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Elektronische Patiententagebücher

Piepton erinnert an Medikamente

26.11.2007  11:27 Uhr

Elektronische Patiententagebücher

Piepton erinnert an Medikamente

Von Claudia Borchard-Tuch

 

Tablette vergessen? Kleine Geräte sollen dies verhindern. In elektronischen Patiententagebüchern dokumentiert ein Kranker mehrmals täglich seine Medikation und sein Befinden. Zudem erinnert der Computer an die Medikamente. Damit steigern die Geräte nicht nur die Compliance, sondern lassen auch den Therapieerfolg leicht ablesen.

 

Entscheidend für den Erfolg einer Therapie ist eine hohe Therapietreue. Ohne die Bereitschaft des Patienten zur Mitarbeit ist jede Behandlung zum Scheitern verurteilt. Um die Compliance zu erhöhen, gibt es bereits seit den 1940er-Jahren Patiententagebücher. Auf Karten schreibt der Erkrankte auf, wann und in welcher Dosis er die ihm verordneten Medikamente einnimmt und ob sich die Symptome seiner Erkrankung bessern oder verschlechtern.

 

Verschiedene Studien zeigten jedoch, dass diese Tagebücher die Compliance des Erkrankten nicht in erwünschtem Maß verbessern. Einer der Hauptgründe ist, dass es sehr einfach für den Patienten ist, eine vergessene Einnahme nachträglich zu dokumentieren und so die Daten zu fälschen. Auch aus anderen Gründen ist die Datenqualität nicht sehr hoch. Oft fehlen wichtige Einträge oder es sind überflüssige Angaben aufgeführt. Der Patient muss nochmals befragt werden, was Zeit kostet. Sind die Daten für klinische Versuche von Bedeutung, kann dies zu hohen Kosten und fehlerhaften Resultaten führen.

 

Um diese Nachteile auszugleichen, wurden die elektronischen Patiententagebücher entwickelt. In dem kleinen, tragbaren Computer dokumentiert ein Patient seine Medikation und sein Befinden. Das Gerät speichert diese Daten sofort ab, sodass es nicht mehr möglich ist, eine vergessene Einnahme nachträglich einzugeben. Es ist zudem auch sehr unwahrscheinlich, dass eine Einnahme vergessen wird: Der Computer gibt zur entsprechenden Zeit einen lauten Ton von sich, und auf dem Bildschirm kann der Patient die ihm verordnete Behandlung ablesen.

 

In Abhängigkeit von der Krankheit ist das elektronische Tagebuch so programmiert, dass der Patient eine Liste seiner Symptome sehen kann. Zu bestimmten Zeitpunkten ordnet er jedem Symptom einen Wert zu und beurteilt so, ob es ihm besser oder schlechter geht. Dies verbessert die Datenqualität.

 

Wird das kleine elektronische Patiententagebuch mit dem zu ihm passend programmierten großen Computer verbunden, dies kann auch über Internet erfolgen, so wertet dieser die Patientendaten sofort aus. Zumeist erfährt der Patient, dass seine Behandlung erfolgreich gewesen ist, was seine Compliance deutlich erhöht. Eine Übersichtsstudie ergab, dass elektronische Patiententagebücher der herkömmlichen Papierform im Hinblick auf Datenqualität und Compliance deutlich überlegen sind. Und das Erstaunlichste: Die meisten Patienten arbeiten lieber mit einem elektronischen als mit einem Tagebuch aus Papier (3).

 

Ein Beispiel für ein elektronisches Patiententagebuch ist das von Dr. Falk von Zitzewitz, Neurologe und Psychiater aus Ludwigsburg, entwickelte Medicus-Gerät. Bereits vor einigen Jahren entwickelte er den Medicus 1 (2). Vor Kurzem präsentierte er dessen Weiterentwicklung, den Medicus 2. »Die Bedienung ist auch für technisch weniger versierte Patienten leicht zu verstehen«, erklärte von Zitzewitz im Gespräch mit der PZ. Als Erstes muss Medicus 2 in einer Apotheke oder Arztpraxis auf die speziellen Bedürfnisse des Patienten eingestellt werden. Das Gerät wird mit einem Kabel an einen PC angeschlossen und über diesen programmiert. Entscheidend bei der Programmierung sind die Symptomatik der Erkrankung und die vorgegebene Therapie.

 

Individuelle Programmierung

 

Das individuell programmierte Gerät macht per Klingelton den Patienten darauf aufmerksam, dass die Zeit für eine Medikamenteneinnahme gekommen ist. Mit dem »Therapieknopf« (dargestellt durch eine Medikamentenflasche) dokumentiert der Kranke die Medikamenteneinnahme. Dabei kann das Gerät mehrere Medikamente mit Dosisangabe gleichzeitig registrieren. So ist es möglich, verschiedene Kombinationstherapien zu untersuchen.

 

»Auch nichtmedikamentöse Behandlungsformen, beispielsweise Gymnastik, können in ihrer Intensität, Dauer und Häufigkeit eingegeben werden«, erklärte von Zitzewitz. Drückt der Patient die »Befindlichkeitstaste«, so erscheinen auf dem Display für die Erkrankung typische Symptome. Leidet der Patient beispielsweise an einer Schizophrenie, können Stimmungsänderungen, Müdigkeit, Angst oder innere Unruhe auftreten. Diese Symptome kann der Patient  bewerten, beispielsweise »nicht müde« oder »sehr müde« eingeben. Hierfür steht ihm eine Skala über 16 verschiedene Stufen zur Verfügung. Per Knopfdruck werden die Daten gespeichert. Hierbei registriert das Gerät automatisch Uhrzeit und Datum.

 

Kommt der Patient nach einer Zeit wieder in die Apotheke oder Praxis, werden die Daten über ein Kabel in einen Computer übertragen. Der Rechner wandelt sie in Grafiken um, die den Behandlungserfolg veranschaulichen. »So ist eine minutengenaue Erfassung von Einnahme und Wirkeintritt möglich«, sagte von Zitzewitz.

 

Abgesehen von einer verbesserten Diagnostik bietet die genaue Erfassung auch andere Vorteile: Medikamente können effizienter eingesetzt, nicht wirksame Medikamente schneller abgesetzt oder die Dosis optimiert werden. Erforderliche Dosisanpassungen sind leicht zu erkennen, wenn trotz Medikamenteneinnahme der Zustand des Patienten schlecht geblieben ist. Außerdem zeigt das Gerät an, wenn ein Patient nicht regelmäßig die Medikamente eingenommen hat. Die Mitverantwortung an der Krankheit werde den Patienten bewusst, ihre Mitarbeit werde gefördert, sagte Zitzewitz. »Es hat sich gezeigt, dass die Handhabung des Gerätes oftmals den Verlauf der Krankheit verbessert«, erklärte er. »Einige Patienten sagten sogar ausdrücklich, es gebe ihnen ein Gefühl der Sicherheit.«

 

Für viele Krankheiten geeignet

 

Daher eignen sich elektronische Tagebücher sowohl für Ärzte als auch für Apotheker. Sie können sie an Patienten verleihen, die Medikamenteneinnahme und Verlauf ihrer Erkrankung selbstständig überwachen möchten. »Elektronische Tagebücher können bei mehreren Erkrankungen eingesetzt werden«, erklärte von Zitzewitz. Der Medicus wurde bereits bei einer Reihe von Krankheiten erfolgreich eingesetzt. Zu ihnen gehören psychiatrische und neurologische Erkrankungen wie Depressionen, Schizophrenie oder Angststörungen, aber auch Erkrankungen der Inneren Medizin wie Asthma oder Diabetes mellitus. In der häuslichen Pflege kann das Gerät den Angehörigen eine wichtige Hilfe sein, die Befindlichkeit des Betreuten exakter zu erfassen, sodass eine genauere therapeutische Einstellung möglich wird.

 

Da elektronische Tagebücher die Datenqualität verbessern und die Compliance erhöhen, sind sie sowohl für die Behandlung eines Patienten als auch für die Pharmaforschung von hoher Bedeutung. Viele Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass die elektronischen Patiententagebücher in naher Zukunft die herkömmlichen ersetzen werden.

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