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MVZ-Betreiber darf nicht an Apotheke mitverdienen

13.11.2006  11:16 Uhr

MVZ-Betreiber darf nicht an Apotheke mitverdienen

Von Rainer Auerbach, Berlin

 

Das Verwaltungsgericht Berlin hat den Antrag eines Apothekers zurückgewiesen, das Land Berlin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die Erlaubnis zum Betrieb einer Apotheke in einem medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) in Berlin mit zurzeit 34 Vertragsärzten zu erteilen (Beschluss vom 10. Oktober 2006, VG 14 A 28.06). Der Apotheker wollte rund 280 Quadratmeter große Apothekenräume für eine monatliche Bruttomiete von insgesamt 40.000 Euro anmieten. Dies entspricht einem Mietpreis von rund 143 Euro pro Quadratmeter.

 

Das zuständige Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin (LAGeSo) lehnte die beantragte Betriebserlaubnis wegen Verstoßes gegen § 8 Satz 2 ApoG ab. Es sei ein immens hoher Mietzins vereinbart worden, der verdeckt am zu erwartenden Umsatz der Apotheke ausgerichtet sei. Angesichts dieses Mietzinses (unter Einbeziehung diverser Nebenkosten 480.000 Euro mit automatischen jährlichen Anhebungen) sei die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Apothekers derart eingeschränkt, dass die Gefahr illegalen Handels nicht auszuschließen sei. Ein solcher Mietvertrag sei nichtig und somit fehle es an der in § 2 Abs. 1 Nr. 6 ApoG normierten Voraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis, nämlich dem Vorhandensein der vorgeschriebenen Räume.

 

Gewinnorientierte Mietverträge beeinträchtigen Entscheidungsfreiheit

 

Das Verwaltungsgericht hat die Auffassung des LAGeSo in vollem Umfang bestätigt. Nach § 8 Satz 2 ApoG sind Vereinbarungen, bei denen die Vergütung für die dem Erlaubnisinhaber überlassenen Vermögenswerte am Umsatz oder Gewinn der Apotheke ausgerichtet ist, darunter auch an Umsatz oder Gewinn ausgerichteten Mietverträge, unzulässig. Damit soll vermieden werden, dass ein Apotheker durch wirtschaftliche Abhängigkeit von Dritten, beispielsweise Vermietern, in seiner an der Gesundheit der Bevölkerung orientierten beruflichen Verantwortung und Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werde. Es müsse im Ansatz verhindert werden, dass ein Apotheker verleitet werden könne, außerhalb des gesetzlich zulässigen Rahmens Geschäfte zu machen. Es sei zudem aufgrund der Lage der Apotheke davon auszugehen, dass die Apotheke mangels Passanten ihren Umsatz nahezu ausschließlich mit den Patienten der im MVZ beschäftigten Ärzte erwirtschafte. Der Apotheker sei deshalb auf Gedeih und Verderb der Geschäftspolitik des Vermieters ausgeliefert, der über die Zahl der beschäftigten Ärzte und damit über den mit der Apotheke erzielten Gewinn entscheide. Dies aber widerspreche eklatant dem gesetzlichen Leitbild des Apothekers.

 

Das Verbot der Umsatzmiete gelte dabei insbesondere für die Anmietung der Apothekenbetriebsräume. Mit der Regelung des § 8 Satz 2 ApoG sollen sogenannte partiarische Rechtsverhältnisse, in denen sich der Gläubiger die beruflichen und wirtschaftlichen Fähigkeiten des Betriebsinhabers der Apotheke zunutze macht und an den Früchten der Apotheke partizipiert, vermieden werden. Die Vorschrift sei Ausdruck der in § 7 ApoG normierten gesetzgeberischen Zielvorstellung, dem Apotheker die eigenverantwortliche Führung und Leitung seines Betriebes sowohl in fachlicher, wissenschaftlich-pharmazeutischer, als auch in betrieblicher und wirtschaftlicher Hinsicht zu ermöglichen, ohne dass er (auch nur indirekt) bei seinen Entscheidungen von Dritten beeinflusst oder bestimmt wird. Seine berufliche Verantwortung und Entscheidungsfreiheit solle nicht durch unangemessene vertragliche Bedingungen, die ihn in wirtschaftliche Abhängigkeit zu Dritten bringen, beeinträchtigt werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass er seiner öffentlichen Aufgabe, eigenverantwortlich an der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung der Bevölkerung mitzuwirken, in sachgerechter Weise nachkommt (§§ 1, 7, 8, 9 Abs. 2 Satz 2 ApoG).

 

Gesamtgefüge der Vereinbarungen entscheidend

 

Für die Annahme eines partiarischen Rechtsverhältnisses ist allerdings die Höhe des vereinbarten Mietzinses nicht entscheidend, wenngleich sie auch je nach den Umständen des Einzelfalls ein Indiz sein kann, so das Gericht. Vielmehr müsse sich aus dem Gesamtgefüge der Vereinbarungen ergeben, dass die Parteien die Miete am Umsatz oder Gewinn ausgerichtet haben und der Vermieter dadurch an den Erträgnissen der Apotheke teilhat. In der Regel geschehe dies dadurch, dass die Parteien einen bestimmten prozentualen Anteil am Umsatz oder Gewinn, bezogen auf einen bestimmten Vergütungszeitraum, festlegen, sodass die Miete je nach der Entwicklung dieser Verhältnisse in ihrer Höhe variiert. Das sei jedoch nicht zwingend. Das Gesetz lasse es für einen Verstoß gegen das Verbot partiarischer Rechtsverhältnisse genügen, dass der Mietvertrag am Umsatz oder Gewinn ausgerichtet ist. Diese Formulierung weise auf die Zielsetzung hin, Geschäfte zur Umgehung dieses Verbotes zu verhindern. Für den Tatbestand des § 8 Satz 2 ApoG genüge es dann auch, dass die Parteien in ihren Vorstellungen von einem Zusammenhang zwischen der Miethöhe und dem Umsatz oder Gewinn ausgegangen sind und dass diese Verknüpfung in den Vereinbarungen ihren Niederschlag gefunden hat.

 

Im vorliegenden Fall war für die Apothekenräume ein extrem hoher Mietzins vereinbart. Die reguläre monatliche Bruttomiete (Nettomiete nebst Nebenkosten und Mehrwertsteuer) beträgt ab Oktober 2006 insgesamt rund 40.000 Euro. Dies entspricht einem Mietpreis von 143 Euro/Quadratmeter im Monat. Im Jahr sind dies 480.000 Euro, die sich nach der Vereinbarung Jahr für Jahr automatisch um 3 Prozent erhöhen. Bezogen auf einen prognostizierten Jahresumsatz von 5 Millionen Euro betragen die Mietkosten nahezu 10 Prozent des Umsatzes. Mietaufwendungen von Apotheken in dieser Umsatzklasse betragen bundesweit im Durchschnitt lediglich 2 Prozent des Gesamtumsatzes.

 

Der vereinbarte Mietzins gehe damit sowohl seinem absoluten Betrag nach wie auch in Relation zum (erwarteten) Umsatz weit über das Übliche hinaus. Bereits hieraus ergibt sich nach Ansicht des Gerichts ein starkes Indiz dafür, dass die Mietvertragsparteien einen Zusammenhang zwischen Miethöhe und (erwartetem) Umsatz hergestellt haben und bezweckt ist, den von der Apotheke generierten Umsatz beziehungsweise den daraus erwirtschafteten Gewinn vom Vermieter durch Vereinbarung einer außerordentlich hohen Miete weitgehend abzuschöpfen. In der Kommentarliteratur wird davon ausgegangen, dass eine unzulässige Umsatzmiete bereits ab einem Anteil von mehr als 4 Prozent am Umsatz vorliegt (Schiedermair/Pieck, Apothekengesetz, § 8 Rn. 151).

 

Das Gericht sieht die Indizwirkung dadurch bestätigt, dass es den Anschein habe, dass die tatsächliche Miethöhe verschleiert wird, indem die Miete in diverse, an unterschiedlichster Stelle des Vertrages geregelte Bestandteile gesplittet wurde, so in einen monatlichen Werbekostenbeitrag von 5000 Euro, bei dem völlig unklar bleibe, welche konkrete Gegenleistung der Apotheker für diesen nicht unerheblichen Betrag erhalten soll, einen Baukostenzuschuss in Höhe von 130.000 Euro, der umgelegt auf die Vertragslaufzeit von 120 Monaten die Miete nochmals um gut 1000 Euro monatlich erhöhen würde. Weiterhin sei erstaunlich, dass monatlich 8600 Euro allein für die Mitbenutzung von nicht nachvollziehbaren Gemeinschaftsflächen zu zahlen sei.

 

Der immens hohe Mietzins enge die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Apothekers erheblich ein und mache ihn damit zumindest indirekt von den Vermietern abhängig, was wie oben ausgeführt, dem Zweck von § 8 Satz 2 ApoG widerspricht. Das Gericht sieht die Gefahr, dass der Apotheker beim Betrieb der Apotheke unter diesen Bedingungen in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten könnte. Die von einer Unternehmensberatung prognostizierte langfristige Gewinnerwartung hält das Gericht für letztlich nicht hinreichend glaubhaft.

 

Im Übrigen habe der Apotheker keinen Einfluss auf die weitere Entwicklung des MVZ. Er sei auf Gedeih und Verderb der Geschäftspolitik der Vermieter ausgeliefert. Spielraum für eigene unternehmerische Entscheidungen verbleibe ihm nicht. Dies gelte umso mehr, als er Umsätze durch Laufkundschaft in nennenswertem Umfang nicht erwarten könne. Die Apotheke sei einseitig abhängig vom MVZ. Es bestehe bei dieser Konstellation auch die Gefahr einer Verletzung von § 11 ApoG, der eine auf verbotenen Absprachen basierende Zusammenarbeit zwischen Arzt und Apotheker ausdrücklich verbietet. Auch § 7 HWG komme in Betracht, der Umsatzrückflüsse zumindest seinem Sinn und Zweck nach verbietet.

 

Fremdbesitz durch die Hintertür

 

Das Gericht ist der Auffassung, dass der Betreiber des MVZ sich letzten Endes die Arbeitskraft und die beruflichen Fähigkeiten des Apothekers zur Gewinnerzielung dienstbar macht und damit in die Nähe eines Mitinhabers rückt. Dies widerspreche eklatant dem gesetzlichen Leitbild des »Apothekers in seiner Apotheke« und verstoße damit nicht nur gegen § 8 Satz 2, sondern auch gegen § 7 ApoG, »weil sich damit durch die Hintertür Fremdbesitz in die Apotheke einschleicht«. Ob der Apotheker, wenn er die Apotheke unter den gegebenen Bedingungen betriebe, zwangsläufig in Insolvenznähe geriete und/oder seine Geschäftsführung durch den Betreiber des MVZ tatsächlich maßgeblich beeinflusst werden würde, sei unerheblich. Durch § 8 ApoG solle bereits die bloße Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der Berufsausübung des Apothekers vermieden werden, denn bei den vom Apothekengesetz geschützten Rechtsgütern der Gesundheit der Bevölkerung und ihrer sachgerechten Versorgung mit Arzneimitteln handele es sich um besonders hochwertige Rechtsgüter, die weitreichendem und umfassendem Schutz bedürfen.

Rechtsanwalt Rainer Auerbach ist Geschäftsführer der Apothekerkammer Berlin.

 

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