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Im eigenen Saft

04.11.2015  09:41 Uhr

Die Bundesregierung erfindet den Medikationsplan neu. Nonchalant setzt sie sich dabei über das Wissen der Experten weg. Apotheker und Ärzte halten den Plan erst dann für sinnvoll, wenn Patienten regelmäßig mindestens fünf verschreibungspflichtige Arzneimittel einnehmen. Die Bundesregierung will die Untergrenze für den Medikationsplan auf drei Präparate absen­ken (lesen Sie dazu Medikation: Drei Arzneien sind zu wenig). Ähnlich unverständlich ist auch die hartnäckige Weigerung von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe, die Apotheker beim Medikationsplan einzubinden und ihnen ein Honorar zu gewähren. Es schert ihn offensichtlich auch nicht, dass Gesundheitsexperten wie Parteikollege Michael Hennrich deren Einbindung fordern.

 

Zu allem Überfluss hat Minister Gröhe auch noch eine nur bedingt nachvollziehbare Affinität zu gedrucktem Papier. Damit hatte im Sommer bereits Gesundheitsexperte Jens Spahn seine Probleme. In seiner aktuellen Stellungnahme zum E-Health-Gesetz kritisiert nun der Branchenverband Bitkom die Gröhesche Papyrophilie. Grundsätzlich begrüßt Bitkom zwar den Medikationsplan. Überhaupt nicht einverstanden ist der Verband aber mit dem fehlenden verbindlichen Termin für die Migration des Plans in die digitale Welt. Ein konkretes Datum fehlt im Gesetzentwurf.

 

Es ist schwer nachzuvollziehen, warum die Bundesregierung gerade bei einem der wichtigsten Projekte in der Arzneimittelversorgung so sehr im eigenen Saft schmort. Ärzte, Apotheker und die Gesundheitswirtschaft werden systematisch überhört. Dabei geht es beim Medikationsplan weder um gewaltige Investitionen noch um unüberbrückbare Differenzen der handelnden Personen. Im Gegenteil: Die sind sich selten so einig, wie in diesem Fall.

 

Es ist an der Zeit, dass die Bundesregierung beim Medikationsplan endlich Gas gibt. Wir brauchen möglichst schnell eine Leistungsfähige Telematikstruktur. Wir brauchen eine Infrastruktur, die es ermöglicht, multimorbide Patienten noch besser als bislang zu versorgen. Eine Infrastruktur, die Apothekern, Ärzten und anderen Gesundheitsberufen die Kommunikation und die Kooperation untereinander erleichtert. Deutschland ist nicht das einzige Land, in dem das Gesundheits­wesen immer digitaler wird. Fast alle Industrienationen sind dabei, ihre Gesundheitsversorgung zu digitalisieren. Wer jetzt zu lange zögert und zu langsam handelt, der hat es später weit bis an die Spitze.

Daniel Rücker 

Chefredakteur

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