Tücken der Gentherapie aufgedeckt |
29.11.2005 15:54 Uhr |
Tücken der Gentherapie aufgedeckt
von Claudia Frey, Langen
Für ihre Forschungen im Bereich der Gentherapie erhielten dieses Jahr vier Wissenschaftler gemeinsam den Langener Wissenschaftspreispreis. Die Forscher entdeckten die Ursache für die Leukämiebildung nach gelungener Gentherapie bei Patienten mit schwerer Immunerkrankung. Im Paul-Ehrlich-Institut in Langen wurde der Preis am 18. November übergeben.
Für ihre gemeinsame Arbeit »Mechanismen und Konsequenzen der retroviralen Insertionsmutagenese in der Gentherapie« nahmen in diesem Jahr Professor Dr. Christof von Kalle vom Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg, Professor Dr. Christopher Baum, Medizinische Hochschule Hannover, Privatdozent Dr. Boris Fehse, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, sowie Dr. Manfred Schmidt, Universität Freiburg, den Preis entgegen. »Sie haben entscheidend zum Verständnis der molekularen Mechanismen der Gentherapie monogener Erbkrankheiten beigetragen«, sagte Professor Dr. Klaus Cichutek, Vizepräsident und Leiter der Abteilung medizinische Biotechnologie des Paul-Ehrlich-Instituts bei der Ehrung der Preisträger.
In der Gentherapie wird die funktionierende Variante eines fehlerhaften Genes mit Hilfe von retroviralen Vektoren, so genannten Genfähren, übertragen, um diesen Fehler zu beheben. Dies wird bei monogenen Erbkrankheiten ausgenutzt, bei denen die Krankheit auf einen Defekt in einem einzigen Gen zurückgeht. Ein Beispiel hierfür, mit dem sich die Forscher befassten, ist die angeborene lebensbedrohliche Immunschwächekrankheit X-SCID (Severe Combined Immunodeficiency Disease). Insgesamt 25 betroffene Kinder konnten mithilfe der Gentherapie bereits geheilt werden.
Von Kalle und Schmidt bewiesen die Effizienz der SCID-Gentherapie, indem sie nachwiesen, dass aus genkorrigierten Blutstammzellen über einen Zeitraum von Monaten und Jahren genkorrigierte reife Immunzellen entstehen. Die behandelten Kinder, die vor der Therapie in steriler Umgebung leben mussten, konnten aus den Kliniken entlassen werden. Eine gravierende Nebenwirkung trat jedoch auf: Drei der gentherapeutisch behandelten Kinder erkrankten an Leukämie. Von Kalle und Schmidt konnten mit einer von ihnen entwickelten Methode bei diesen Patienten nachweisen, dass die Genfähren Onkogene aktiviert hatten. An Mäusen wiesen Baum und Fehse nach, dass bei der Übertragung von vielen Genfähren viele Onkogene aktiviert werden. Derzeit wird versucht, die Vektoren so umzukonstruieren, dass das Risiko einer Krebserkrankung durch Gentherapie vermindert wird.
Neben seiner Rolle als Zulassungsbehörde für Sera und Impfstoffe ist das Paul-Ehrlich-Institut auch für Gentransfer-Arzneimittel und somatische und xenogene Zelltherapeutika verantwortlich. Mit Zulassungen in diesem Bereich sei möglicherweise bald zu rechnen, sagte Professor Dr. Klaus Cichutek. Bereits heute gebe es über 500 Studien zur Gentherapie. Etwa zwei Drittel davon werden in den USA durchgeführt, der größte andere Teil in Europa. Deutschland ist hier nach Großbritannien am meisten involviert.
Der renommierte Langener Wissenschaftspreis wurde bereits zum siebten Mal verliehen. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis wird alle zwei Jahre an herausragende Forschungsarbeiten aus den Bereichen der Infektionsmedizin, Hämatologie, Allergologie, Gen- und Zelltherapie und damit in Verbindung stehender technologischer Verfahren vergeben. 1993 wurde er von dem Paul-Ehrlich-Institut, der Stadt Langen und den Stadtwerken Langen GmbH ins Leben gerufen.