Nicht in die Tiefe gegangen |
29.11.2005 17:54 Uhr |
Nicht in die Tiefe gegangen
von Daniel Rücker, Eschborn
Die Krankenkassen lassen nicht locker. Mit viel Engagement halten sie die Vergütung der Apotheker in den Medien. Obwohl sie mit Zahlen arbeiten, die zumindest zweifelhaft sind, greifen immer dieselben Experten und Medien das Thema gerne auf.
Am vergangenen Donnerstag war es wieder einmal so weit. In dem vom WDR produzierten Magazin Monitor behauptete der allgegenwärtige Professor Dr. Karl Lauterbach, die Regierung habe bei der Umstellung der Apothekervergütung einen Rechenfehler gemacht. Nach Zahlen des Wissenschaftlichen Institutes der Ortskrankenkassen (WIdO) bekämen die Apotheker 415 Millionen Euro zu viel von den Krankenkassen. Lauterbach: »Da haben sich alle verrechnet.«
Unterstützt wurde er vom Bremer Pharmakologen Professor Dr. Peter Schönhofer. Der bestätigte, es habe bei der Umstellung der Vergütung »einen klaren handwerklichen Fehler des Gesundheitsministeriums« gegeben. Es sei den Versicherten nicht zu vermitteln, das die »Beiträge der Krankenkassen nicht gesenkt werden können, weil die Kassen Millionen an die Apotheker quasi verschenken müssen.«Wie Monitor ausrechnete, erhält jede Apotheke im Durchschnitt 17.000 Euro zu viel. Die AOK habe ausgerechnet, dass der Fixzuschlag der Apotheker von 8,10 Euro auf 7,40 Euro gesenkt werden müsste.
Bei vielen Zuschauern dürfte der augenscheinlich von der AOK initiierte Beitrag den gewünschten Eindruck hinterlassen haben. Seit Monaten bohren die Kassen, die eigentlich Rabatte mit der Industrie aushandeln sollten, an der Apothekervergütung. Die Strategie wechselt: Mal werden einzelne exorbitante Rabatte, die Generikahersteller Apothekern gewähren, zum Normalfall erklärt, mal wird die Spanne infrage gestellt. Die zu Gunsten der Kassen stellungnehmenden Experten sind allerdings zumeist dieselben.
Wer sich mit der Materie auskennt, wundert sich freilich über die von Monitor präsentierten AOK-Zahlen, zumal das Magazin auch keine Anstalten machte, deren Genese zu erläutern. Offen blieb auch, ob der Zwangsrabatt der Apotheker an die Kassen berücksichtigt wurde. In der Monitorredaktion zeigte man sich auf eine entsprechende Nachfrage der PZ überrascht. So tief sei man gar nicht in das Thema eingestiegen, war die Reaktion.
Insgesamt gestaltete es sich schwieriger als erwartet, die Rechnung nachzuvollziehen. Eine E-Mail-Anfrage an den Experten Lauterbach blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet. Nicht überaschend konnte allein das WIdO selbst Auskunft geben. Die Rechnung ist simpel: Im Jahr 2005 werden nach WIdO-Prognose die Ärzte 6,4 Prozent weniger Packungen rezeptpflichtiger Arzneimittel verordnen als 2002, dem Referenzjahr für die Vergütungsumstellung. Im selben Zeitraum soll die Apothekervergütung für diese Arzneimittel in der Summe um 3,6 Prozent steigen. Daraus errechnete das Institut einen Anstieg der Apothekervergütung von 11 Prozent pro Packung. Wolle man, wie im Gesetz vorgesehen, die Umstellung ergebnisneutral gestalten, müsste der Fixzuschlag bei 7,40 Euro liegen.
Abgesehen davon, dass die Zahlen der ABDA die Prognosen des WIdO nicht bestätigen, sind die aus der Berechnung gezogenen Schlüsse eine sehr phantasievolle Interpretation des GKV-Modernisierungsgesetzes. Die Änderung der Arzneimittelpreisverordnung sollte tatsächlich ergebnisneutral sein. Allerdings war damit nicht gemeint, den Absolutbetrag von 2002 bis in alle Ewigkeit zu zementieren. Die Umstellung an sich sollte die Gesamtvergütung der Apotheker nicht verändern.
Die vom WIdO aufgestellte Hypothese, die neue Preisverordnung beschere den Apothekern ein zu hohes Einkommen, lässt sich nicht mit einem Vergleich 2002 zu 2005 beantworten. Richtig wäre ein Vergleich der Apothekervergütung für 2005 nach der neuen und der alten Preisverordnung mit den tatsächlichen Verordnungszahlen dieses Jahres.
Das hat das WIdo nicht gemacht. Wahrscheinlich aus gutem Grund. Der festgestellte Anstieg der Vergütung pro GKV-Packung von 2002 bis 2005 beruht nämlich nicht auf einem Rechenfehler des Ministeriums. Verantwortlich ist vielmehr der Trend zu Großpackungen und neuen Medikamenten. Beide Effekte lassen den Arzneimittelpreis steigen und erhöhen auch die Apothekerspanne. Der Effekt wäre allerdings bei der alten Preisverordnung deutlich größer. Bis 200s war die Spanne maßgeblich preisabhängig, heute macht der Preis nur einen kleinen Teil der Vergütung aus.
Ministerium widerspricht
Die Rechnung des WIdO ist somit, zumindest als Prognose, vielleicht sogar korrekt. Sie ist aber vollkommen ungeeignet, die falsche Behauptung zu belegen, das Gesundheitsministerium habe sich bei der Umstellung der Preisverordnung verrechnet. Das Ministerium sieht dies genauso. In einer Stellungnahme stellte es klar, dass die Krankenkassen von der Umstellung mit 500 Millionen Euro profitierten. Dieser Betrag stammt übrigens ausschließlich aus den Spannen von Apothekern und Pharmagroßhandel. Die steigenden Arzneimittelausgaben seien nicht auf höhere Einkommen der Apotheker, sondern steigende Arzneimittelpreise zurückzuführen.
Das Ministerium wirft den Kassen bei der Kontrolle der Arzneimittelausgaben Versagen vor. Sie hätten die ihnen zur Verfügung stehenden Instrumente zur Begrenzung der Ausgaben bislang nicht ausreichend genutzt. So würden die mit den Kassenärztlichen Vereinigungen getroffenen Vereinbarungen nicht eingehalten.
Die klaren Worte aus dem Ministerium tun den Apothekern sicherlich gut, sie werden die Krankenkassen aber nicht von weiteren Angriffen abhalten. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Mär vom reichen und gierigen Apotheker ihre mediale Fortsetzung findet.