Luftnot im Mittelohr |
16.11.2016 09:06 Uhr |
Von Christina Hohmann-Jeddi / Sammelt sich Flüssigkeit im Mittelohr an, spricht man von einem Paukenerguss. Besonders häufig kommt das bei Kindern vor. Ein Paukenerguss ist nicht schmerzhaft, kann aber auf Dauer das Hörvermögen beeinträchtigen und darüber die Sprachentwicklung stören.
»Paukenergüsse sind das tägliche Brot in der Kinderarztpraxis«, sagt Dr. Bettina Volkmer, niedergelassene Pädiaterin aus Lörrach. Etwa 80 Prozent aller Kinder entwickeln bis zum Schulalter mindestens einmal einen Paukenerguss. »Das Trommelfell ist dabei in der Regel nicht entzündet«, so Volkmer. Die Flüssigkeit, die sich im Mittelohr ansammelt, kann dünn- oder zähflüssig bis hin zu schleimartig sein.
Mit dem Otoskop kann der Kinderarzt Flüssigkeit hinter dem Trommelfell erkennen. Ein chronischer Paukenerguss sollte vom HNO-Arzt abgeklärt werden.
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Ursache der Flüssigkeitsansammlung ist meist ein Atemwegsinfekt und eine daraus entstehende Belüftungsstörung im Mittelohr. Dieses ist nach außen durch das Trommelfell abgeschlossen. Für die Belüftung ist die Eustachische Röhre (Tuba auditiva) verantwortlich, ein kleiner Kanal, der den Nasen-Rachen-Raum mit dem Mittelohr verbindet. Über ihn ist der Druckausgleich, beispielsweise beim Tauchen oder im Flugzeug, möglich. Über die Röhre kann zudem Sekret, das von der Schleimhaut im Mittelohr gebildet wird, in den Nasen-Rachen-Raum abfließen.
Blockierte Eustachische Röhre
Bei Atemwegsinfekten kann dieser Weg blockiert sein, wenn etwa die Schleimhaut der Eustachischen Röhre oder des Mittelohrs angeschwollen ist. Der Kanal kann auch verlegt sein, wenn die Rachenmandeln (Tonsillae pharyngeales), die sich im Rachendach befinden, pathologisch angeschwollen sind, etwa bei Infektionen. Im Kleinkindalter, meist im Alter von zwei bis sechs Jahren, kommt es häufig vor, dass sich die Rachenmandeln infolge der Reifung des Immunsystems krankhaft vergrößern. Diese Hyperplasien werden auch als Adenoide, umgangssprachlich fälschlich als Polypen bezeichnet. Zum Teil können auch anatomische Fehlbildungen wie eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte der Grund sein, warum die Eustachische Röhre ihre Funktion nicht erfüllen kann.
Hält die Belüftungsstörung längere Zeit an, entsteht im Mittelohr ein Unterdruck. Dadurch bilden sich in der Schleimhaut vermehrt schleimproduzierende Zellen, wodurch das Sekret eindickt, was den Abfluss zusätzlich behindert. »Häufig entsteht ein Paukenerguss nach einer Mittelohrentzündung«, sagt Volkmer. Diese tritt auf, wenn Erreger bei einem Atemwegsinfekt über die Eustachische Röhre ins Mittelohr gelangen und dort die Schleimhäute befallen. Die Schleimhäute produzieren dann vermehrt Sekret, dessen Abfluss durch die Schwellung blockiert ist. Die Flüssigkeitsansammlung hinter dem Trommelfell kann der Kinderarzt mittels einer Otoskopie erkennen. Es ist wichtig, zwischen einer Mittelohrentzündung und einem Paukenerguss zu unterscheiden. »Eine Mittelohrentzündung bereitet Schmerzen, ein Paukenerguss in der Regel nicht«, erklärt Volkmer. »Es ist aber ein Druck- oder Völlegefühl zu spüren.«
Bleibt nach einer Mittelohrentzündung Flüssigkeit im Mittelohr zurück, muss regelmäßig nachuntersucht werden, ob sich die Ansammlung zurückbildet. Denn ein Paukenerguss beeinträchtigt das Hörvermögen, indem er die Beweglichkeit des Trommelfells und darüber die Schallweiterleitung behindert. Der durchschnittliche Hörverlust beträgt zwischen 20 und 30 Dezibel, heißt es in der Leitlinie »Seromukotypanum« der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie von 2011. Ältere Kinder oder Erwachsene können dies äußern oder fallen dadurch auf, dass sie laut sprechen, sagt Volkmer. Bei kleineren Kindern macht sich die Hörminderung bemerkbar, indem diese nicht adäquat auf Stimmen oder andere Geräusche reagieren. Gerade bei kleineren Kindern besteht die Gefahr, dass ein chronischer Paukenerguss die Sprachentwicklung stört. Liegt ein Paukenerguss dauerhaft vor, kann das bis hin zu aggressivem Verhalten führen, da die betroffenen Kinder sich ausgeschlossen fühlen und sich nicht verständlich machen können.
Ein Paukenröhrchen im Größenvergleich.
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Bei Verdacht auf chronischen Paukenerguss sollte ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt aufgesucht werden, da dieser das Mittelohr und Trommelfell mittels eines Ohrmikroskops deutlich genauer untersuchen kann als der Kinderarzt und zudem Hörtests durchführen und die Trommelfellbeweglichkeit im Tympanogramm darstellen kann. Zusätzlich untersucht er die Mundhöhle und den Nasen-Rauchen-Raum, um die Ursache der Belüftungsstörung zu ermitteln.
Bei Vorliegen eines Paukenergusses kann wegen der hohen Selbstheilungsrate versucht werden über konservative Mittel wie abschwellende Nasentropfen oder Inhalation die Belüftung des Mittelohrs zu verbessern. Antibiotika haben keinen Effekt. Wenn eine Allergie die Ursache der Belüftungsstörung ist, sollte diese behandelt werden. Bleibt ein Paukenerguss trotz konservativer Therapie über drei Monate bestehen, sollte eine Operation erfolgen. Bei der sogenannten Parazentese wird ein kleiner Schnitt in das Trommelfell gemacht, danach kann die Flüssigkeit abgesaugt werden. Sind die Rachenmandeln vergrößert, werden diese in der gleichen Sitzung mit entfernt.
Paukenröhrchen sorgt für Belüftung
Bei hoch viskösem Sekret oder bei häufigen Rezidiven setzen die Ärzte nach der Drainage ein Paukenröhrchen in das Trommelfell ein. Diese 1,2 bis 1,5 mm dicken Röhrchen bestehen meist aus Kunststoffen wie Silikon oder Polyethylen. »Sie dienen hauptsächlich der Belüftung und nicht dem Abfluss von Sekret«, erklärt Volkmer. Die Röhrchen können für bis zu einem Jahr im Trommelfell verbleiben. Sie fallen in der Regel von selbst heraus. Falls nicht, muss der Arzt sie entfernen. Solange sich das Paukenröhrchen im Trommelfell befindet, sollte das Ohr vor Wasser geschützt werden. Beim Schwimmbadbesuch sollten Betroffene daher spezielle Ohrstöpsel, zum Beispiel aus der Apotheke, tragen. »Tief tauchen sollte man mit diesen aber nicht«, rät die Kinderärztin. /