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Bluthochdruck

Angiogenese-Hemmung als neuer Ansatz

21.11.2017  15:11 Uhr

Von Sven Siebenand / Arzneistoffe, die ­eigentlich als Angiogenese-Hemmer bei Krebs wirken sollen, könnten mög­licherweise auch als Blutdrucksenker einen Tauglichkeitstest bestehen. Dieser Meinung sind Wissenschaftler am Georgetown University Medical Center in der US-amerikanischen Hauptstadt ­Washington. Wie das Team um Erst­autorin Elena Tassi in »Hypertension« berichtet, können Substanzen, die die Wirkung von Fibroblasten-Wachstumsfaktoren (FGF) hemmen, zumindest im Tiermodell auch den Blutdruck deutlich ­senken (DOI: 10.1161/HYPERTENSIONAHA. 117.10268).

 

FGF sind am Wachstum von Blut­gefäßen beteiligt. FGF-Inhibitoren schneiden als Angiogenese-Hemmer den Krebszellen buchstäblich die Blutzufuhr ab. Das FGF-bindende Protein 1 (FGFBP1) moduliert dabei die Aktivität der FGF. Eine Gruppe von Hypertonikern in Osteuropa, bei der die Produktion von FGFBP1 im Nierengewebe aufgrund eine Genvariation deutlich überexprimiert ist, ließ die Wissenschaftler aufhorchen. Sie formulierten die Hypothese, dass ein Zuviel an FGFBP1 die ­Expression von FGF und schließlich den Blutdruck erhöht.

Im nächsten Schritt setzten sie ein Tiermodell ein, das es ermöglichte, bei Mäusen das Gen für FGFBP1 ein- und auszuschalten. Das Resultat: Im On-­Modus nahmen nicht nur FGFBP1 und FGF zu, auch der Blutdruck schoss in die Höhe. »Der Wert stieg von einem normalen Blutdruck um 30 mmHg auf einen ziemlich starken Bluthochdruck«, so ­Professor Dr. Anton Wellstein, Pharmakologie-Professor an der Georgetown University und Seniorautor der Studie.

 

Weitere Untersuchungen zeigten, dass die entdeckte Blutdruckregulation durch FGFBP1 in den Widerstandsgefäßen auftrat. Die abnorme Aktivität des FGFBP1-Gens führt laut den Wissenschaftlern dazu, dass sich die Antwort der Gefäße auf das vasokonstriktive Hormon Angiotensin II erhöhte, was zum Ansteigen des Blutdrucks führt. Die letztlich vermehrt gebildeten FGF kon­trollieren Wellstein zufolge, wie sensitiv die Blutdruckregulation durch Angiotensin II ist.

 

Bei Mäusen mit aktiviertem FGFBP1-Gen führte der Einsatz eines FGF-Inhibitors dazu, dass die Sensitivität für Angio­tensin II wieder deutlich abnahm. Ob diese Taktik auch bei Menschen mit Hypertonie funktioniert, ist noch nicht bewiesen. Wellstein ist jedoch der ­Meinung, dass die Erkenntnisse es rechtfertigen, dies zu überprüfen. Möglicherweise handele es sich um einen neuen Ansatz zur Blutdruckkontrolle.

 

Bis entsprechende Medikamente tatsächlich auf den Markt kommen, wird man aber noch warten müssen. Selektive Hemmstoffe des FGF-Rezeptors sind zwar in der Pipeline, aber es gibt bisher noch keinen zugelassenen Arzneistoff mit diesem Wirkprinzip. Einige Multikinase-Hemmer, die bereits im Handel sind, hemmen unter anderem auch die FGF-Rezeptoren, etwa Lenvatinib, Ponatinib und Regorafenib. Ob in ihrem Fall das Nutzen-Risiko-Verhältnis für den Einsatz bei Hypertonie positiv ausfällt, muss man aber stark in Zweifel ziehen. /

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