralen Erbsubstanz ermöglicht.
London Eye: Bei der EMA in London schauen gleich mehrere Augenpaare kritisch auf neue Arzneistoffkandidaten. Einige davon erhalten danach eine Zulassungsempfehlung.
Foto: dpa
Dolutegravir hemmt das Enzym und verhindert damit letztlich die Virusreplikation. Laut EMA ist die neue Substanz wenig anfällig für Resistenzentwicklung. Bei Erwachsenen kann sie sogar dann zum Einsatz kommen, wenn Patienten gegen andere Integrasehemmer resistent sind. In diesem Fall beträgt die empfohlene Tagesdosis zwei 50-mg-Tabletten mit dem Essen, ansonsten sind es nur 50 mg Wirkstoff pro Tag.
Ohne Interferon gegen Hepatitis C
Mit der Zulassungsempfehlung für Sofosbuvir (Sovaldi®, Gilead) wird es nun voraussichtlich nicht mehr lange dauern, bis die erste Interferon-freie Therapieoption bei chronischer Hepatitis-C-Infektion auf den europäischen Markt kommt. Der Polymeraseinhibitor hemmt das virale Protein NS5B, das bei der Replikation von Hepatitis-C-Viren eine wichtige Rolle spielt. In klinischen Studien wurde Sofosbuvir in Kombination mit Ribavirin untersucht. 12 bis 24 Wochen nach Ende der Behandlung waren bei vielen Patienten keine Viren mehr nachweisbar. Der neue Wirkstoff kann laut EMA ferner zusammen mit Ribavirin und pegyliertem Interferon gegeben werden.
Duo gegen Tuberkulose
Der CHMP spricht sich darüber hinaus dafür aus, dass Ärzte im Rahmen eines individuellen Heilversuchs (compassionate use) auch den noch nicht zur Zulassung empfohlenen Wirkstoff Daclatasvir von Bristol-Myers Squibb bei bestimmten Hoch-Risiko-Patienten einsetzen dürfen. Daclatasvir hemmt das virale Protein NS5A und soll zusammen mit Sofosbuvir und gegebenenfalls zusätzlich Ribavirin eingenommen werden.
Gleich zwei Wirkstoffe zur Behandlung bei multiresistenter Tuberkulose (MDR-TB) sollen nach Ansicht der EMA-Experten die Zulassung erhalten. Einer davon ist Delamanid (Deltyba®, Otsuka Pharma). Es hemmt die Synthese von Mykolsäuren, die Zellwand-Bestandteil von Mycobacterium tuberculosis sind und die Widerstandsfähigkeit des Erregers gegen viele antibakterielle Wirkstoffe bedingen. Noch im Juli 2013 hatte das EMA-Gremium sich gegen die Marktzulassung von Delamanid ausgesprochen. Nun hat es seine Meinung geändert, verlangt aber vom Hersteller zusätzliche Daten, die die Langzeit-Wirksamkeit der Substanz belegen. Delamanid soll bei Erwachsenen mit Lungeninfektionen infolge MDR-TB zum Einsatz kommen.
Der zweite zur Zulassung bei MDR-TB empfohlene Wirkstoff ist ein alter Bekannter: Para-Aminosalicylsäure. Diese Substanz wurde schon vor vielen Jahrzehnten in die Tuberkulose- Behandlung eingeführt und ist als Reservemittel bei Resistenz gegen andere Tuberkulosemittel auf dem deutschen Markt verfügbar. Para-Aminosalicylsäure verhindert die Synthese von Folsäure durch kompetitive Blockade der Umwandlung von Aminobenzoesäure in Dihydrofolsäure, ähnlich den Sulfonamiden. Mit Para-Aminosalicylsäure Lucane® hat Hersteller Lucane Pharma SA nun die Zulassungsempfehlung für eine neue, magensaftresistente Formulierung des Wirkstoffs erhalten. Nach Ansicht des EMA-Komitees kann es als ein Bestandteil einer MDR-TB-Therapie ab einem Lebensalter von 28 Tagen zum Einsatz kommen.
Erste Fixkombi mit SGLT-2-Hemmer
Neben den Empfehlungen zur Zulassung neuer Medikamente hat sich der EMA-Ausschuss auch für Indikationserweiterungen bereits eingeführter Medikamente ausgesprochen. Diese betreffen das Dabigatran-haltige Antikoagulans Pradaxa®, das Bortezomib-haltige Zytostatikum Velcade® und das Paclitaxel-haltige Zytostatikum Abraxane®. Darüber hinaus hat sich das Gremium für die Zulassung von Xigduo™ von AstraZeneca und Bristol-Myers Squibb ausgesprochen. Dabei handelt es sich um die erste Fixkombination aus einem SGLT-2-Hemmer (Dapagliflozin) und Metformin, die bei Typ-2-Diabetikern zum Einsatz kommen kann. /